Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll107. Sitzung / Seite 80

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Die kürzlich erfolgte Ankündigung von Seiten des Rektorats, den Master „Internationale Entwicklung“ derzeit nicht zu finanzieren, steht in klarem Widerspruch zu diesen Ver­einbarungen.

Die Geschichte der IE zeigt, dass die Institutionalisierung dieses Studiengangs oft mit Hindernissen konfrontiert war, diese aber immer wieder überwunden werden konnten. Der Ursprung des Studiengangs liegt in der schon in den 1970er Jahren durch die Ös­terreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) gestellten Forderung nach einer intensi­veren Auseinandersetzung mit Entwicklungsländern und der Beziehung zwischen dem globalen Norden und Süden an österreichischen Hochschulen und Universitäten. Die­sem Wunsch wurde im Jahr 1998/99 durch die Schaffung des Wahlfachs „Internatio­nale Entwicklung“ Folge geleistet. Im Jahre 2002 erhielt die IE einen sogenannten „Projektstatus“, was dazu führte, dass das „individuelle Diplomstudium“ IE entstand.

2009 gelang es der IE Drittmittel in Höhe von 720.000 € von der Austrian Development Agency (ADA) zu lukrieren. Die vertragliche Verpflichtung der ADA ist allerdings an die Schaffung eines Bachelor - und Masterstudiengangs gebunden. Sollte diese Verpflich­tung nicht eingehalten werden, könnte dies zu einer Ungültigkeit des Vertrags führen.

Zu Beginn des Jahres 2010 wurde die IE in Form einer interfakultären Forschungs- und Lehrplattform institutionalisiert. Der Fokus des Studiums liegt auf einem transdisziplinä­ren Zugang, der sich in einer Verbindung politikwissenschaftlicher, soziologischer, kul­turwissenschaftlicher, wirtschaftlicher und geowissenschaftlicher Ansätze in der Erfor­schung globaler Zusammenhänge und des Phänomens „Entwicklung” widerspiegelt. Dazu gehört nicht zuletzt auch eine kritische Auseinandersetzung mit globalen Zusam­menhängen, mit Entwicklungspolitik und der gegenwärtigen Gesellschaft als solche. Diese Herangehensweise scheint angesichts der verschiedenen Krisen unserer Zeit (Wirtschaft, Ökologie, Migration, etc.) und ihrer gegenseitigen Verstrickung notwendi­ger denn je.

Schon die Kürzungen der Gelder für Entwicklungszusammenarbeit im Budget 2010 um ein Drittel ist ein Skandal für Österreich und als Signal an die internationale Gemein­schaft beschämend, dies zeigt die mangelnde Wahrnehmung dieser Verstrickungen. Durch die Nichtfinanzierung des Masters IE wird dieses Muster der Negation interna­tionaler Verantwortung nahtlos weitergeführt.

Zu betonen ist auch, dass die IE innerhalb der deutschsprachigen Universitätsland­schaft ein einzigartiges Projekt ist. Nun ist dieses Studium massiv in seiner Existenz ge­fährdet:

Der Individuelle Diplomstudiengang und in der Folge der Bachelor IE fand allergrößten Zuspruch auf Seiten der Studierenden. Die Inskriptionszahlen stiegen stetig. Bei anhal­tendem Zustrom interessierter Studierender führte die Politik der sich ständig verknap­penden Ressourcen zu untragbaren Zuständen: die Lehrveranstaltungen waren über­füllt, es fehlten Räumlichkeiten, der Betrieb wurde bald durch die Aufopferung bzw. Selbstausbeutung von Lehrenden mit kurzfristigen Arbeitsverträgen und vor allem auch von Studierenden aufrechterhalten.

Dennoch studieren momentan über 1400 Studierende das Bachelorstudium „Interna­tionale Entwicklung“. Rechnet man die Diplomstudierenden ein, sind es über 3000 akti­ve Studierende. Sie haben sich für dieses Studium in dem festen Vertrauen entschie­den, dass die Möglichkeit eines Masterstudiums gegeben sein wird. Es ist ein Skandal, dass nun tausende Studierende, die in gutem Glauben inskribiert haben, ihrer Exis­tenz- und Zukunftsperspektive beraubt werden. Der einzig mögliche Abschluss mit ei­nem Bakkalaureat reduziert die zukünftigen Einsatzgebiete und Berufschancen emp­findlich.

Die Nichtfinanzierung des Masters IE hätte für die österreichische Forschungsland­schaft schwerwiegende Folgen. Die Einzigartigkeit dieses Studiums im deutschsprachi-


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