Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 83. Sitzung / Seite 82

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EU als schweigender Zaungast wohl fühlen, dort alle möglichen Initiativen den jeweiligen Vorsitzenden überlassen und sich selbst nicht einmischen. (Vizekanzler Dr. Schüssel: Woher wissen Sie das?)

Herr Vizekanzler! Das wissen wir zum Teil von Beobachtern in Sitzungen und von Teilnehmern der Regierungskonferenz, und wir wissen es auch von Kommentatoren, die darüber – für alle nachlesbar – berichtet haben. Ich kann es auch selbst für einen Teilbereich bestätigen, wenn ich mich an die große Umweltkonferenz vor zwei Wochen erinnere. Österreich spielt keine Rolle mehr, überhaupt keine. Es gibt keine Idee, keine Vorgaben, überhaupt nichts, und Schlagzeilen gibt es nur dann, wenn Ihre Partei wieder einmal einen Skandal provoziert. (Abg. Dr. Puttinger: Dann haben Sie nicht aufgepaßt! Sie waren nicht da und haben nicht aufgepaßt!) Sie nutzen Ihre Möglichkeiten als Außenminister tatsächlich nur dazu, sich innenpolitisch zu profilieren und sich innerhalb Ihrer Partei zu positionieren. Das ist eine Mißinterpretation und eigentlich auch ein Mißbrauch Ihres Amtes.

Selbstverständlich besteht ein unmittelbarer Zusammenhang – das wurde in den letzten Tagen auch in vielen Kommentaren so dargestellt – zwischen Ihrer von keinen Ideen, von einer nichtvorhandenen Linie geprägten Außenpolitik und den flotten Sprüchen, die Sie in Amsterdam losgelassen haben. Das sehen nicht nur die Grünen so, sondern auch viele Kommentatoren, von denen unter anderem folgende Meinung vertreten wird: Die bloße Adabei-Rolle, die der österreichische Außenminister in der internationalen Politik spielt, und zwar seit Monaten, ist unmittelbar mit den flotten Sprüchen in Amsterdam und dem, was danach passiert ist, in Zusammenhang zu sehen.

Denn jemand, der sich sozusagen nicht über eine wirkliche Linie definieren und in sogenannten Pressefrühstücken offensichtlich nicht mit entsprechenden Informationen aufwarten kann, muß dies anscheinend mit einem entsprechenden Vokabular überdecken, wobei Sie bis heute in keiner Weise entkräften konnten, daß Sie die Worte, die Ihnen vorgeworfen werden, gesagt haben.

Herr Vizekanzler und Außenminister Schüssel! Sie haben am Dienstag in diesem Haus etwas getan, was im Parlamentarismus der Zweiten Republik einzigartig ist, etwas, was man Ihnen heute jedenfalls relativ leicht vorhalten kann, ohne dafür einen Ordnungsruf zu bekommen. Herr Vizekanzler! Ich meine, Sie haben am Dienstag hier das Parlament belogen. Überdies haben Sie in den Tagen nach der Regierungskonferenz von Amsterdam die ganze Republik belogen. Es ist in vielen Zeitungen nachzulesen (Abg. Dr. Puttinger: Belogen? Herr Präsident! Ordnungsruf! – weitere Zwischenrufe bei der ÖVP) , das erste Mal in den "Salzburger Nachrichten" in einem von Ronald Barazon verfaßten Leitartikel, dessen erster Satz lautet: "Wolfgang Schüssel lügt." Es wurde meines Wissens bisher keine Klage eingereicht. Vielleicht haben Sie es inzwischen nachgeholt, Herr Vizekanzler, dann können Sie es uns heute berichten. (Abg. Mag. Kukacka: Man braucht nicht jeden Blödsinn zu klagen! Das wäre kontraproduktiv! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Sie beschuldigen jene Journalisten, die – zum Teil in eidesstattlichen Erklärungen – all diese unglaublichen Dinge, die Sie dort gesagt haben, bestätigen. Bis heute haben Sie diese Journalisten – falls sie unrecht haben – nicht entsprechend zur Verantwortung gezogen. Statt dessen drehen Sie den Spieß um und konstruieren ein völlig absurdes Komplott, das es überhaupt nicht geben kann. Denn man muß sich das einmal realistisch vorstellen: Es sitzen ein paar angeblich bösartige Journalisten zusammen und konstruieren ein Komplott; dabei fällt ihnen zufällig Bundesbankpräsident Tietmeyer und ebenso zufällig der Premierminister von Schweden ein; anschließend vermischen sie es, erfinden entsprechende Ausdrücke und machen am Ende gemeinsam eine tolle Zeitungsgeschichte. – Das ist absurd, Herr Vizekanzler, das ist völlig absurd! (Abg. Kopf: Sind Sie sich für das nicht zu schade? – Abg. Schwarzenberger: Ist das nicht unter Ihrem Niveau?)

Ja, genau das ist das Schlimme: Daß wir uns hier mit so etwas beschäftigen müssen, ist unter dem Niveau dieses Hauses! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es ist tatsächlich unter dem Niveau dieses Hauses. (Abg. Kopf: Aber nicht unter Ihrem Niveau!) Mir tut


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