Bundesrat Stenographisches Protokoll 681. Sitzung / Seite 60

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gendlichen, der langsam beginnen sollte, sich in einen Arbeitsprozess zu integrieren. (Präsident Schöls übernimmt den Vorsitz.)

So weit die Theorie – aber da liegt auch die Crux begraben. Denn um sich in einen Arbeitsprozess einzufügen, braucht man auch eine Lehrstelle, eine Arbeitsstelle, wo man das erlernen und auch Praxis erwerben kann.

Es sind bei diesem Gesetz, über das wir hier sprechen und bald abstimmen werden, 100 Millionen Schilling vorgesehen. Ich weiß, dass das vielen zu wenig ist und man weitere 400 Millionen gefordert hat. Dabei liegen die Zahlen darüber noch gar nicht vor, in welchem Umfang sich die Bundesländer, die dieses Projekt mitfinanzieren sollen, bereit erklärt haben, zu zahlen.

Aber fehlende Lehrstellen, meine Damen und Herren, sind keineswegs eine neue Erscheinung in dieser recht gut funktionierenden Koalitionsregierung, sondern sind sozusagen – und ich muss sagen, leider! – ein Dauerbrenner der österreichischen Wirtschaft. Die Forderung nach mehr Lehrstellen, Ausbildungsstellen ist genauso alt wie die Forderung nach weiteren Millionen, um diese Misere zu beheben – diese Misere, die eigentlich nur auf dem Rücken der Jugendlichen ausgetragen wird.

Ich glaube, in diesen ambivalenten Forderungen steckt sehr viel an gesellschaftspolitischen Utopien marxistischer Provenienz. Den Jugendlichen ist zwar vielleicht direkt geholfen, wenn wir die Mittel höher dotieren, wenn wir mehr ausgeben, um Lehrstellen zu schaffen, aber auf lange Sicht verlängern wir gerade mit einer höheren Dotierung nur das Problem, weil es eben nicht an der Wurzel, nicht radikal genug angegangen wird. Das hat man noch nicht gemacht, aber genau das würde auf die Dauer wesentlich mehr zur Beseitigung der Lehrstellendefizite beitragen als die ewige Forderung nach mehr Geld.

Zu viele Verordnungen und Gesetze regeln derzeit die Ausbildung. Derjenige, der wirklich vor Ort ausbildet, der Meister oder der Geselle, ist durch die Verordnungen eigentlich zu einem Demonstrator von Arbeit geworden. Das heißt, er zeigt dem Auszubildenden, er zeigt dem Lehrling, wie man arbeiten soll, ohne dass er in die Verlegenheit kommt, dass der Lehrling auch wirklich mit arbeiten soll. Ihn nämlich wirklich mitarbeiten zu lassen, ist das, was ich eigentlich unter einer dualen Ausbildung verstehe. Wenn das nicht geschieht, dann verdient es auch nicht die Bezeichnung "duale Ausbildung".

Im Englischen gibt es den Ausdruck "Learning by Doing". Ich weiß, dass damit im Angelsächsischen sicher nicht die Lehrlingsausbildung gemeint ist, sondern etwas völlig anderes, aber es trifft hier inhaltlich zu, denn es geht um das Lernen durch die Tätigkeit selbst. Dass die angelsächsischen Länder dieses duale Ausbildungssystem, wie wir es hier in Österreich haben, gar nicht kennen, ist ein Schaden für diese Länder, nicht für uns, denn unser duales Ausbildungssystem ist, wenn es wahrgenommen werden kann, ausgezeichnet und sehr gut.

Wenn der Ausbildner die Arbeit aber nur mehr vorzeigen darf, und der Lehrling bei der tatsächlichen Arbeit im Unternehmen nicht mehr Hand anlegen darf, dann ist die Motivation dafür, Lehrlinge einzustellen, auch nicht mehr sehr groß, und zwar deshalb nicht – ich weiß das aus eigener Praxis, aus meiner Tätigkeit in einer sehr großen Firma –, weil man sehr viel "manpower", also Ausbildner zur Verfügung stellen muss, um die Auszubildenden wirklich an die Arbeit heranzuführen. Und das können sich viele Gewerbebetriebe – ich glaube, österreichweit sind das in der Mehrzahl Klein- und Mittelbetriebe – einfach nicht mehr leisten.

Ich weiß, dass es früher in diesem Bereich viele Missstände gegeben hat. Aber Gott sei Dank ist die Zeit vorbei, in der es üblich war, dass der Lehrling im ersten Ausbildungsjahr zur Reinigung von Werkstatt und Maschinen benützt wurde und nebenbei zum Bierholen für die Gesellen und für den Meister. Das ist keine duale Ausbildung, aber das ist vorbei. Duale Ausbildung heißt: Mitarbeit an der konkreten Arbeit, und nicht Anfertigung von Lehrstücken, denn das wäre Schulausbildung pur.


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