Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 103. Sitzung / Seite 102

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Es gab zum Beispiel im Rahmen der Lomé-Verträge einzelne Punkte, die innovativ waren für die damalige Zeit – eine Zeit, in der, wie dies leider auch heute noch der Fall ist, sehr ungleiche Weltmarktbedingungen und Austauschbedingungen für die Produkte aus diesen Ländern festgelegt wurden. Es gab die berühmten STABEX- und SYSMIN-Vereinbarungen. Sie sahen die Gewährung von Ausgleichszahlungen an die AKP-Länder für landwirtschaftliche Produkte und für Produkte aus dem Bergbau, die auf dem Weltmarkt nur sehr geringe Preise erzielen konnten, vor, um die Produktion in den Ländern zu stützen und diesen Staaten beziehungsweise deren Bevölkerung dadurch mehr Einnahmen zukommen zu lassen. Das war damals ein wirklich innovatives Element. Diese beiden Maßnahmen werden jetzt nicht mehr fortgeführt, und es gibt, wie ich dann später erläutern werde, auch nicht wirklich einen Ersatz dafür, der den durch die Bedingungen des Weltmarktes bedingten Ausfall wettmachen würde.

Ein positiver Punkt im Lomé-IV-Abkommen war auch bereits, dass die Menschenrechte als ein grundlegendes Element der Zusammenarbeit verankert wurden und Maßnahmen gesetzt werden konnten, sodass, wenn ein Land diesen Kriterien nicht entsprochen hat, dies dann etwa auch ein Ende der Zahlungen bedeuten würde. Das ist zum Beispiel im Jahre 1991 mit dem Sudan geschehen, wo 1989 ein Militärputsch stattfand. Derzeit finden hier wieder Verhandlungen statt. Vor allem jene beiden Kollegen, die Anfang April mit mir im Sudan waren, wissen, dass es derzeit wieder Verhandlungen gibt und dass von Seiten der EU sehr wohl Druck gemacht wird, um die Kriterien im Bereich der Menschenrechte, der Demokratie und der Akzeptanz der Zivilgesellschaft wieder einzufordern.

Gegen Ende der neunziger Jahre sah man sich der Notwendigkeit gegenüber, zu einer Neuformulierung dieser Abkommen zu gelangen, und setzte entsprechende Bemühungen in Gang. Lomé IV lief im Jahr 2000 aus, und es war klar, dass es hier eine an den Wurzeln ansetzende Reform, wie der damalige Kommissar João de Deus Pinheiro das ausgedrückt hat, also eine Reform an Haupt und Gliedern geben musste. Er drückte sich in dem damaligen Grünbuch der Kommission aus dem Jahre 1997 dahin gehend aus, dass er sagte, die wirtschaftlichen Entwicklungen in einzelnen Ländern gingen Hand in Hand mit der Auflösung gewachsener sozialer Strukturen, mit zunehmenden militärischen Konflikten und humanitären Katastrophen. Weiters sagte er, dass diese einseitig auf den Weltmarkt ausgerichteten wirtschaftlichen Entwicklungen auch dazu geführt haben, dass Entwicklungsbemühungen unterminiert wurden, weil der Schwerpunkt der Hilfe der EU in den Bereich Katastrophenhilfe und Krisenmanagement verlagert werden musste und die Gelder nicht mehr wirklich in die soziale und wirtschaftliche Entwicklung investiert werden konnten.

Es war also eine Neuausrichtung notwendig, und diese neuen Verhandlungen wurden unter dem Motto geführt, dass es im neuen Jahrtausend auch eine neue Chance geben muss, um die Beziehungen der EU zu den AKP-Ländern neu zu gestalten. In diesem Sinn ist das vorliegende Abkommen sehr wohl ein notwendiges und wichtiges Regelinstrument, mit dem die Beziehungen der EU zu diesen 76 Staaten – das sind zwei Drittel der Entwicklungsländer – neu gestaltet werden können.

In der Realität bleibt dieses Abkommen jedoch weit hinter den Versprechungen, die die EU gegenüber diesen Ländern formuliert hat, zurück. Es sind in diesem Papier meines Erachtens zahlreiche Mängel vorhanden, von denen ich hier einige anführen möchte. So ist zum Beispiel, wie ich schon erwähnt habe, der partnerschaftliche Gedanke nicht mehr vorhanden, sondern es sollen alle Wirtschaftsbeziehungen den Regeln des freien Welthandels unterworfen werden, vor allem den WTO-Regeln. Gleichzeitig steht in diesem Abkommen, dass die regionale Partnerschaft verbessert werden soll. Wie das eine mit dem anderen zusammenpassen soll, ist völlig unklar. Es müsste eigentlich eine Priorität für die regionale Zusammenarbeit geben und dann erst sozusagen ein Sich-Messen am freien Markt.

Ein weiterer Punkt ist, dass das Abkommen zwar sehr wohl positive Formulierungen in Bezug auf die politische Dimension enthält und dass die Förderung der Mitbestimmung in den Ländern selbst darin genannt ist. Zum Beispiel wird die von mir vorhin bereits erwähnte Frage der Menschenrechte noch einmal stärker definiert, aber auch die Teilhabe und Teilnahme von Organisationen der Zivilgesellschaft, von Frauenorganisationen, von Organisationen im Umweltbereich


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite