Parlamentskorrespondenz Nr. 965 vom 01.12.2005

Bundesrat: Fragestunde mit Minister Günther Platter

Eurofighter, Auslandseinsätze, KIOP, Suizidfälle im Heer

Wien (PK) – Nach der Angelobung von neuen bzw. wiedergewählten Bundesräten hielt der Bundesrat eine Fragestunde mit Verteidigungsminister Günther Platter ab.

Bundesrat Ing. Einwallner (S): Welche Erklärungen haben Sie dafür, dass Ihr Ressort für den noch immer nicht existierenden Eurofighter der Tranche II 112,5 Millionen Euro pro Stück bezahlt, während die deutsche Bundesregierung nur 65 Millionen Euro pro Stück ausgibt?
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Bundesminister PLATTER konnte die in der Fragestellung vorgebrachten Zahlen nicht nachvollziehen. Der Preis pro Luftfahrzeug umfasse zusätzlich zum eigentlichen Stückpreis u.a. auch anteilige Kosten für Simulator, Logistik und Ausbildung sowie Finanzierungskosten. Die Beschaffungskosten, die den Herstellernationen Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien aufgrund der Aufwendungen, die sie bereits im Rahmen der Entwicklung des Systems zu tragen haben sowie aufgrund der unterschiedlichen Finanzierungsformen, Produktionsanteile, Ausbildungsaufwendungen, Versorgungsverfahren entstehen, lassen laut Platter keinen linearen Kostenvergleich zu. Laut Berechnung koste ein Eurofighter dem einzelnen Staatsbürger 8 € pro Jahr.

Auf eine Zusatzfrage meinte der Ressortleiter, man habe über die Frage der Zurverfügungstellung der Vertragsklauseln, die nicht der militärischen Verschwiegenheitspflicht unterliegen, bereits mehrfach diskutiert. Er verwies zudem darauf, dass noch nie ein militärischer Beschaffungsvertrag offen gelegt wurde. Auch der Draken-Vertrag sei nicht vorgelegt worden. Gemäß Art. 20 Abs. 3 B-VG unterliege der Bundesminister der Amtsverschwiegenheit. Diese Amtsverschwiegenheit umfasse auch den Schutz der Interessen des Vertragspartners.

Bundesrätin Kerschbaum (G) teilte der Minister mit, dass für die Eurofighter ein Standort, nämlich Zeltweg, vorgesehen sei.

Bundesrat Bieringer (V): Wie ist der aktuelle Stand der Neugliederung des Österreichischen Bundesheeres?

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Die Reform des Bundesheeres bezeichnete der LANDESVERTEIDIGUNGSMINISTER als eine Erfolgsstory und zeigte sich gegenüber den Parlamentsparteien dankbar, dass der Weg gemeinsam beschritten werden konnte. Die Wehrsprecher haben in der Bundesheerreformkommission mitdiskutiert, die Empfehlungen der Kommission erfolgten einstimmig.

Zur Umsetzung der Reform meinte Platter, mit 29. September dieses Jahres sei die Eingliederung der Bataillone in die vier Brigaden erfolgt, derzeit laufen die Ausschreibungen für den Streitkräfte-Kommandanten, seiner Stellvertreter und den Stabschef. Diese Kommandanten werden zu Beginn des nächsten Jahres den Auftrag erhalten, das Streitkräftekommando zu installieren.

Im Bereich der Liegenschaftsverkäufe konnte auch Konsens mit allen Landeshauptleuten erzielt werden, teilte der Minister mit. Es wurde eine Gesellschaft gegründet, die bereits ihre Tätigkeit aufgenommen hat. Im nächsten Jahr sollen 20 Liegenschaften verkauft werden.

Die Neustrukturierung der Zentralstelle werde im ersten Halbjahr 2006 abgeschlossen sein. Ab 1. Jänner 2006 werde der Grundwehrdienst von acht auf sechs Monate reduziert, analog dazu werd der Zivildienst von zwölf auf neun Monate abgesenkt. Wir sind auf einem guten Weg, sagte der Minister, alle Termine konnten eingehalten werden.

