Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 149. Sitzung / 24

All die Maßnahmen im Rahmen der Diversion – der außergerichtliche Tatausgleich und die anderen Instrumente, die wir den Richtern an die Hand geben; diese gehen damit sorgfältig um, wie die Praxis zeigt – sind in Wirklichkeit die effizienteste Form einer Verbesserung der Situation der Opfer im gesellschaftlichen Gesamtkontext, aber auch der Verringerung strafbarer Handlungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich muß sagen, ich bin erschüttert und frage mich, was das soll, wenn ich einer Aussendung des Kollegen Kiss unter anderem zum außergerichtlichen Tatausgleich folgendes entnehmen muß – ich zitiere –: "So wie ihn Justizminister Michalek und die Sozialisten planen, wird es seitens der ÖVP sicher keine Zustimmung geben! Vor solchen Entwürfen muß die Exekutive", so sagt er hier, "geradezu geschützt werden." – Ende des Zitats.

Meine Damen und Herren! Ich darf Sie ersuchen und möchte Sie auffordern: Nehmen wir die Diskussion darüber auf, aber führen wir sie nicht populistisch, damit in der Öffentlichkeit keine Mißverständnisse entstehen, die letztlich nur dazu führen würden, daß Argumente gegen einen Qualitätsquantensprung eines Gesetzes vorgebracht würden – Argumente, die einfach nicht richtig sind! Ich finde, wir sind es uns schuldig, daß wir bei diesem Thema keine Populismen einreißen lassen. – Soviel zum ersten Punkt, zum Thema Diversion.

Zweiter Punkt. Wir befinden uns in Verhandlungen über das Ehe- und Scheidungsrechts-Änderungsgesetz, das in der breiten Öffentlichkeit kontroversiell diskutiert wird, was zwar an sich gut ist, nur wird es auf eine Art und Weise kontroversiell diskutiert, mit der man an der Sachlichkeit vorbeigeht.

Worum geht es? – Im wesentlichen geht es darum, daß Familienrichter – also jene Richter, die tagtäglich mit Scheidungen, mit Kindschaftsstreitigkeiten et cetera befaßt sind – eine Reihe von sozial nicht vertretbaren Fällen, eine Reihe von Mißständen aufgezeigt haben, die abgestellt werden sollten. Insbesondere sind das Fälle, bei denen Frauen nach einer längeren Ehe, in die sie sehr viel eingebracht haben – emotional, finanziell, wie auch immer –, plötzlich durch die Scheidung vor einer Situation stehen, durch die sie in soziale Not geraten. Für solche Fälle sieht der derzeitige Entwurf Maßnahmen vor, mit denen in Einzelfällen reagiert werden kann – unter anderem etwa auch durch Unterhaltszahlung im Verschuldensfall –, um derartige soziale Notfälle zu verhindern.

Ich sage ganz kurz, worauf es dabei ankommt. Es kann vorkommen, daß im Rahmen einer längeren Ehe eine Ehegattin auf ihre Ausbildung verzichtet, auf schulische Weiterbildung verzichtet, oder darauf verzichtet, einen Anspruch darauf zu erheben, das, was sie gelernt hat, auch beruflich umzusetzen, weil beide Ehegatten zum Beispiel übereinkommen, daß sie den Haushalt führt. Das kann natürlich in der Folge dazu führen, daß diese Frau am Ende einer solchen Ehe dadurch, daß sie lange keinen Beruf ausgeübt hat, davon abhängig ist, Unterhaltszahlungen zu bekommen.

Nun könnte es zwar sein, daß sie die Scheidung verschuldet hat, es ist aber trotzdem ungerecht, daß sie unter den genannten Voraussetzungen, angesichts all dessen, was sie in die Ehe eingebracht hat, keinen Unterhalt bekommt, und zwar in einer Höhe, die es ihr ermöglichen würde, zu existieren. Wir Sozialdemokraten wollen, daß es einem Richter möglich sein soll, unter Berücksichtigung all dieser Umstände einer Frau auch in solchen Fällen einen Unterhalt nach Billigkeitsgründen zuzusprechen oder zu gewähren, um eine soziale Katastrophe zu verhindern, durch die letztlich ja auch die Kinder aus dieser Ehe gefährdet würden.

Das heißt, es geht im wesentlichen darum, unter Berücksichtigung aller Umstände, unter Berücksichtigung der Entwicklung einer Ehe, unter Berücksichtigung dessen, was beide Partner eingebracht haben, am Ende dieser Verhandlung über den Unterhalt zu entscheiden, ob im Einzelfall – und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstandes, der zur Scheidung geführt hat; auch unter Berücksichtigung des Verschuldens – zur Verhinderung von Not Unterhalt gezahlt werden soll.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte um den Schlußsatz, Herr Abgeordneter.


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