Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 134. Sitzung / Seite 68

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darüber hinaus. Ein Beispiel ist die Schweiz, die diesbezüglich ein ganz anderes Verständnis hat.

Aber die Idee und die Forderung ist ja auch in Österreich nicht neu. Die Österreichische Rektorenkonferenz hat bereits 1989 vorgeschlagen, daß im Volksgruppengesetz oder in einer anderen Gesetzesbestimmung auf verfassungsrechtlicher Ebene der Schutz der Volksgruppen und die Förderung und die Bewahrung der kulturellen Vielfalt gesetzlich verankert werden sollte, nicht als einfachgesetzliche Regelung, das haben wir im Volksgruppengesetz schon, sondern im Verfassungsrang.

1989, das ist jetzt schon eine gewisse Zeit her, und inzwischen ist viel passiert. Es ist viel Positives passiert, und es ist auch viel Negatives passiert, was selbstverständlich jetzt nicht unmittelbar die Verantwortung des Gesetzgebers oder eines nicht handelnden Gesetzgebers ist, aber der Gesetzgeber hat die Verantwortung, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß vieles möglich wird oder sein könnte, was noch nicht möglich ist.

Meine Damen und Herren! Nicht nur auf nationaler Ebene, auch auf internationaler Ebene gäbe es einiges zu tun, weil Österreich auch da säumig ist. Es ist noch nicht allzu lange her, da haben wir hier die Rahmenkonvention ratifiziert, aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, ein anderes Dokument, das älter ist – älter im Sinne von bereits früher von Österreich unterzeichnet –, nämlich die Charta der Regional- und Minderheitensprachen, ist vom Parlament noch immer nicht ratifiziert. Das heißt, es ist quasi nur das Papier wert, auf dem es steht, weil es nur eine Absichtserklärung ist und nicht transformiert ist ins innerstaatliche Recht. Berufen kann sich darauf niemand.

Es gibt meiner Ansicht nach keine plausible Erklärung, das zu nicht tun, beziehungsweise nur eine, die zulässig ist: daß man Angst hat, daß sich tatsächlich konkrete Rechte und Ansprüche oder zumindest eine konkrete Grundlage für Forderungen aus der Ratifizierung dieser Charta ableiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich könnte diese Liste jetzt noch fortsetzen. Der Stillstand in der Volksgruppenpolitik bezüglich der gesetzlichen Bedingungen ist mehr als evident. Es ruht nicht nur der Antrag der Grünen im Verfassungsausschuß, sondern es herrscht Ruhe – fast Grabesruhe! – in der Volksgruppenpolitik insgesamt. Die Verantwortlichen dafür sind zu benennen, ja sie sind ganz klar zu benennen: Es ist der Gesetzgeber.

Nun komme ich zu dem, was heute in der Früh, und zwar bereits um 8.30 Uhr, in der Sitzung des Hauptausschusses geschehen ist. (Abg. Schieder: Es gibt keine Initiative zur Ratifizierung!)  – Nein, ich rede jetzt nicht von der Ratifizierung, sondern von der Arbeit des Hauptausschusses, der sich zum wiederholten Male nicht dazu durchringen konnte, eine Vorlage, die in diesem Fall die Bundesregierung eingebracht hat, zu beschließen.

Das ist ein Spiel, das geradezu ungeheuerliche Blüten treibt: Die Regierung entschließt sich, dem Hauptausschuß eine Verordnung vorzulegen, aber der Hauptausschuß setzt sie zweimal einfach von der Tagesordnung ab, und zwar mit der Konsequenz, daß es damit nicht möglich ist, das Recht von Volksgruppenorganisationen der steirischen Slowenen, in den bestehenden Beirat für die Volksgruppe der Slowenen berufen zu werden, umzusetzen. Der Wunsch, das zu tun, ist jedoch seitens des Bundeskanzleramtes längst deponiert worden, denn sonst hätte man nicht die Verordnung im Ministerrat beschlossen und dem Hauptausschuß vorgelegt.

Das wurde – wofür ich absolut kein Verständnis habe – mit der Reziprozität argumentiert: Wir tun erst dann etwas für unsere steirischen Slowenen, wenn die Slowenen etwas für ihre Minderheit in Slowenien getan haben. – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir diese Vorgangsweise auf andere Politikfelder umlegen würden, dann würden wir "schön" ausschauen! Ich will mir gar nicht vorstellen, welche Auswirkungen das hätte. (Abg. Jung: Stellen Sie es sich vor!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist meiner Meinung nach eine zutiefst beschämende Vorgangsweise, denn es wird ein Recht, das es seit dem Jahre 1955 in Verfassungsrang


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