Parlament Österreich

 

 

 

V-6 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

 

Bild des Parlamentsgebäudes

 

Beratungen des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten

der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

Freitag, 29. Jänner 2010

 


Beratungen
des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 


 

XXIV. Gesetzgebungsperiode     Freitag, 29. Jänner 2010

 

 

 

Tagesordnung

 

 

 

 

KOM (2009) 622 endg.

Grünbuch zur Europäischen Bürgerinitiative

(21953/EU XXIV.GP)

 

 

 

 

 


Im Ständigen Unterausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 29. Jänner 2010 wurde zum Grünbuch der EU-Kommission betreffend die Europäische Bürgerinitiative folgende Stellungnahme einstimmig beschlossen:

 

 

 

 

 

Stellungnahme zum

Grünbuch zur Europäischen Bürgerinitiative

[KOM (2009) 622 endg.]

 

 

 

Inhalt und Ziel der Konsultation

 

Eine demokratiepolitische Neuerung im Zuge des Inkrafttretens des Vertrages von Lissabon ergibt sich durch die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative. Artikel 11 Absatz 4 des Vertrages über die Europäische Union lautet wie folgt:

 

“Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten handeln muss, können die Initiative ergreifen und die Europäische Kommission auffordern, im Rahmen ihrer Befugnisse geeignete Vorschläge zu Themen zu unterbreiten, zu denen es nach Ansicht jener Bürgerinnen und Bürger eines Rechtsakts der Union bedarf, um die Verträge umzusetzen.”

 

Verfahren und Bedingungen der Bürgerinitiative sollen durch eine Verordnung des Rates und des Europäischen Parlaments auf Initiative der Europäischen Kommission festgelegt werden.

 

Im Vorfeld der Vorlage ihres Legislativvorschlages legte die Kommission ihr Grünbuch zur Europäischen Bürgerinitiative vor, um in einem bis zum 31. Jänner 2010 laufendem Konsultationsprozess verschiedene dazu bestehende Meinungen auszuloten.

 

Das von der Europäischen Kommission vorgelegte Dokument befasst sich dabei insbesondere mit folgenden zehn Themenbereichen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu den einzelnen Fragen der Europäischen Kommission

 

 

1. Würde Ihrer Meinung nach ein Drittel der Gesamtheit der Mitgliedstaaten einer "erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten” im Sinne des Vertrags entsprechen?

Wenn nicht, welchen Schwellenwert betrachten Sie als angemessen und aus welchem Grund?

 

Ein Schwellenwert von sechs Mitgliedstaaten wäre angemessen, um einerseits das vertraglich geforderte Kriterium der „erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten“ zu erfüllen und um andererseits zu vermeiden, dass durch einen zu hohen Schwellenwert die tatsächliche Nutzung dieses demokratiepolitisch wichtigen Instruments unnötig erschwert wird.

 

Zu beachten ist dabei, dass das Anliegen einer Bürgerinitiative nicht notwendigerweise ein flächendeckendes Unionsinteresse abdecken muss. Würde man darauf abstellen, könnte beispielsweise die für Österreich so wichtige Frage des LKW-Transitverkehrs in den Alpen nie Gegenstand einer Europäischen Bürgerinitiative sein, was aus österreichischer Sicht wohl als politisch inakzeptabel anzusehen wäre.

 

Die Anzahl von sechs Mitgliedstaaten sollte jedoch aus Gründen der Verwaltungsbelastung und finanzieller Auswirkungen nicht unterschritten werden.

 

 

2. Betrachten Sie 0,2% der Gesamtbevölkerung eines jeden Mitgliedstaates als geeigneten Schwellenwert?

Wenn nicht, wie könnte Ihrer Ansicht nach erreicht werden, dass eine Bürgerinitiative wirklich repräsentativ für ein Unionsinteresse ist?

 

Ein Schwellenwert von 0.2 % der Gesamtbevölkerung eines Mitgliedstaates erscheint mit Blick auf den Umstand, dass insgesamt jedenfalls 1 Million Unterstützungen erforderlich sind, als ein akzeptabler Schwellenwert. Eine darunter liegende Schwelle könnte aus praktischer Sicht zu hohem Kosten- und Verwaltungsaufwand führen.

