Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 100. Sitzung / Seite 115

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Aber jetzt zur Sache, meine Damen und Herren. Ich möchte hier durchaus etwas Persönliches einbringen. Im Wehrmachtspass meines Vaters stand "politisch unzuverlässig". Und es ist ihm beim so genannten Russlandfeldzug gelungen, sich dem Kriegsdienst zu entziehen. (Abg. Dr. Pumberger: Wie der Vater, so der Sohn!) Er war immer sehr stolz darauf, dass er während des gesamten Krieges kein einziges Mal geschossen hat.

Zwei seiner drei Brüder sind desertiert und zum Glück nicht gefasst und damit auch nicht verurteilt worden. Ich bin bis heute auf meinen Vater und seine beiden Brüder sehr, sehr stolz. (Abg. Dr. Krüger: Ist der Vater auch auf den Sohn stolz?) Ich würde es vielen wünschen, wenn sie in ähnlicher Art und Weise auf ihre Väter stolz sein könnten und nicht darüber nachdenken müssten, ob diese nicht etwas anderes hätten machen können.

Es hat einfach – und das war das Problem – sehr viel an Mut, oft auch an Verantwortungsbewusstsein dazugehört, um sich dem Dienst in der deutschen Wehrmacht zu entziehen. Vielleicht haben nicht alle von ihnen von den Motiven her, aber viele haben zu den Mutigsten und Anständigsten in der deutschen Wehrmacht gehört. Aber egal, welche Motive die Deserteure hatten, eines hat jeder von ihnen erreicht: Mit jeder einzelnen Desertion ist die deutsche Wehrmacht geschwächt worden. – Das war gut für die Menschen, das war gut für die Demokratie, und das hat, wenn auch nur in winzigen Portionen, die Chancen des Naziregimes auf einen militärischen Sieg verringert. Deswegen bin ich froh, dass es viele Deserteure gegeben hat. Und deswegen wäre es wichtig, dass in einer demokratischen Republik außer Streit steht, Deserteure zu ehren, sie sozial und politisch anzuerkennen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Aber jetzt wird gestritten, ob Einzelfall oder generelle Anerkennung. – Wann ist in den fünfziger Jahren ein einziges Mal über die Anrechnung von Vordienstzeiten von SS-Angehörigen gestritten worden? Wann ist das jemals nach dem Jahr 1951 diskutiert worden, als man zufällig darauf gekommen ist, dass alle Insassen des Lagers Glasenbach auf der Stelle die Anrechnungen bekommen haben? Warum sind Einzelfälle wie jener von Walter Reder so "hervorragend" geprüft worden, dass ein Massenmörder und Kriegsverbrecher alle Ansprüche hatte und in der italienischen Haft in den Genuss österreichischer Zahlungen gekommen ist?

Deserteure müssen nach wie vor darum bitten, dass Einzelfälle nicht erst gegen Ende ihres Lebens geprüft werden, darum, dass gar nicht mit einer politischen Generosität, sondern mit einer selbstverständlichen politischen Anerkennung Unrecht wieder gutgemacht wird. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ich bin froh, dass sich diesbezüglich im Justizministerium vernünftige Ansichten durchzusetzen beginnen, und warte nach wie vor auf die Erklärung des Sozialministers, warum er sich den Vertretern der Justiz und des Justizministeriums nicht anschließt. Warum gibt es hier eine andere Linie? Warum gibt es hier eine sich krümmende, schwierige Argumentation, die erst einmal erklären muss, dass die deutsche Wehrmacht die Rechtsnachfolgerin des österreichischen Bundesheeres war?

Herr Bundesminister Haupt! Wollen Sie hier wirklich erklären, das österreichische Bundesheer hat seine legitime Nachfolge in der deutschen Wehrmacht mit all ihren Verbrechen gefunden? Ist das die rechtliche und politische Basis Ihrer Argumentation, oder stehen Sie zu jenen Gründungsmitgliedern der Republik Österreich – der Zweiten Republik –, die gerade den Bruch betont haben, den Bruch zwischen Nazis und Erster Republik und den wichtigen positiven Bruch, den die Zweite Republik mit der nationalsozialistischen Vergangenheit vorgenommen hat?

Die Kontinuität, die Sie hier konstruieren, ist genau die Kontinuität, gegen die Wehrmachtsausstellungen notwendig sind. Da schließt sich der Kreis. Meine Damen und Herren! Es sind


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