Parlamentskorrespondenz Nr. 314 vom 14.05.2003

HACKLER-REGELUNG UND HARMONISIERUNG IM MITTELPUNKT DER DEBATTE

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Wien (PK) -  Auf der Tagesordnung des Budgetausschusses standen das Budgetbegleitgesetz und der V-F-Antrag betreffend Änderung des Bezügegesetzes und des Bundesbezügegesetzes. In der Diskussion über die Pensionsreform standen die Minister Herbert Haupt und Martin Bartenstein sowie Staatssekretär  Reinhart Waneck den Abgeordneten Rede und Antwort.

S-Abgeordnete Heidrun Silhavy (S) kam auf die gestern von der Regierungsbank geäußerte Kritik am Verhalten von Abgeordnetem Verzetnitsch, der die Ausschussberatungen verlassen hatte, um an der Großdemonstration des ÖGB teilzunehmen, zurück und wies diese mit Entschiedenheit zurück. Sie zeigte sich auch empört über die Inseratenkampagne des Vizekanzlers, in der ihrer Meinung nach auf Kosten der Steuerzahler die "glatte Unwahrheit" behauptet werde.

Konkret hinterfragte sie die Freizeitunfallversicherung für Pensionisten, die Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge in zwei Etappen für die Pensionisten, die Ausdehnung der Übergangsregelungen bei der vorzeitigen Alterspension für Männer und Frauen, den Nachkauf von Schul- und Studienzeiten und die Auswirkungen der so genannten Hackler-Regelung.

Abgeordneter Kurt Grünewald (G) urgierte die Beantwortung von gestern unbeantwortet gebliebenen Fragen und zeigte sich erstaunt über Antworten wie „die langfristige Auswirkungen sind nicht bekannt“ oder „die Entwicklung des Bundeszuschusses über Jahrzehnte wurde nicht errechnet“ und meinte, ein Gesetz, das nicht genau erklärt werde und dessen „Zukunft“ nach maximal fünf Jahren aufhört, könne man nicht beschließen. Einen Widerspruch ortete der Abgeordnete zwischen der Regelung, Ausbildungs- und Studienzeiten nur mehr gekürzt anzurechnen, und der Absicht, die Akademikerquote zu verdoppeln. Wissen wollte der Redner auch, welche Auswirkungen die Pflege von nahen Angehörigen auf die Pension der pflegenden Person, die in der Regel eine Frau ist, haben werde.

Abgeordneter Walter Tancsits (V) erkundigte sich nach der Bewertung der Kindererziehungszeiten, der Neugestaltung bzw. Werterhaltung der Pensionen und nach der Sicherung der Finanzierung des Gesundheitssystems.

Wir wollen bestehende Pensionen sichern und künftige garantieren, erklärte F-Abgeordneter Sigisbert Dolinschek. Die Zeitungsinserate hätten geholfen, fuhr er fort, die Verunsicherung in der Bevölkerung abzubauen. Auch bei der Hackler-Regelung müsse eine Vorgangsweise gewählt werden, die es jemandem, der 40 Jahre in der Baubranche tätig war, ermöglicht, ohne Abschläge in Pension zu gehen. Um glaubwürdig zu sein, müsse man gleichzeitig die Harmonisierung der Systeme beschließen. Nur wenn für die gesamte Bevölkerung „Nägel mit Köpfen“ gemacht werden, werde die Reform von den Menschen verstanden und auch akzeptiert, unterstrich Dolinschek.

Ich hätte mir erwartet, wenn sich Ausschussberatungen über Tage erstrecken, dass jene, die Berufsgruppen im Parlament vertreten, auch an diesen Ausschussberatungen teilnehmen, leitete Bundesminister Herbert Haupt seinen Beitrag ein. Er, Haupt, sei seit 1986 im Parlament und sei nie vor der Beantwortung seiner Fragen durch den Minister weggegangen, um zu demonstrieren. Die Inseratenkampagne verteidigte Haupt damit, dass den Pensionisten wochenlang eingeredet wurde, dass ihnen von der Pension etwas weg genommen werde. Auch bemängelte er die falschen Zahlenbeispiele, gegen die medienoffensiv aufgetreten werden musste.

Statistiken, die über 20 Jahre laufen, wie sie gestern von Abgeordnetem Öllinger präsentiert wurden, sind nach Ansicht des Ressortleiters keine Berechnungen, sondern „versicherungsmathematische Abschätzungen“.

