Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll16. Sitzung / Seite 279

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der Begutachtung zur Strafprozessnovelle 2005 hat jedoch Bedenken gegen eine aus­schließliche Konzentration entstehen lassen, die eine Entfernung von den Grundsätzen des Sachverständigenrechts (freie Auswahl unter den ständig beeideten und zertifizier­ten Sachverständigen, die für ein bestimmtes Fachgebiet in die Sachverständigenliste eingetragen sind; persönliche und unmittelbare Verantwortung) und auch eine gewisse Gefährdung der Erwerbsausübungsfreiheit freiberuflich tätiger Fachärzte aus dem Fachgebiet der Gerichtsmedizin mit sich gebracht hätte. Aus diesem Grund hat sich der Gesetzgeber zu einer Mittellösung entschlossen, die jedenfalls sicherstellen sollte, dass die Leiter der Universitätsinstitute ihre Dienstaufsicht ausüben konnten, wenn
ein Angehöriger ihrer Einheit vom Gericht zum Sachverständigen bestellt wird (siehe §§ 119 Abs. 1 und 128 Abs. 1 StPO idF BGBl. I Nr. 164/2004 sowie RV 679 d. Beila­gen XXII. GP und JAB 742 d. Beilagen XXII. GP).

Erfahrungen mit dieser Regelung haben jedoch gezeigt, dass sie nicht geeignet ist, die vom Rechnungshof aufgezeigten Mängel zu beheben, wie dies insbesondere in einer „follow-up“- Prüfung (Gebarungsüberprüfung der Medizinischen Universitäten Wien, Graz und Innsbruck sowie der Universitäten Salzburg und Linz mit dem Schwerpunkt Gerichtliche Medizin) zu Tage getreten ist (siehe auch Krammer, Neues im Gebühren­recht, SV 2007, 1 ff, und den Erlass des BMJ vom 26.3.2006, JABl. Nr. 2006/14).

Aus diesem Grund hat der Ministerialentwurf für das Strafprozessreformbegleitgesetz I (vgl. 87/ME XXIII. GP) vorgeschlagen, dass – unter grundsätzlicher Beachtung der Er­werbsausübungsfreiheit und des Grundsatzes der freien Auswahl des zu bestellenden Sachverständigen – entweder eine Organisationseinheit für gerichtliche Medizin einer Universität oder aber ein Facharzt, der nicht Angehöriger einer solchen Einheit ist, mit der Obduktion beauftragt werden kann (vgl. die geltende Rechtslage der Bundesrepub­lik Deutschland, wonach die Leichenöffnung von zwei Ärzten vorzunehmen ist, wobei einer der Ärzte Gerichtsarzt oder Leiter eines öffentlichen gerichtsmedizinischen oder pathologischen Instituts oder einer von diesem beauftragter Arzt des Instituts mit ge­richtsmedizinischer Fachkenntnis sein muss1). Flankierende Maßnahmen im Universi­tätsrecht (Dienstpflicht zur Erstattung von Befund und Gutachten über eine Obduktion) standen zum damaligen Zeitpunkt in Aussicht. Der Rechnungshof und die Medizini­schen Universitäten Wien, Graz und Innsbruck unterstützten diesen Vorschlag nach­drücklich, der Hauptverband der Gerichtssachverständigen, die privat niedergelasse­nen Gerichtsmediziner, VertreterInnen der Rechtswissenschaft (Universität Wien) wie auch der Strafrechtspraxis und andere Interessensvertretungen und Berufsvereinigun­gen äußerten jedoch massive Zweifel wegen der damit einhergehenden Gefährdung der unabhängigen Sachverständigentätigkeit.

Angesichts dieser Widerstände hat sich der Gesetzgeber entschlossen, an der gelten­den Rechtslage, nämlich der bloßen Voraussetzung festzuhalten, dass mit Durchfüh­rung einer Obduktion ein Sachverständiger aus dem Gebiet der gerichtlichen Medizin zu beauftragen ist (vgl. RV 231 d. Beilagen XXIII. GP, 6). Ergänzende Anpassungen wurden im GebAG (vgl. BRÄG 2008, BGBl. I Nr. 111/2007) getroffen. In § 31 GebAG wurde klargestellt, dass die gesonderte Berücksichtigung von Fixkosten, die für die Be­rufsausübung, Befundaufnahme und Gutachtenserstellung im jeweiligen Fachgebiet üblicherweise für die notwendige Ausstattung und Einrichtung anfallen, ausgeschlos­sen ist. Demnach ist die Verrechnung von Kosten für das Büro, die Werkstatt, das Un­tersuchungslabor, die Ordination oder den für derartige Gutachten sonst stets notwen­digen Untersuchungsraum (samt Reinigung und sonstiger Infrastruktur) im Rahmen des § 31 GebAG nicht mehr möglich; derartige Kosten werden durch die Gebühr für Mühewaltung abgedeckt. Da gerichtsmedizinische Sachverständige nicht über eigene Obduktionsräumlichkeiten verfügen dürfen, sind sie darauf angewiesen, sich diese Räumlichkeiten zu besorgen. Da im Einzelfall völlig unterschiedliche Kosten hiefür ver­rechnet werden, soll die Gebühr für Mühewaltung in § 43 GebAG bei der Leichenöff-


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