BundesratStenographisches Protokoll746. Sitzung / Seite 98

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an und versucht, mit diesen Menschen zu sprechen, auf den Grund des Problems zu gehen und seine Hilfe anzubieten?

Ich vermisse das sehr, und ich denke, wir haben verlernt oder sehr viele haben verlernt, dass wir füreinander Verantwortung tragen. Das ist eventuell in den kleineren, überschaubaren Gemeinden noch gegeben, das ist sicher in einer Stadt schwerer, aber das ist leider in zunehmendem Maße im Abnehmen begriffen. Ich habe oft das Gefühl, dass wir uns in einer Liegestuhlgesellschaft befinden, wo sich sehr viele zurück­lehnen und den Politikern sagen, was sie tun sollten, welche Gesetze sie erlassen sollten. Aber bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen, das tägliche Leben lässt sich nicht durch Gesetze regeln, sondern es bedarf unseres Verantwortungsgefühles. Oder wenn ich mit Saint-Exupéry sprechen darf: Wir müssen wieder lernen, nicht nur mit den Augen, sondern auch mit dem Herzen zu sehen – und uns angesprochen fühlen, wenn wir irgendwo ein Problem sehen, und nicht müde werden, hier einzu­greifen und den Kontakt zu den Menschen zu suchen. Das ist leider nicht mehr der Fall.

Ich finde es also richtig, dass sowohl in den Kindergärten als auch in den Schulen und in den Betreuungseinrichtungen die Personen jetzt nicht nur die Möglichkeit haben, sondern verpflichtet sind, sich bei Verdachtsmomenten an die Jugendwohlfahrtsträger zu wenden. Die Befürchtungen der Grünen kann ich nicht ganz teilen, denn bitte wer soll es tun, wenn nicht die Personen, die ein Vertrauensverhältnis zu den Kindern und Jugendlichen haben. Sie sind oft die Einzigen, die die Möglichkeit haben, mit den Kin­dern zu sprechen, sie aufmerksam zu machen und, wenn sie sehen, wir können das Problem miteinander nicht mehr lösen, sich an Fachleute zu wenden. Man soll sich doch bitte nicht vorstellen, wenn sich ein Lehrer oder eine Kindergärtnerin an die Fürsorge wendet, dass die gefühllos reinpreschen und dazwischenfahren. Bitte, das sind Fachleute mit den besten Ausbildungen! Und die Lehrer werden das vorerst intern abklären und besprechen – das, was Sie nämlich in Frage stellen. Es verhindert ja nach wie vor niemand, dass Lehrer das vorher miteinander besprechen und sich dann an die Fürsorge wenden, dann mit den Sozialarbeitern das Thema behandeln und ihnen sagen, wo sie meinen, wo das Problem liegt, und diese können dann eingreifen.

Ich habe auch mit Fürsorgern und mit Sozialarbeitern gesprochen und habe die Rückmeldung bekommen, dass sie das eigentlich sehr gut finden, dass diese Möglichkeit jetzt schon früher gegeben ist, weil sie nicht erst dann gerufen werden, wenn es etwas zu reparieren gilt, sondern weil sie jetzt schon im Vorfeld präventiv verhindern, vermeiden und unterstützen können. Und das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Ansatz, dass sie nicht erst gerufen werden, wenn es bereits etwas zu reparieren gibt.

Ich weiß, dass Sie heute Ihr Abstimmungsverhalten nicht mehr ändern werden, ich appelliere nur an den Kollegen Breiner von den Grünen: Soweit ich in Erinnerung habe, haben Sie im Ausschuss mitgestimmt. Also es würde mich wundern, wenn Sie jetzt dagegen wären, das wäre ein bisschen komisch. Ich darf Sie an Ihr Abstim­mungs­verhalten im Ausschuss erinnern.

Es wird in einer weiteren Maßnahme auf die geänderten Verhältnisse der Familien- und Gesellschaftspolitik Rücksicht genommen. Es handelt sich hier um eine ganz wich­tige Maßnahme, nämlich die Unterstützung der Eltern- und Partnerbildung. Es haben sich eben die Familienverhältnisse verändert. Früher war es so – in meinem Fall zumindest –, es waren drei oder vier Generationen in einer Familie, dann hat man automatisch gelernt, wie Familie idealerweise läuft. Diese Strukturen gibt es heute nicht mehr in diesem Maße, sind aufgebrochen, und daher ist für mich das Instrument der Eltern- und Partnerbildung eine sehr, sehr wichtige Sache.

 


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