Haupt unterstrich, dass alle vier Parteien für eine Harmonisierung der Systeme seien, dass unterschiedliche Auffassungen lediglich in der Frage des Einfrierens bestehen. Eine Harmonisierung des Eisenbahner-Dienstrechtes werde äußerst schwierig sein, da es sich um Einzelverträge handelt, in die es einzugreifen gilt. Eine Harmonisierung im Bundesbereich kann der Gesetzgeber beschließen. Die Harmonisierung werde vorangetrieben, bekräftigte der Bundesminister, zumal mehr als 80 % der Bevölkerung eine solche unterstütze.

Haupt machte darauf aufmerksam, dass nach der derzeitigen Regelung das Geld für nachgekaufte Schul- und Studienzeiten, sofern sie nicht schlagend werden, nicht retourniert werde; die neue Regelung stelle eine Verbesserung dar, wird doch das Geld unter bestimmten Voraussetzungen von der Pensionsversicherungsanstalt zurück bezahlt. Eine Valorisierung der ausbezahlten Beträge erfolgt ab dem Zeitpunkt der Bezahlung, und zwar werde die Inflationsrate abgegolten. Da diese Beträge steuerschonend einbezahlt wurden, werde auch die Steuerbehörde von der Rückerstattung benachrichtigt.

Bundesminister Martin Bartenstein sah keinen Anlass, seine gestern geäußerte Kritik zurückzunehmen. Der gestrige Ablauf habe gezeigt, welche Prioritäten gesetzt wurden. Die Gewerkschaften haben ja gewusst, dass sich der Ausschuss mit dem wichtigen Thema der Pensionsreform auseinandersetzt. Der Solidarbeitrag von besser verdienenden Pensionisten, wie er von Gusenbauer eingefordert wurde, hätte zwischen 150.000 und 170.000 Personen betroffen und wäre ein reines Abkassieren gewesen, betonte Bartenstein, da man pro Jahr pro Pensionist 1.400 Euro kassiert hätte. In der Vorlage gehe es um eine Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge um 140 Euro pro Jahr. Das sei ein Zehntel dessen, was Gusenbauer von den Besserverdienenden verlangen wollte.

Staatssekretär Reinhart Waneck listete die Abgänge bei der Krankenversicherung auf, verwies auf die Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages für Pensionisten, die im ersten Jahr 100 Mill. Euro und im zweiten Jahr 200 Mill. Euro bringen werde, machte auf die Schaffung eines einheitlichen Beitragssatzes für Arbeiter und Angestellte aufmerksam, womit für 2004 und 2005 pro Jahr 94 Mill. Euro lukriert werden sollen, und hob hervor, dass 50 % aller medizinischen Leistungen von den Pensionisten konsumiert werden. Ein Pensionist decke mit seinem Beitrag 20 % dieser Leistungen, 60 % werden von den arbeitenden Menschen für die Pensionisten aufgebracht.

Abgeordneter Manfred Lackner (S) stellte seinen Ausführungen zur Gesundheitspolitik zunächst noch kritische Bemerkungen zur Pensionsreform voran und stellte die Frage, ob die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten mit dem Versprechen vereinbar sei, in bestehende Pensionen werde nicht eingegriffen.

Dann setzte sich der Abgeordnete mit den angekündigten Selbstbehalten auseinander und charakterisierte diese als massive Belastungen für kranke Menschen. Lackner warnte davor, den Weg der Entsolidarisierung fortzusetzen und riet anstelle dessen dazu, Maßnahmen zur Eindämmung der explodierenden Medikamentenkosten zu ergreifen.

Anhand konkreter Beispiele aus seinem Bundesland Vorarlberg erinnerte Lackner an das Chaos, das die Einführung der Ambulanzgebühren hervorgerufen habe und wies einmal mehr auf die hohen Verwaltungskosten und die weit unter den Erwartungen gebliebenen Einnahmen hin. Werden die Ambulanzgebühren nun abgeschafft oder nicht, lautete Lackners konkrete Frage.

