Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 44

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wechselseitigem Mißtrauen. Alle waren sich sachlich darüber im klaren, daß die Arbeitszeitregelung in den Spitälern entscheidungsreif ist, aber nur aus Gründen des kleinkarierten politischen Bargaining mußte dieser Punkt vertagt werden.

In solch einer Atmosphäre zu erwarten, daß ein so komplexes System in seinen Strukturen gesunden wird, ist ein echter Denkfehler, denn ein Pühringer oder ein Schausberger, die ein gegebenes Wort schon einmal nicht gehalten haben, sind im zweiten Fall des gegebenen Wortes vielleicht nicht wert. – Ich betone: vielleicht! Ich hoffe, ich irre mich. (Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. ) Aber woher nehme ich die Sicherheit, daß jemand, der ein Bundesland repräsentiert und eine gegebene Zusage aus Gründen von vielleicht 5 S mehr oder weniger widerruft, das beim nächsten Mal nicht wieder macht? – Das ist, bitte, eine Frage der Handschlagsqualität, und die fehlt hier! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ein weiterer Aspekt, der mir wichtig ist, ist der Aspekt der Krankenscheingebühren. Das hängt irgendwo als Kulisse hinter der Chipkarte. Sie haben sich also jetzt einfallen lassen, daß die Krankenscheingebühr direkt mit den Sozialversicherungsbeiträgen eingehoben wird. Das ist eine Möglichkeit der administrativen Erleichterung – gut. Aber es ist auch das offene Einbekenntnis, daß es sich um eine Anhebung der Versicherungsbeiträge in einer linearen Form handelt, um eine Art Selbstbehalt in linearer Form, die Sie Krankenscheingebühr nennen und die Sie gemeinsam mit den Sozialversicherungsbeiträgen einheben.

Das hätten Sie doch gleich sagen können! Nur, um das Dekor zu wahren, daß es zu keiner Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge gekommen ist – auf dem Papier, denn der Prozentsatz ist gleich geblieben –, haben Sie die Krankenscheingebühr eingeführt. Dabei mußten Sie eine Fülle von Ausnahmen machen, denn es hat sich herausgestellt, daß das nicht so einfach geht, und jetzt sind Sie draufgekommen: Heben wir die Gebühr doch einfach zusammen mit den Sozialversicherungsbeiträgen ein!

Da hätten Sie doch ehrlicherweise sagen sollen: Wir kommen nicht aus, wir müssen leider eine weitere einnahmenseitige Erhöhung machen! – Wir hätten auch das abgelehnt, aber es wäre ehrlicher gewesen. Ehrlichkeit ist eine Kategorie in der Politik, die Glaubwürdigkeit bedeutet, aber auf diese Art verderben Sie die Glaubwürdigkeit. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das, was jetzt erreicht wurde, nämlich daß die Rezeptgebühren mindestens ein Jahr lang nicht angehoben werden, ist für mich sozusagen nur eine schmerzstillende Streicheleinheit. Ich freue mich zwar, wenn wir jetzt bei den Rezeptgebühren ein Jahr Atempause bekommen, aber letztlich heißt das auch implizit, daß wir damit rechnen sollten, daß sie am 1. Jänner 1998 angehoben werden, sonst hätte man diese Frist doch länger machen können. Das ist nicht mehr als eine "kurzatmige Erholungspause". Das alles geschieht aber auf dem Rücken von Sozialversicherten, die in vielen, vielen Fällen keineswegs über ein so auskömmliches Einkommen verfügen, daß ihnen die Höhe der Rezeptgebühr gleichgültig sein kann. Daher meine ich, das ist ein Trostpflaster, das die eigentlichen Wunden nicht heilt, sondern nur vorübergehend zudeckt.

Etwas Ähnliches ist Ihnen auch bei den Langzeitarbeitslosen eingefallen – damit mache ich einen Sprung in eine andere Materie. Dort haben Sie die Möglichkeiten, die es geben würde, etwa die, daß man Arbeitslosigkeit auch mit Teilzeitarbeit kombinieren kann, wie erst beim Schweizer Modell – unsere Fraktion hat dazu einen Antrag eingebracht –, vorsichtshalber gar nicht erst auf die Tagesordnung dieser Sitzung des Sozialausschusses gesetzt. Wenn wir nämlich gleichzeitig über das, was heute zur Debatte steht, und über das Schweizer Modell der Teilarbeitslosigkeit diskutiert hätten, dann wäre augenfällig geworden, daß dieses Schweizer Modell, das das Liberale Forum hier eingebracht hat, in seiner Administration viel einfacher und dezentraler wäre und viel mehr Autonomie brächte! (Abg. Dr. Leiner: Also das stimmt wirklich nicht!) Lassen Sie mich aussprechen, Herr Kollege. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Leiner. ) Das wäre aufgefallen! – Wenn Sie recht hätten, warum haben Sie sich dann davor gefürchtet, das gleichzeitig zu diskutieren? Sie hätten mir ja im Ausschuß sagen können: Lieber Kollege Kier, das ist ganz schlecht, was Sie da vorschlagen; die Schweizer sind bekannt für ihre überschießende Administration und für ihre soziale Großzügigkeit, daher ist das ein ganz


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