Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 113. Sitzung / Seite 170

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die Arbeitswelt sich noch viel mehr zersplittern wird, als sie es heute bereits ist, und daß sie sich deutlich gegenüber den Vorstellungen, die wir aus den achtziger Jahren mitbekommen haben, wandeln wird. Daher müssen wir in der innerbetrieblichen Mitbestimmung den Arbeitnehmerschutz veranlagen, was auch bedeutet – wie ich schon mehrfach hier wiederholen durfte – , daß den Gewerkschaften und den Arbeitnehmervertretungen eine ganz neue, wichtige Aufgabe zukommt, nämlich die Aufgabe der Beratung der Betriebsräte. Die Konflikte, die heute in den Gewerkschaften oft sehr schmerzhaft aufbrechen, zeigen, daß es auch in diesem Bereich zu neuen Ufern aufzubrechen gilt.

Achter Punkt: Nur Kunden schaffen Arbeitsplätze. – Dieser Satz ist so einfach! Warum verstehen wir ihn nicht? Wir haben anläßlich der Dringlichen Anfrage drei Stunden über Beschäftigung debattiert. Und ich habe genau aufgepaßt: Es ist wieder kein einziges Mal das Wort "Kunde" gefallen. Niemand hat von den Kunden geredet, die letztlich Arbeitsplätze schaffen. Nur wer diejenigen befriedigt, die Nachfrage und potentielle Marktbedürfnisse erzeugen, wird letztlich Arbeit schaffen. Das heißt: Man muß sich auf die Bedürfnisse der Märkte, der Kunden und auch auf potentielle neue Märkte, die ich zum Beispiel gerade in der Osterweiterung der Europäischen Union sehe, konzentrieren.

Neunte Bemerkung: Die Stärke kleiner Jungunternehmen ist deren Flexibilität, und wer diese einschränkt, schwächt sie. – Ich glaube, diesen Satz sollten wir der Wirtschaftskammer ins Stammbuch schreiben. Denn es ist wirklich der falsche Weg, Frauen und Männer, die bereit sind, unternehmerisch tätig zu werden, durch Schutzbestimmungen einzuschränken und zu glauben, man könne sie auf diese Weise vor dem Konkurrenzdruck der Großen schützen. Das ist genau der falsche Weg! Man muß kleinen und mittleren Unternehmen und vor allem Jungunternehmern Barrieren möglichst aus dem Weg räumen, damit sie ihre einzige Stärke gegenüber den Großen, nämlich ihre Schnelligkeit und Flexibilität, nutzen können.

Zehnter Punkt: Die Höhe der Arbeitskosten schränkt insbesondere im Dienstleistungsbereich die legalen Beschäftigungsmöglichkeiten ein. Heute sind ein Drittel – 230 000 Frauen und Männer – legale Selbständige, zwei Drittel sind jedoch illegale Selbständige in der Pfusch- und Schwarzwirtschaft. Ich bezweifle aber, daß die richtige Antwort darauf ist, daß es jetzt eine neue Behörde geben wird, um zugleich die Pfuscher zu jagen und Zöllner beschäftigen zu können. Das macht möglicherweise dort Sinn, wo wirklich professionelle Schwarzarbeit betrieben wird. Aber wäre es nicht viel konstruktiver, nachzudenken, warum wir diese Menschen in den Pfusch getrieben haben? Dabei handelt es sich nicht nur um illegale Schwarzarbeiter. Es gibt eine erkleckliche Anzahl von Menschen – ich möchte jetzt keinen Prozentsatz sagen –, die wir in die legale Wirtschaft zurückholen können, wenn wir ihnen die Möglichkeiten dazu geben. Lassen Sie uns darüber diskutieren! Das wird aber nur mit einer sinnvollen Deregulierung mit Augenmaß funktionieren.

Elfter Punkt: Die Reduktion der Lohnnebenkosten und die Erhöhung der Produktivität durch Flexibilisierung ermöglichen ein Steigen der Bruttolöhne. Das ist ein zentraler Satz: Unsere Mitarbeiter kosten heute zuviel und verdienen zuwenig. Die Bruttolöhne sind zu niedrig, und die Arbeitskosten sind zu hoch. Ich will jetzt keine Arbeitskostendebatte über die Lohnnebenkosten und über 13. und 14. Gehalt führen – solche Debatten haben wir hier schon x-mal geführt. Aber denken Sie einmal darüber nach, meine Damen und Herren, was ein Mitarbeiter in der Stunde kostet, was er brutto verdient und was ihm letztlich netto übrigbleibt. Je höher die Lohnnebenkosten sind, desto geringer ist die Möglichkeit, Bruttolöhne zu erhöhen. Das heißt: Wenn wir Lohnnebenkostenbestandteile auslagern, haben wir neue Chancen, Bruttolöhne zu erhöhen. Und das sollte eigentlich die Politik sein: Wir müssen zu höheren Bruttolöhnen kommen, ohne daß die Arbeitskosten weiter ansteigen.

Zwölfter und letzter Satz: Reale Kundenwünsche und potentielle Kundenbedürfnisse sind die Bestimmungsgröße jeder Beschäftigungsoffensive. Ich erwarte mit großer Spannung die für den 1. April angekündigte Beschäftigungsoffensive der Bundesregierung. Sie haben sich für diese Offensive das hehre Ziel gesetzt, 100 000 neue Arbeitsplätze bis 2002 zu schaffen. – Ich hoffe, daß das mehr ist, als die wirtschaftliche Dynamik von sich aus hergeben würde.


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