Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 179. Sitzung / 162

gestellt haben. Es ist sehr wichtig, Archivalien wirklich zu erhalten. Aber dieses Gesetz greift wesentlich zu kurz, meine Damen und Herren.

Ich kann hier nur auf einige Dinge eingehen, die teilweise schon im Ausschuß vorgebracht wurden, teilweise aber auch hier noch einmal unterstrichen werden sollen, sowie auf einige neue Punkte.

Es ist ein unwirksames Gesetz, weil es weite Bereiche der Archivalien ausspart. Vor allem im Bereich der Gemeinden, im Bereich der Kirchen, im Bereich der Länder gibt es durch dieses Gesetz nur einen mäßigen Schutz. Das heißt, man hätte einen großen Wurf machen können, und der erste Entwurf, der von den Beamten gekommen ist, war auch besser, hat weiter gegriffen, war vor allem mehr in Richtung Forschung und Wissenschaft orientiert und weniger in dieser sozusagen Pseudo-Verländerung verhaftet. Das war ein Gesetz, das vom Bund her klar festgelegt hat, was ein Archivgut ist, was geschützt werden soll und vor allem – das ist der zentrale Punkt, und darauf richtet sich die zentrale Kritik der Liberalen –, wie man zwischen den Interessen der Erzeuger von Archivgut, oft auch der Eigentümer von Archivgut und dem öffentlichen Interesse auf Verwendung von Archivgut abwägen muß.

Es geht im Grunde um die Frage der Freiheit von Forschung und Lehre. Und die Basis für das Wissen über das Gestern – das ist auch relevant für das Heute – sind eben schriftliche und sonstige Grundlagen. Und da greift dieses Archivgesetz wesentlich zu kurz, vor allem auch dadurch, daß es bereits am Anfang quasi zu hinken beginnt, indem es sich auf das Denkmalschutzgesetz bezieht und beruft. Natürlich werden die Begriffe dadurch oft ziemlich unklar, und so manches, was zwar vom Denkmalschutzgesetz her schützenswert und geschützt ist, wird durch das Archivgesetz wiederum nicht erfaßt. Dazu kommt, daß das bezügliche Denkmalschutzgesetz wesentlich weniger weit greift, wesentlich weniger Objekte umfaßt.

Ich möchte aber klar festhalten, es geht dabei nicht um die Frage des Eigentums. Dies soll nicht im Vordergrund stehen. Selbstverständlich soll Archivgut im Besitz jener Stellen bleiben, die es sozusagen erzeugt haben. Es geht nicht um die Frage des Eingriffes in das Eigentumsrecht, sondern es geht um die Frage der Durchsetzung eines bestimmten öffentlichen Interesses an Verwendung von Archivalien.

Die Historie zeigt, daß Archivalien oft einen sehr sonderbaren Weg durch die Geschichte gehen, daß so manches sich zufällig im Besitz von irgend jemandem befindet, der seinerzeit mit diesen Archivgrundlagen überhaupt nichts zu tun hatte. Es ist also die Zugänglichkeit für die Forschung – zumindest für meine Person sage ich das – eine wesentliche Voraussetzung, um gewisse Dinge zu erfahren, die durch ein Archivgesetz erreicht werden soll.

Ich komme auch noch auf einige sehr heikle Dinge zu sprechen. Es steht zum Beispiel im § 5 die Forderung, das österreichische Staatsarchiv habe "auf Verlangen" die Bundesdienststellen zu beraten. – Ich bin der Meinung, daß es vielmehr eine Beratungspflicht, ein Beratungsrecht und vor allem eine Beiziehungspflicht des Staatsarchivs als einschlägige Behörde geben sollte. Es sollte nicht so sein, wie es jetzt ist, daß die Behörde nur dann, wenn sie ein Interesse daran hat, das Staatsarchiv darauf aufmerksam macht, daß Archivalien anfallen. Es müßte quasi laufend eine begleitende Kontrolle ausgeübt werden.

Ich verstehe auch nicht den privilegierten und übertriebenen Schutz und die Sonderstellung, die zum Beispiel im § 6 Abs. 3 zum Ausdruck kommt, wodurch auch Nachkommen von Staatssekretären, Bundesministern, Kanzlern und Vizekanzlern plötzlich das Recht haben, über gewisse Dokumente zu entscheiden, die im Zusammenhang mit ihrer Funktion entstanden sind.

Ich finde, daß die Schutzbestimmungen des § 7 eigentlich völlig ausreichend sind. Das würde durchaus genügen. Dabei geht es um verfassungsmäßige Einrichtungen der Republik, Staatssicherheitsinteressen, die nicht gefährdet sein sollen; das ist ganz klar. Es geht nicht so sehr darum, Privatdaten von jemandem zu ermitteln – man könnte das auch anonymisieren –, sondern da geht es ganz konkret um Materialien, die jemand im Zusammenhang mit seiner Funktion erworben hat.


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