Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll184. Sitzung / Seite 206

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und Berufsschutz, dafür aber mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen und ohne Perspektive, je wieder einer Erwerbsarbeit nachgehen zu können, in Sicherungs­systemen festgehalten werden, die ihnen nicht die in ihrer Situation notwendige Si­cherheit und Unterstützung bieten. In der Regel sind dies die Arbeitslosenversicherung und die bedarfsorientierte Mindestsicherung. Zur fehlenden Sicherheit und Unterstüt­zung kommt auch noch die enorme gesundheitliche und emotionale Belastung der Be­troffenen und ihres sozialen Umfelds wie PartnerInnen, Familienmitglieder und Freun­dInnen.

Es ist menschenverachtend, zynisch und absurd, dass in Österreich Menschen einzig und allein auf Grund ihrer fehlenden Ausbildung und ihrer gesundheitlichen Einschrän­kungen in einer entwürdigenden, unsicheren und Heilungsprozesse behindernden Si­tuation ohne Perspektive festgehalten werden. Die Absurdität, der Zynismus und die Menschenverachtung werden auch noch auf die Spitze getrieben, als die betroffenen Menschen auf Grund des fehlenden Berufsschutzes auch keine Möglichkeit der Reha­bilitation im Rahmen des Zieles „Rehabilitation vor Invaliditätspension“ erhalten, da sie ja ohne weitere Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes eben keine Invaliditäts­pension erreichen können, die Gefahr derselben jedoch Voraussetzung eines Rechts­anspruches auf Rehabilitation darstellt.

Die vorgeschlagene Regelung löst dieses Problem zumindest insofern, als in der Folge nicht mehr 50% des niedrigsten denkbaren Einkommens unterschritten werden muss, um Zugang zu Rehabilitation (und im Fall deren Unzumutbarkeit: der Invaliditätspen­sion) zu erhalten, sondern ein Nettoerwerbseinkommen das unter der für die Aus­gleichszulage festgelegten Grenze liegt.

Der Österreichische Arbeitsmarkt kennt derzeit Beschäftigungsverhältnisse, die mit le­diglich € 1.070,- brutto für eine Vollzeiterwerbstätigkeit entlohnt werden. 50% dieses Arbeitslohns führen bei ganzjähriger Beschäftigung zu einem Jahresnettoeinkommen von € 6.372 (oder € 454,- im Monat, 14 Mal im Jahr). Es ist evident, dass mit diesem Einkommen ein Leben in Würde nicht möglich ist. Fraglich ist, ob mit einem solchen Einkommen in Österreich überhaupt ein Leben möglich ist.

Es ist moralisch geboten und auch sozialpolitisch wie gesundheitspolitisch intelligent, den Zugang zum Rechtsanspruch auf Rehabilitation und allenfalls zur Invaliditätspen­sion insofern zu erleichtern, als diese zynisch niedrige Einkommensgrenze deutlich er­höht wird. Die Heranziehung der für die Ausgleichszulage festgelegten Einkommens­grenze erlaubt es, den Betrag, der nicht unterschritten werden darf, auf monatlich € 814,82 netto (etwa 958 € brutto) festzulegen. Dieser Bezug auf die Ausgleichszulage macht Sinn, als Personen andernfalls gezwungen wären, ohne Perspektive ein nied­rigeres Erwerbseinkommen als die ihnen zustehende Pension zu akzeptieren. Ebenso erscheint es als sinnvoll, sich hierbei auf das Nettoeinkommen zu beziehen, da sonst die Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nicht belohnt würde. Dieser Aspekt wurde beispiels­weise auch bei der Regelung zur Rezeptgebühren-Obergrenze und der Befreiung von Telefon- und GIS-Gebühren berücksichtigt.

Ein weiterer positiver Effekt dieser Erleichterung des Zugangs zum Rechtsanspruch auf Rehabilitation und gegebenenfalls zur Invaliditätspension wäre eine deutlich realis­tischere Darstellung der Verhältnisse am österreichischen Arbeitsmarkt. Ausgehend von jenen knapp 30.000 Menschen ohne beruflich verwertbare Ausbildung und Be­rufsschutz, die aber aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen kaum über eine Perspektive auf eine Reintegration am Arbeitsmarkt verfügen, würde ein Wegfallen die­ser Personen aus den Zahlen der Arbeitslosenversicherung und der bedarfsorientierten Mindestsicherung einen erheblich realistischeren Blick auf die Arbeitsmarktstatistik er­möglichen.

 


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