Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 71. Sitzung / Seite 33

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außer Kraft gesetzt oder – wie Sie es, um ein besonders plastisches Bild zu zeichnen, nennen – "entsorgt" wird.

Die Formulierung "im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen" ist auch nicht so eine Art Synonym, das verwendet wird, damit man das Wort "Neutralität" nicht verwenden muß, gleichsam so wie in der berühmten Geschichte von Böll "Dr. Murkes gesammeltes Schweigen", in der er den Ausdruck "Gott" durch "jenes höhere Wesen, das wir verehren" ersetzt und immer dieses lange, nicht so deutliche Synonym verwendet. Also es ist nicht so, daß wir statt "Neutralität" "völkerrechtliche Verpflichtungen" sagen.

Ich hätte nichts dagegen gehabt, die Neutralität zu erwähnen, aber zu sagen, sie sei "entsorgt" oder nur durch diese nichtssagende Formulierung ersetzt worden, damit man das Wort "Neutralität" nicht verwenden müsse, so als ob es giftig sei – das entspricht nicht den Tatsachen.

Schon in den Erläuterungen wurde klar darauf hingewiesen, daß der Ausdruck "völkerrechtliche Verpflichtungen" mehr ist als bloß ein Synonym für Neutralität, daß darunter mehrere Dinge fallen, auf die Bedacht zu nehmen ist. Zumindest – aber nicht ausschließlich – ist dies der Artikel 2 Z 5 der Satzung der Vereinten Nationen; das sind weiters Beschlüsse des Sicherheitsrates nach den Kapiteln VI und VII der Satzung der Vereinten Nationen; das sind gemeinsame Standpunkte und gemeinsame Aktionen der Europäischen Union nach Artikel J.2 und J.3 des Vertrages für die Europäische Union; das sind die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts nach Artikel 9 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz; das ist zum Beispiel auch das Erfordernis der völkerrechtlichen Einwilligung des Empfangsstaates hinsichtlich der Gewährung des Aufenthaltsrechtes; das ist weiters auch noch der Grundsatz der internationalen Zusammenarbeit, wie er etwa im Prinzip IX in der Schlußakte von Helsinki, der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, in der Erklärung über die die Beziehungen der Teilnehmerstaaten leitenden Prinzipien enthalten ist; und das sind natürlich auch die den Inhalt der immerwährenden Neutralität bestimmenden völkerrechtlichen Normen.

Es stimmt auch nicht, Frau Kollegin Kammerlander, was Sie sagen und was in Zeitungen wiedergegeben wurde, daß bei der Aufzählung nur die OSZE und die anderen Dinge enthalten seien, aber nicht einmal in der Beschreibung, was alles unter den Begriff "völkerrechtliche Verpflichtungen" fällt, die Neutralität erwähnt würde. Ich empfehle Ihnen, die Seite 8 der Regierungsvorlage aufzuschlagen, den Finger zu nehmen und zu zählen (der Redner demonstriert dies): erste, zweite, dritte Zeile, vierte, fünfte, sechste, siebente, achte, neunte, zehnte, in der elften Zeile. (Abg. Wabl – beide Hände in die Höhe haltend –: Das sind schon elf! Sie haben geschummelt! Ich habe nur zehn Finger!) Am Ende der zehnten und in der elften Zeile finden Sie den Hinweis auf den "Inhalt der immerwährenden Neutralität". (Abg. Wabl: Sie haben geschummelt!) Also selbst in dieser Kleinigkeit muß ich Ihnen beweisen, kann ich Ihnen beweisen, daß das nicht stimmt. Es stimmt nicht, wie Sie es beschrieben haben, und es stimmt inhaltlich nicht.

Klar ist, daß auch auf die Neutralität Bedacht zu nehmen ist. Wir haben zudem auch noch in einer Ausschußfeststellung festgelegt, daß durch dieses Gesetz keine weitere Beitragspflicht entsteht. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Sie können schreien, soviel Sie wollen, Sie können behaupten, was Sie wollen. (Abg. Wabl: Wie wir schreien, bestimmen wir!) Ich glaube, es paßt Ihnen in den politischen Kram, der Regierung zu unterstellen, das sei ein Gesetz gegen die Neutralität, denn da kommen dann junge Menschen, die sich hinstellen und sagen: Unsere Neutralität darf nicht aufgegeben werden!, da kommen alte Menschen, die fragen: Was geschieht hier? (Abg. Wabl: Kollege Schieder! Was wird "täglich Alles" dazu sagen?)

Sie erzeugen damit unbegründete Angst und schaden der Neutralität, wenn Sie behaupten, hier sei sie nicht mehr enthalten. Sie ist drinnen, und die Bundesregierung hat darauf Bedacht zu nehmen. (Abg. Wabl: Was steht in "täglich Alles"?)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Kollege Schieder! Der Herr Abgeordnete Wabl hat nur Probleme mit den elf Zeilen. Das war das Problem. (Abg. Wabl: Was steht in "täglich Alles" zur Neutralität?)


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