 

Ergänzend wird vorgeschlagen, im Interesse der Rechtssicherheit eine andere Bezugsgröße zu wählen, die leicht und eindeutig und ohne besonderen Verwaltungsaufwand feststellbar ist. Als Bezugsgröße sollte daher die Anzahl der Wahlberechtigten in den einzelnen Mitgliedsstaaten bei den zuletzt vor der Bürgerinitiative abgehaltenen Wahlen zum Europäischen Parlament festgelegt werden.

 

 

3. Sollte das erforderliche Mindestalter für die Beteiligung an einer europäischen

Bürgerinitiative an das jeweilige Wahlalter des Mitgliedstaates für die Wahlen zum

Europäischen Parlament gekoppelt sein?

Wenn nicht, welche andere Optionen halten Sie für geeignet und weshalb?

 

Eine Koppelung des erforderlichen Mindestalters für die Beteiligung an einer Europäischen Bürgerinitiative an das jeweilige Wahlalter des Mitgliedstaates für die Wahlen zum Europäischen Parlament ist sinnvoll. Wer zur EP-Wahl zugelassen ist, soll auch grundsätzlich eine Initiative unterstützen dürfen. Eine andere Lösung würde dazu führen, dass die Popularität der Europäischen Union bei jenem Personenkreis, der bei Europawahlen, stimmberechtigt ist, nicht aber im Rahmen der Europäischen Bürgerinitiative, negativ beeinflusst wäre.

 

Es sollte sichergestellt sein, dass jeder Unionsbürger in seinem (EU-)Wohnsitzstaat analog zu den Bestimmungen betreffend die EP-Wahl unterstützen kann.

 

 

4. Wäre es ausreichend und angebracht, wenn in einer Bürgerinitiative lediglich der Gegenstand und die Ziele des Vorschlags, zu dem die Kommission tätig werden soll, klar anzugeben sind?

Welche weiteren Anforderungen sollten gegebenenfalls in Bezug auf Form und Abfassung einer Bürgerinitiative festgelegt werden?

 

Der Gegenstand und die Ziele des Vorschlags, zu dem die Europäische Kommission tätig werden soll müssen sich klar aus der Bürgerinitiative ergeben. Dies ist schon alleine deshalb unerlässlich, da die Europäische Kommission die Initiative nur so prüfen kann und gegebenenfalls Vorschläge zu ihrer Umsetzung unterbreiten kann. Die Verpflichtung, eine europäische Initiative in einen Gesetzestext zu kleiden, würde bei vielen Themen eine unüberwindbare Hürde darstellen. Eventuell könnte an eine Beratung der Initiatoren bei der Abfassung einer Bürgerinitiative durch den Europäischen Bürgerbeauftragten oder die Europäische Kommission selbst gedacht werden.

 

Darüber hinaus wird festgehalten, dass die österreichische Rechtslage zur Frage der Abfassung eines Volksbegehrens im vorliegenden Papier nicht korrekt wiedergegeben wurde. In Österreich ist es vielmehr seit vielen Jahren möglich, neben einem Gesetzesentwurf auch ein Anliegen, das eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit darstellen muss, einem Volksbegehren zugrunde zu legen.

 

 

5. Sollte es Ihrer Meinung nach EU-weit gemeinsame Verfahrensregeln für die Sammlung, Überprüfung und Authentifizierung von Unterschriften durch die Behörden der Mitgliedstaaten geben? Welcher Spielraum sollte den Mitgliedstaaten gelassen werden, um spezifische Vorkehrungen auf nationaler Ebene zu treffen? Sind spezifische Verfahren notwendig, um sicherzustellen, dass EU-Bürger ungeachtet ihres Aufenthaltslandes eine Bürgerinitiative unterstützen? Sollten Bürger die Möglichkeit haben, sich online an Bürgerinitiativen zu beteiligen? Wenn ja, welche Sicherheits- und Authentifizierungsmerkmale sind vorzusehen?

