Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 113. Sitzung / Seite 120

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Es ist ein strukturelles Thema, über das dieses Hohe Haus diskutieren sollte. Es geht um die Frage, wo denn die Arbeitslosigkeit zu Hause ist, wo wir denn an unseren Rahmenbedingungen in der Gesellschaft etwas verändern müssen, um diese Geißel des 20. und vielleicht auch noch 21. Jahrhunderts in den Griff zu bekommen. Es ist ein strukturelles Thema, das mit der Produktivität und der technischen Entwicklung zu tun hat, und da stellt sich die Frage: Haben wir der technischen Entwicklung in Österreich tatsächlich alle Türen und Tore geöffnet?

Es wird drei große Wachstumsfelder in der zweiten Moderne geben. Das sind die Kommunikationstechnologien, das sind die Biotechnologien, und das ist die Freizeitwirtschaft. Haben wir in diesen Bereichen die Weichen gestellt, um wirklich Beschäftigung zu schaffen – oder haben wir uns verweigert, gerade im Bereich der Biotechnologie?

Die Beschäftigung im Bereich der Produktion in Österreich wird nie wieder das Ausmaß erreichen, das sie gehabt hat. Durch neue technologische Einsätze werden mit höheren Produktivitäten, mit geringeren Lohnstückkosten und mit größerer Marktgängigkeit weniger Menschen beschäftigt werden. An diesem strukturellen Problem wird durch dieses parteipolitische Gezänk, das sich hier abspielt, in keiner Weise etwas verändert. Aber vielleicht ist das die Beschäftigungstherapie vieler Abgeordneter an einem Donnerstag-Nachmittag.

Die Qualifikation ist das zweite wirklich strukturelle Moment der Arbeitslosigkeit, die Qualifikation, der wir aber in unserem Bildungssystem nicht gerecht werden, weil immer noch abprüfbares Wissen vermittelt wird, weil immer noch "Einzelgänger" in unserem Schulsystem erzogen werden – statt teamfähige Menschen, die Neugierde haben, die wissen, wo sie nachschauen können, die selbst aktiv lernen.

Wir brauchen heute in der Wirtschaft, gerade in den produktionsorientierten Bereichen, ein zunehmendes Maß an hochentwickelten Verfahrenstechnikern und weniger Facharbeiter. Genauso wie der Beruf der Hausangestellten vor vielleicht 50, 80 oder 100 Jahren ausgestorben ist, ist heute der Beruf der Facharbeiter einer, der zwar nie aussterben wird, der sich aber in seinem Ausmaß wirklich reduzieren wird. Hat diese Bundesregierung – so müßte die Frage meiner Ansicht nach lauten – die Antworten im Bereich des Bildungssystems gefunden, um die jungen Menschen darauf vorzubereiten?

Wissen Sie, daß 80 Prozent der Technologien, die wir heute noch benützen, in zehn Jahren nicht mehr angewendet werden? Wissen Sie, daß jedes Jahr 10 Prozent der Jobs am unteren Ende der Beschäftigung verlorengehen, rein aus Qualifikationsgründen, am oberen Ende der Beschäftigung aber 10 Prozent neue Jobs dazukommen, wo wir einen Arbeitskräftemangel haben, wo wir keine jungen Menschen finden, die einen solchen Job bekleiden können, weil es an der Qualifikation scheitert und das lebenslange Lernen nicht funktioniert?

Dazu kommt die Globalisierung, die uns einen weltweiten Wettbewerb unseres Wirtschaftsstandortes beschert.

Die Standortpolitik ist der Punkt, mit dem Sie in einem exportorientierten Land Beschäftigung schaffen können, mit dem Sie die Wettbewerbsfähigkeit steigern können, nicht nur in den produzierenden Betrieben, die immer weniger Mitarbeiter beschäftigen, egal, ob Post oder Bahn – das wurde heute bereits erwähnt – oder Automobilindustrie. Gehen Sie doch in die neuen Fabriken, und schauen Sie sich an, wie viele Menschen dort noch arbeiten, wie viele Maschinen dort tätig sind! Die Standortpolitik ist auch eine Frage der Dienstleistung, dort, wo Produktivitätsfortschritte und Arbeitskosten nicht auf billige Lohnstückkosten umgesetzt werden können.

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon über Arbeitslosigkeit diskutieren – und die arbeitslosen Menschen in unserem Land haben es sich verdient, daß wir uns ernsthaft damit beschäftigen –, dann lassen wir doch dieses kleinliche parteipolitische Gezänk! Die Opposition glaubt, sie muß die Regierung ärgern, die Regierung zitiert Statistiken, die der Herr Staatssekretär nur vom "Blattl" herunterliest. Das ist doch wirklich nicht eine Debatte über Arbeitslosigkeit, die es wert ist, geführt zu werden. (Beifall beim Liberalen Forum.)


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