Über die Freiwilligkeit bei Auslandseinsätzen werde man noch debattieren. In der Bundesheerreformkommission habe man darüber gesprochen und habe einhellig festgestellt, dass die Freiwilligkeit nicht mehr zeitgemäß sei und das Berufsbild des Soldaten neu definiert werden müsse; alle neu eintretenden Berufssoldaten können zu Auslandseinsätzen herangezogen werden, unterstrich der Minister.

Die Ausgaben für die Landesverteidigung sind im Vergleich zu jenen in anderen EU-Staaten bescheiden, meinte das Regierungsmitglied zu Bundesrat Schennach (G). Man versuche, mit den finanziellen Mitteln auszukommen. Daher müsse jede Beschaffungsmaßnahme genau überlegt sein. Derzeit liege man unter 0,8 % des BIP. Für die nächsten Jahre ging Platter von einer "moderaten Steigerung" aus.

Gegenüber Bundesrat Lindinger (S) strich der Ressortchef hervor, dass es bei der Schließung von Kasernen vor allem um die Frage gehe, ob diese Kaserne notwendig sei oder nicht. In Zeiten des Kalten Krieges sei die Kasernensituation eine andere gewesen als derzeit, wo wir von Freunden umgeben sind, so Platter. Außerdem habe man auf die regionale Entwicklung Rücksicht genommen. Alle Landeshauptleute haben den Schließungsplan unterschrieben, ein Konsens mit den Ländern sei somit gegeben.

Bundesrat Kaltenbacher (S): Wie hoch sind die Gesamtkosten – Kauf, Finanzierung, Umbau der Infrastruktur und Betrieb – für die sündteuren Eurofighter, die ab 2004 bis 2017 anfallen?

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Der MINISTER informierte die Bundesräte, dass der Rechnungshof in seinem Bericht eindeutig und klar festgelegt habe, dass Eurofighter Bestbieter war. Exakt gehe es um 1.959 Mill. €; die Betriebsaufwendungen für die 18 Eurofighter werden derzeit mit 50 Mill. € angenommen. Außerdem sind Investitionen erforderlich, die der Erhaltung der fliegerischen Infrastruktur der Luftstreitkräfte dienen. Systemspezifischer Folgeaufwand etwa für Ausbildung und Bewaffnung müsse aus dem laufenden Budget bestritten werden. Platter zeigte sich froh darüber, dass man sich für den Eurofighter entschieden habe und begründete dies damit, dass unabhängig davon, dass die 33-köpfige Expertenkommission der Bundesregierung klar empfohlen habe, dem Produkt Eurofighter den Zuschlag zu geben, dies das einzige europäische Produkt sei. Man sei bestrebt, auch eine europäische Rüstung zu erreichen, daher mache es Sinn, wenn man dieses Produkt mit unterstützt. Außerdem sollte man das gleiche System wie die Nachbarstaaten Deutschland und Italien haben. Bei der Firma FACC in Oberösterreich wurde vor kurzem klar zum Ausdruck gebracht, dass es ohne den Kauf der Eurofighter nicht möglich gewesen wäre, dass sich FACC an der Produktion des Airbus 380 beteiligt. Vermutlich wird diese Firma auch in die Offset-Geschäfte von Boeing einbezogen werden.

Der Vertrag mit EADS werde nicht gekündigt, denn eine Kündigung würde nach Ansicht des Ressortleiters bedeuten, dass Österreich in Zukunft keine aktive Luftraumüberwachung mehr machen kann. Zurzeit laufe die Produktion für die österreichischen Eurofighter; bereits 59 Luftfahrzeuge wurden an die verschiedenen Herstellerfirmen ausgeliefert: 19 an Großbritannien, 17 an Deutschland, 12 an Italien, 11 an Spanien; damit es wurden bereits 5.000 Flugstunden absolviert. Den Beginn der Endfertigung unserer Flugzeuge gab Platter mit April 2006 in Manching an.