 

Mindesterfordernisse bei der Verifizierung der unterstützungswilligen Personen erscheinen unerlässlich. Gemeinsame Rahmenbedingungen der Europäischen Union sollten sich auf Mindeststandards für Fragen wie die Verhinderung der doppelten Abgabe von Unterstützungserklärungen beschränken. Hier sollte auf die Bestimmungen der Richtlinie 93/109/EG des Rates vom 6. Dezember 1993 über die Einzelheiten der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Wahlen zum Europäischen Parlament für Unionsbürger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, abgestellt werden.

 

Grundsätzlich sollen sich jedoch die Anforderungen für die Sammlung, Überprüfung und Authentifizierung von Unterschriften durch die Behörden nach dem jeweiligen nationalen Recht der von der Initiative betroffenen Mitgliedstaaten richten, wobei gemeinsame Grundsätze im Unionsrecht festgelegt werden sollten.

 

EU-Bürger sollten ungeachtet ihres Aufenthaltslandes eine Bürgerinitiative unterstützen können. (s auch Pkt 3)

 

Die Bezugnahme auf die Möglichkeit einer elektronischen Unterstützungserklärung erscheint wünschenswert. Es sollte jedoch unbedingt auf die Möglichkeiten und den Stand der Entwicklung der Infrastruktur in den Mitgliedstaaten Rücksicht genommen werden. Eine Verifizierung sollte in Hinblick auf eine verlässliche Überprüfbarkeit der Identität des Unterstützungswilligen ausschließlich mittels digitaler Signatur (Bürgerkarte) möglich sein.

 

 

6. Sollte ein Zeitrahmen für die Sammlung von Unterschriften vorgegeben werden?

Wenn ja, halten Sie den Zeitraum von einem Jahr für angemessen?

 

Die Implementierung eines Zeitlimits erscheint sehr empfehlenswert. Der von der Europäischen Kommission im Grünbuch vorgeschlagene Zeitraum von einem Jahr erscheint darüber hinaus praktikabel, ein längerer Zeitraum wird nicht befürwortet.

 

Dabei ist in Erwägung zu ziehen, dass sich der Wille der Unterstützenden auf ein bestimmtes Anliegen unter bestimmten politischen Rahmenbedingungen beziehen soll. Bei einer übermäßig langen Dauer der Unterschriftensammlung könnte dies nicht mehr gewährleistet werden.

 

 

7. Sind Sie der Auffassung, dass ein verbindliches Verfahren zur Anmeldung geplanter Initiativen erforderlich ist?

Wenn dem so ist, könnte dies im Wege einer spezifischen Website der Europäischen

Kommission geschehen?

 

Die zentrale Registrierung einer angestrebten Initiative erscheint unerlässlich. Die Einrichtung einer IT-Plattform der Europäischen Kommission erscheint hierbei ein gangbarer Weg. Hierbei sollte allerdings bedacht werden, dass „Spam-Initiativen“ vermieden werden müssen.

 

Sicherzustellen wäre, dass den betroffenen Mitgliedstaaten geplante Initiativen umgehend zur Kenntnis gebracht werden.

 

Es erscheint unter dem Gesichtspunkt der Transparenz angemessen, dass die Europäische Kommission bei Anmeldung ein Kurzgutachten darüber abgibt, ob die Ziele der Initiative Unionskompetenzen ansprechen oder nicht. Dies sollte allerdings zu keiner umfassenden rechtlichen Begutachtung durch die Kommission führen. Es wäre jedoch ein geeignetes Instrument, um Initiativen, die beispielsweise die Wertegemeinschaft der EU (Art 2 iVm Art 6 EUV) in Frage stellen, im Vorfeld zu identifizieren. Diese Äußerung könnte auf der einzurichtenden Website ersichtlich gemacht werden (mit allf. Rechtsmittel zum EuGH im Streitfall). Es erscheint nämlich gerade in der Anfangsphase wenig zielführend, wenn Stimmbürger erwartungsvoll Unterstützungserklärungen sammeln bzw abgeben, nur um dann erst in einem zweiten Schritt zu erfahren, dass die Kommission dem Petitum aus rechtlichen Gründen – etwa mangels Kompetenz - nicht nachkommen kann. Denkbar wäre auch, gegebenenfalls Links zu Informationen betreffend vorangegangenen Europäischen Bürgerinitiativen zu verwandten Themen und deren institutionellem Schicksal zu legen.

