Bundesrat Stenographisches Protokoll 653. Sitzung / Seite 104

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Präsident Gottfried Jaud: Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

15.34

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Herr Vorredner hat mich jetzt veranlaßt, nicht nur darzulegen, daß wir gegen diese beiden Materien auch keinen Einspruch erheben werden, sondern auch ein bisserl die historische Dimension Revue passieren zu lassen.

Daß es zur Vorlage Nummer 1, die sich mit den finanziellen Bereichen befaßt, gekommen ist, ist höchst an der Zeit, wie Sie richtig ausgeführt haben. Da geht es um 56 Milliarden Schilling. Aufdecker Bösch wurde hier erwähnt, aber Ihre burgenländische Kollegin – wie heißt sie nur? – muß offensichtlich mehr aufgedeckt haben, denn Kollege Bösch ist hinten gereiht, ist an sechster Stelle gereiht. (Bundesrat Payer: Das hat nichts damit zu tun!) – Ach, das hat nichts damit zu tun? (Bundesrat Payer: Mann, Frau, Mann, Frau! So ist das!) Ah, so ist das.

Zur klärenden und aufklärenden Wirkung Österreichs und Ihres Vorsitzenden Klima, Herr Kollege Payer, darf auch noch einiges gesagt werden. Meines Wissens und meiner Erinnerung nach hat Kollege und Europaparlamentsabgeordneter Herbert Bösch als Vorsitzender des Finanzausschusses – da hat er ein bisserl Glück gehabt, muß man sagen – all das schon vor einem guten Jahr, vor eineinhalb Jahren gesagt. Wenn ich jetzt zurückrechne, dann komme ich darauf, daß Österreich vor knapp einem Jahr den Vorsitz hatte. Funktioniert da die Verbindung nicht ganz? Hat das Herr Bundeskanzler Mag. Viktor Klima nicht gewußt? Was ist da los? Oder wollte er es zudecken? (Bundesrat Rauchenberger: Frei nach Kreisky: Lernen Sie die Institutionen kennen! – Weiterer Zwischenruf bei der SPÖ.) Aha, na gut. Ich kenne mich nicht so aus. Ich muß euch fragen, wie ihr die Koalition hier handhabt. (Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Deswegen, Herr Bundesminister, sind wir so heilfroh, daß diese Materie kommt. Ich habe mir hier auf meinem Zettel aufgeschrieben: Endlich! Gott sei Dank ist sie da! – Das nur als Einbegleitung.

Ich komme nun gleich zum Kern der Sache. In der Vorlage sind Bereiche enthalten, die den Betrug verhindern sollen. Unter anderem steht im Artikel 1 Abs. 1 lit. b: "Im Zusammenhang mit Einnahmen jede vorsätzliche Handlung oder Unterlassung ..." Und dann sind die Tatbestandsmerkmale aufgeführt, etwa daß rechtswidrig vermindert oder nicht entsprechend dargelegt wird und so weiter.

Hier fehlt mir ein Begriff nach der österreichischen Rechtsordnung. Da heißt es nur "vorsätzliche Handlungen oder Unterlassungen". Mir fehlt, so wie das bei uns im strafrechtlichen Bereich üblich ist, der Begriff "grob fahrlässig", und ich sage auch, warum ich das bemängle.

Wie wir wissen, verfügt das Gemeinschaftsrecht über eigene Rechtsquellen, das sind die Verordnungen. Im gegenständlichen Fall handelt es sich um eine Richtlinie. Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überläßt jedoch dem Staat selbst die Wahl der Form und der Mittel, um das Ziel umzusetzen.

Dazu hat der Europäische Gerichtshof unter anderem folgendes festgestellt: Im Laufe der Jahre hat der Europäische Gerichtshof jedoch für den Fall der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien, die so präzise sind, daß sie den einzelnen begünstigen, dem Staat gegenüber das Instrument der vertikalen unmittelbaren Wirksamkeit von Richtlinien geschaffen. Daraus folgt, daß eine nicht im Rahmen der Umsetzungsfrist umgesetzte und nur unzulänglich im innerstaatlichen Recht eingefügte Richtlinie – das Wort "unzulänglich" habe ich mit den fehlenden Worten "grob fahrlässig" hier begründet –, deren einschlägige Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, dem Staat entgegengehalten werden kann. Lediglich im Bereich der Bürger untereinander entfaltet die Richtlinie noch keine horizontale Drittwirkung.

Das ist also in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes in bezug auf Richtlinien festgehalten. – Das zum materiellen Bereich.


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