Als einen massiven Vertrauensbruch gegenüber den Wählern bezeichnete Lackner, dass es nun doch neue Selbstbehalte geben werde. Ein Weg, den es im Interesse eines solidarischen Versicherungssystems wieder zu verlassen gelte. Selbstbehalte funktionieren nicht als Steuerungsinstrumente im Gesundheitswesen, sagte Lackner und untermauerte diese Aussage mit internationalen Studien, die zeigen, dass der Zugang einkommensschwächerer Bevölkerungsgruppen zum Gesundheitssystem durch die Einführung von Selbstbehalten verschlechtert werde. Dazu kommen die hohen Folgekosten unbehandelter Krankheiten, die die Einnahmen aus Selbstbehalten übersteigen.

Abgeordneter Karl Öllinger (G) warf den Regierungsparteien vor, die Debatte über das Budgetbegleitgesetz als eine Pflichtübung zu absolvieren, mit den Oppositionsparteien aber gar nicht auf einen grünen Zweig kommen zu wollen. Zunächst kritisierte Öllinger Bundesminister Haupt, der bestritten habe, die Entwicklung des Bundeszuschusses zu den Pensionen über das Jahr 2007 hinaus berechnen zu können. In diesem Zusammenhang machte der Sozialsprecher der Grünen darauf aufmerksam, dass die direkten Einnahmen aus den Steuern der Pensionisten eine wichtige Bezugsgröße darstellten, weil sie Auskunft darüber geben, was von den Pensionisten in das System zurück komme. Denn der Bundeszuschuss zu den jeweiligen Pensionskassen mindere sich um die Steuerleistungen der Pensionisten, was Öllinger zu der Vermutung veranlasste, dass der Bundeszuschuss beim ASVG tatsächlich gegen Null tendiere.

Äußerst skeptisch zeigte sich Abgeordneter Öllinger gegenüber der Ankündigung der Bundesregierung, bis zum Herbst ein einheitliches Pensionssystem mit einheitlichen Beiträgen und Leistungen auszuarbeiten, führte die unterschiedlichen Beitragssätze der einzelnen Pensionsversicherungen an und fragte weiter: "Wie soll es möglich sein, ein beitragsorientiertes Pensionskonto zu schaffen und es kostenneutral zu gestalten". Die Bundesregierung gehe mit dem Begriff "beitragsorientiertes Pensionskonto" hausieren, ohne dass die Abgeordneten und die Bevölkerung wüssten, was damit im einzelnen gemeint sei, kritisierte Öllinger und sprach die Vermutung aus, die Regierung habe gar nicht die Absicht, die Harmonisierung herbeizuführen. Sie wolle lediglich im Herbst sagen können, die anderen, die Sozialpartner etwa, wollten das nicht.

In seinen weiteren Ausführungen forderte Öllinger den Sozialminister auf, sich mit der Opposition auf gleiche Zahlengrundlagen für die Diskussion zu einigen und nannte als Beispiel europäische Vergleichsdaten zur Ungleichheit bei Erwerbseinkommen und Pensionen. Diese Ungleichheit sei in Österreich bei den Pensionen besonders ausgeprägt, sagte Öllinger und fragte: "Wo bleiben die Anstrengungen der Bundesregierung diese Ungleichheiten zu beseitigen?" Den Grünen würde es schon genügen, würden Maßnahmen gesetzt, die eine weitere Verschärfung der Ungleichheit zumindest vermeiden. Ein beitragsorientiertes Pensionskonto würde die sozialen Ungleichheiten im Pensionssystem aber weiter verstärken, wovon insbesondere Frauen betroffen wären. Dies sei deshalb besonders bedauerlich, weil der Staat auf die Pensionen einen ungleich größeren Einfluss habe als auf die Erwerbseinkommen.

In seinen weiteren Ausführungen setzte sich der Abgeordnete im Detail mit dem Abänderungsantrag der Regierungsfraktionen zum Bezügegesetz auseinander und mahnte die Bereitschaft ein, den Politikern tatsächlich die selben Maßnahmen zuzumuten wie allen anderen Menschen. Dies sei nicht der Fall, sagte Öllinger und forderte namens der Grünen eine Überführung in das ASVG sowie der darüber hinaus gehenden Ansprüche in eine Pensionskasse.