 

Es erscheint auch wichtig sicherzustellen, dass die Bürgerinitiative in allen Mitgliedsstaaten, in denen sie zur Unterstützung aufliegt, den gleichen Inhalt aufweist. Dies kann nur gewährleistet werden, wenn die Organisatoren der Bürgerinitiative bei der Anmeldung eine authentische Sprachfassung bezeichnen. Diese sollte dann von der Kommission in alle Amtssprachen übersetzt werden.

 

8. Welche spezifischen Anforderungen sollten für Organisatoren einer Initiative gelten, um Transparenz und demokratische Rechenschaftspflicht sicherzustellen?

Teilen Sie die Auffassung, dass Organisatoren verpflichtet sein sollten, Auskunft darüber zu erteilen, wer eine Initiative unterstützt und finanziert?

 

Im Sinne der Transparenz und demokratischen Rechenschaftspflicht wäre zu begrüßen, dass grundlegende Informationen zur finanziellen Unterstützung der Initiative und zur dahinter stehenden Gruppierung bereitgestellt werden.

 

Es bedarf dazu allerdings einer effektiven Kontrollinstanz zur Beurteilung der Richtigkeit der Angaben und zur Prüfung ob eine hinter der Initiative stehende Gruppierung allfällig normierte Anforderungen erfüllt. Im Falle falscher Angaben sollten geeignete Sanktionen überlegt werden (beispielsweise durch Veröffentlichung derselben). Übermäßiger Verwaltungsaufwand sollte dabei aber vermieden werden.

 

 

9. Sollte der Kommission eine Frist für die Prüfung einer Bürgerinitiative gesetzt werden?

 

Eine Fristsetzung für die Prüfung einer Bürgerinitiative sollte angedacht werden. Dies sollte folgendermaßen ausgestaltet sein:

 

Für die Prüfung des gültigen (formalen) Zustandekommens der Bürgerinitiative sollte eine Frist von maximal zwei Monaten festgelegt werden.

 

Innerhalb eines Zeitraumes von rund vier weiteren Monaten sollte die Kommission die Bürgerinitiative materiell prüfen können, ohne jedoch deren Konsultationsmöglichkeiten (zB Konsultationen der Mitgliedstaaten oder Sozialpartner in Form von Grünbüchern) einzuengen.

 

Eine Ablehnung der Initiative wäre durch die Kommission möglichst ausführlich und nachvollziehbar gegenüber den Einreichern der Bürgerinitiative, dem Europäischen Parlament und dem Rat zu begründen. In einem solchen Fall sollten effektive Rechtsschutzmechanismen zur Verfügung stehen.

 

Nach der positiven Prüfung einer Initiative sollte die EK 3 Monate Zeit für die Vorlage eines Rechtsaktes haben.

 

Insgesamt sollten somit zwischen der Vorlage einer Initiative an die Kommission und der allfälligen Vorlage eines Rechtsaktes nicht mehr als neun Monate liegen.

 

 

10. Sollten Vorkehrungen getroffen werden, um die wiederholte Einbringung von Bürgerinitiativen zu ein und demselben Thema zu vermeiden?

Wenn ja, sollten dazu gewisse Hürden oder Fristen eingeführt werden?

 

Eine diesbezügliche Einschränkung erscheint problematisch und lässt den Grund, warum eine (erfolglose) Initiative nicht nochmals wiederholt werden können soll, nicht erkennen. Eine erneute Einbringung wird in der Regel ohnehin erst nach Ablauf einiger Zeit realistisch sein, innerhalb der sich auch die öffentliche Meinung in den Mitgliedstaaten zu einem bestimmten Vorhaben geändert haben kann. Informationen über vorangegangene Initiativen zu verwandten Themen auf einer Homepage wären hingegen zu begrüßen.

 

Aus Gründen der Übersichtlichkeit und der Verwaltungsvereinfachung sollte die Möglichkeit vorgesehen werden, dass bei Bürgerinitiativen, die gleichzeitig oder kurz hintereinander angemeldet werden, unabhängig vom Gegenstand der Initiative ein gemeinsamer Zeitraum für die Sammlung der Unterschriften festgesetzt werden kann.