Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 173

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Das sind aus meiner Sicht vernichtende Urteile, und ich kann, ehrlich gesagt, nicht verstehen, warum man hier eine derartige Eile an den Tag gelegt hat.

Auch das, was als positiv dargestellt wird, nämlich beispielsweise, dass es für bereits anerkannte Religionsgemeinschaften jetzt eine gewisse Bestandsgarantie gäbe, was ja durchaus in unserem Sinn ist, wird durchaus bezweifelt. Es wird dabei auf den § 11 a des Gesetzes verwiesen, in dem es heißt, „die Kriterien für eine Aufhebung sind jene für die Anerkennung“. – Somit haben wir eigentlich wieder denselben Rechtszustand, den wir gehabt haben.

Aus unserer Sicht ist es zudem völlig unverständlich, wie man ein derart kompliziertes System konstruieren kann, wie man Religionsgemeinschaften, Bekenntnisgemein­schaften mit so unterschiedlichen Rechten konstruieren kann. Künftig werden in Österreich Kirchen in sieben verschiedene Klassen eingeteilt –man stelle sich das bitte einmal vor! – von Religionsgemeinschaften wie der katholischen Kirche, dem Israeli­ten­gesetz, also der jüdischen Religionsgemeinschaft, dem islamisch-hanefitischen Ritus und so weiter! Das sind alles Religionsgemeinschaften mit eigenen Spezialge­setzen. Das ist sozusagen Top. Und ganz am Ende stehen eben dann jene Religions­gemeinschaften, die sich hauptsächlich als Bekenntnis verstehen.

Atheisten, Agnostiker und so weiter sind da sowieso ausgenommen; von Weltan­schauungsgemeinschaften ist da überhaupt keine Rede. Von einem modernen Gesetz – es tut mir leid, das sagen zu müssen – kann man da wahrlich nicht sprechen. Für uns ist eine Zustimmung hiezu deshalb nie in Frage gekommen.

Ziel eines solchen Gesetzes sollte es sein, dass es Chancengleichheit für alle Religionsgemeinschaften gibt. Ziel sollte es sein, dass die staatliche Neutralität gegenüber Religionsgemeinschaften und Kirchen gewährleistet ist. Davon ist man aber leider weit entfernt. (Beifall bei den Grünen.)

17.05


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sacher. – Bitte.

 


17.05.35

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wir haben hier eine Sachthematik, aber dennoch möchte ich zu den Ausführungen meines Vorredners sagen: Er ist heute offensichtlich auf der kritischen Welle; meiner Meinung nach überzeichnet er die Probleme allzu sehr.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vielfalt der religiösen Bekenntnisse hat mit der Fortentwicklung und den Veränderungen unserer modernen Gesellschaft zugenom­men. Bekenntnisse, die in unserem Kulturraum vor einigen Jahren oder Jahrzehnten noch nicht vertreten waren, haben heute Fuß gefasst – und das in unterschiedlicher Größe, Struktur und Lehre.

Bis Ende September dieses Jahres gilt als Voraussetzung für eine staatliche Anerkennung, dass eine Religionsgemeinschaft 20 Jahre hindurch bestanden haben muss. Diese Regelung wurde, wie wir schon gehört haben, vom Verfassungs­gerichtshof als zu allgemein und nicht ausreichend sachlich differenziert aufgehoben, nachdem schon der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2008 diesbezüglich eine Feststellung gemacht hat.

Es besteht daher Handlungsbedarf – wir sind da unter Zeitdruck, Herr Kollege Walser – für das Parlament, denn sonst hätten alle noch nicht anerkannten religiösen Grup­pierungen ab Oktober dieses Jahres den Anspruch, innerhalb eines einzigen Jahres anerkannt zu werden. Ein Jahr, das wäre wirklich ein viel zu kurzer Zeitraum, um eine Konfession vor ihrer staatlichen Anerkennung ausreichend beurteilen zu können.

 


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