Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll140. Sitzung / Seite 143

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Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Maier. 4 Minuten Redezeit sind wunschgemäß eingestellt. – Bitte.

 


14.44.42

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die historische Aufarbeitung der Zeit von 1933 bis 1938 war seit langem überfällig.

Das nun vorliegende Aufhebungs- und Rehabilitierungsgesetz zeichnet auch demo­kratische Reife aus, wie es heute bereits genannt wurde, und es leistet einen Beitrag für die Aufarbeitung. Aber diese politische und historische Aufarbeitung muss weiter­gehen.

Mit diesem Gesetz beschließen wir die rückwirkende Aufhebung von gerichtlichen Entscheidungen und Bescheiden und wir rehabilitieren diejenigen, die sich für ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewusstes Öster­reich eingesetzt haben.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Entscheidend ist aber für mich der letzte Satz im § 4 Abs. 1, in dem festgehalten wird:

„Insbesondere sind Urteile im Sinne des § 1 Abs. 1 und Bescheide im Sinne des § 1 Abs. 2 Unrecht im Sinne des Rechtsstaates.“

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Auswirkungen dieser autoritären und diktatorischen Staatsform, nämlich des Ständestaates, erstreckte sich auf ganz Österreich, auf alle Bundesländer. Es kam zu zahlreichen gerichtlichen Verurteilungen, zu Anhaltungen, zu Bescheiden in Bundesländern wie beispielsweise auch in meinem Bundesland, in Salzburg. Gerade hier kam es auch zu zahlreichen Verurteilungen, und ich möchte aus einigen dieser Urteile zitieren.

„Urteil des Landesgerichtes Salzburg gegen Walter Hipf aus Parsch wegen Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung, 3. Dezember 1935.

Das Landesgericht Salzburg hat über die von der Staatsanwaltschaft gegen Walter Hipf, am 11.4.1917 zu Bischofshofen geboren, Schlosserlehrling, unbescholten, derzeit in Untersuchungshaft, wegen Vergehens gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung nach § 300 Strafgesetz folgende Anklage zu Recht erkannt:

Der Angeklagte ist schuldig, im Frühjahr oder Sommer 1935 zu Salzburg-Stadt in Druckwerken, deren Herstellung und Verbreitung der Behörde verborgen gehalten wurde, wie

1. die „Arbeiter-Zeitung“, Nr. 9, herausgegeben in Brünn,

2. die „Arbeiter-Zeitung“, Nr. 13, herausgegeben in Brünn,

3. das „10-Groschen-Kreuzworträtsel“, Nr. 8, als getarnter Umschlag für die „Rote Jugend“, Monatsschrift der Revolutionären Sozialistischen Jugend Österreichs, Doppelnummer 3 und 4, Mai 1935,

durch Schmähung, Verspottung, unwahre Angaben und Entstellung von Tatsachen die Anordnungen und Entscheidungen der Behörden herabzuwürdigen und auf diese Weise andere zum Hasse und zur Verachtung gegen Staatsbehörden, einzelne Organe der Regierung in Beziehung auf ihre Amtsführung aufzureizen gesucht zu haben.

Er hat hiedurch das Vergehen gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung nach § 300 Strafgesetz begangen und wird hiefür nach § 1 des Bundesgesetzes, BGBl.Nr. 33/35, zur Strafe des strengen Arrests in der Dauer von einem Jahr verurteilt.“

 


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