Beim Stichwort Pensionskasse setzte sich der Abgeordnete mit der Absicht der Bundesregierung auseinander, "einen Schritt in Richtung auf ein Mischsystem nach Schweizer Vorbild zu setzen". Sie übersehe dabei aber, dass Pensionskassen in der Schweiz wesentlich bessere Bedingungen vorfinden als in Österreich. Aber selbst die Schweizer Erfahrungen zeigten die Probleme des Pensionskassensystems auf. Nach den schlechten Erfahrungen mit den Aktien veranlagten die Schweizer Pensionskassen etwa stärker in Immobilien, trieben damit die Wohnungspreise und Mieten in die Höhe, was laut Öllinger dazu führte, dass junge Menschen ihre private Altersversorgung nicht nur durch Beiträge, sondern auch durch hohe Wohnungskosten finanzieren müssen.

Ein "Riesenproblem" sieht Öllinger darin, dass einzelne Elemente der zweiten und dritten Säule der Pensionssicherung nicht nur vom Staat gefördert werden, sondern sowohl beim Ansparen als auch bei der Auszahlung steuerfrei gestellt sind, während Pensionen aus der staatlichen Pensionsversicherung sehr wohl der Besteuerung unterliegen. Öllinger glaubt, dass das auf Dauer nicht aufrechterhaltbar sein wird. 

Insgesamt beklagte Öllinger, dass die Eingriffe in das Pensionssystem erstmals so massiv sind, dass die Leute auf die zweite oder dritte Säule angewiesen sein werden, um sich ihren Lebensabend zu sichern. Er wisse schon, dass die EU die zweite und die dritte Säule forciere, sagte der Abgeordnete, seiner Ansicht nach besteht aber überhaupt keine Notwendigkeit, "auf internationale Gepflogenheiten überzuwechseln", wenn die Abgeordneten des österreichischen Parlaments zur Überzeugung gelangten, dass das Umlagesystem erhalten und gestärkt werden solle.

Bedauern äußerte Öllinger darüber, dass aufgrund der Diskussion über die Pensionskürzungen ein ganz wesentlicher Punkt der Pensionsreform in den Hintergrund getreten sei, nämlich die Auswirkungen der Pensionsreform auf den Arbeitsmarkt. Dieses Problem betreffe nicht nur ältere Arbeitnehmer, sondern auch jüngere Menschen, betonte er. Wenn man ältere Menschen länger im Arbeitsprozess halte, verdränge man jüngere Menschen vom Einstieg in den Arbeitsmarkt.

Öllinger ließ sich in seinen Ausführungen auch durch eine Ermahnung des Ausschussvorsitzenden Jakob Auer nicht stoppen, er möge doch auf die vereinbarte Beratungszeit achten. Es sei ein Riesenproblem, dass die Pensionsreform im Budgetausschuss und nicht im Sozialausschuss beraten werde, meinte er, deshalb sei es notwendig den mit der Materie nicht so vertrauten Abgeordneten die Grundlagen näher zu bringen. Die Opposition müsse Zeit haben, ihre Argumente klarzumachen und aufzuzeigen, dass man so mit einer Pensionsreform nicht umgehen könne. Alle Länder, die gute Pensionsreformen gemacht hätten, hätten sich dafür Zeit genommen, unterstrich der Abgeordnete, keines habe sich dafür entschieden, das Thema als Annex zum Budget abzuhandeln.

Als zentral wertete Öllinger die Frage, inwieweit ein Pensionssystem soziale Fragen und Fragen der Verteilungsgerechtigkeit berücksichtigt. In diesem Zusammenhang gab er zu bedenken, dass einer statistischen Aufstellung zufolge derzeit die "untersten" 28,6 % der Pensionisten 7 Prozent der gesamten Pensionszahlungen erhalten, während die "obersten" 2 % der Pensionisten 9,5 Prozent bekommen.

Was die Vorschläge der Grünen zur Pensionsreform betrifft, ist es Öllinger zufolge für sie Minimalvoraussetzung, dass die derzeit bestehenden Bundeszuschüsse zu den Pensionen in ihrer Höhe, gemessen am BIP, auch in Zukunft erhalten bleiben. Es wäre seiner Auffassung nach allerdings zu überlegen, ob die Zuschüsse nicht direkt den Pensionisten zugute kommen sollen, etwa über eine Art Grundsicherung. Außerdem hält Öllinger eine bessere Abgeltung von Ersatzzeiten aus den entsprechenden Töpfen, etwa dem Familienlastenausgleichsfonds, für notwendig. (Fortsetzung)