Bundesrat Dr. Kühnel (V): Wie viele Soldaten des österreichischen Bundesheeres sind derzeit zu welchen Auslandseinsätzen entsandt?
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Bundesminister PLATTER hob hervor, dass das Bundesheer seit 45 Jahren in verschiedenen Krisenherden tätig sei. In diesem Zeitraum haben über 60.000 Soldaten Dienst im Ausland versehen und haben dadurch einen großen Beitrag zur Stabilität in diesen Regionen geleistet. Derzeit befinden sich 1.283 Angehörige des Bundesheeres im Auslandseinsatz. Ein Schwerpunkt sei der Balkan, bis zu 300 Soldaten befinden sich in Bosnien-Herzegowina, über 500 Soldaten im Kosovo. Weitere Soldaten halten sich auf dem Golan auf, andere waren in Afghanistan. In Pakistan haben die Soldaten eine Trinkwasseraufbereitungsanlage installiert, mit der pro Tag etwa 120.000 Liter bestes Trinkwasser aufbereitet wird.

Bundesrätin Konrad (G) teilte der Ressortchef mit, die Gesetzesinitiative zur Entsendung von Soldaten ins Ausland werde er im Frühjahr kommenden Jahres ergreifen. Die Beschlussfassung sollte spätestens im Juli erfolgen, vorausgesetzt es gibt die notwendige Zustimmung, zumal es sich um eine Verfassungsbestimmung handle. Ab 1. Jänner 2007 könnte die neue Regelung in Kraft treten.

Günter Platter meinte in Richtung S-Bundesrat Reisenberger, es müsse Sorge dafür getragen werden, dass die Soldaten, die ja "Dienst für Österreich" machen, bestens ausgerüstet sind. Die Beschaffung des Kampfanzuges inklusive Alpinbekleidung sei voll im Gang, in den nächsten Monaten werden 16.000 Stück ausgeliefert, 2007 werden weitere 8.000 Stück beschafft werden. Die Gelder aus dem Verkauf der Liegenschaften fließen nicht an das Finanzministerium zurück, sondern werden für Beschaffungen verwendet.

Bundesrat Schennach (G): Welche Maßnahmen werden seitens des Bundesministeriums für Landesverteidigung ergriffen, um die Durchführung von völkerrechtswidrigen Gefangenentransporten durch den US-Geheimdienst CIA und ihm nahe stehende Unternehmen zu verhindern?

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Der VERTEIDIGUNGSMINISTER informierte den Bundesrat darüber, dass es keine Hinweise gebe, dass es sich bei dem besagten Flug um einen CIA-Flug gehandelt habe und Gefangene transportiert worden sind. Es gebe auch keine Hinweise, dass Menschenrechte verletzt wurden. Die Auslösung eines Einsatzes zur Identifizierung von Luftfahrzeugen durch Luftraumüberwachungsflugzeuge des Bundesheeres erfolge aufgrund von Unklarheiten bei den Flugplandaten, von fehlenden Funkkontakten oder aufgrund anderer Unregelmäßigkeiten. Das bedeute, jeder Flug werde bei der Austro Control gemeldet. Ist ein Flug nicht angemeldet, dann steigen die Abfangjäger auf, was schon öfter der Fall gewesen sei, so Platter. In einem Jahr gebe es etwa 1,2 Millionen Flugbewegungen, hinzu kommen 12.000 bis 13.000 militärische Flugbewegungen. 

Bundesrat Preiner (S): Können Sie trotz einer Verkürzung des Grundwehrdienstes ab 1. Jänner 2006 den lückenlosen Assistenzeinsatz an den Staatsgrenzen sicherstellen?

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Verteidigungsminister PLATTER teilte den Bundesräten mit, dass die Überwachung der Staatsgrenze in der bisherigen Qualität aufrecht bleibe. Interne Umstrukturierungen bestehen aus der Einbindung von Kaderpräsenzeinheiten und im Einsatz von Wärmebildkameras im Nachteinsatz. Der Assistenzeinsatz werde so lange fortgesetzt, bis die Nachbarländer die Schengen-Reife erreicht haben. Der Minister vermutet, dass dies nicht schon 2007, sondern erst 2008 der Fall sein werde. In diesem Zusammenhang berichtete Platter von europäischen Bemühungen, die neue EU-Ostgrenze gemeinsam zu sichern.

Eine Zusatzfrage zum Thema Ausbildungsdienst beantwortete der Minister mit dem Hinweis auf das attraktive finanzielle Angebot für Frauen im Bundesheer, die nun statt 256 € netto 824 € pro Monat erhalten. Dieses Angebot gelte auch für Grundwehrdiener ab dem Zeitpunkt, zu dem sie sich für den zwölfmonatigen Ausbildungsdienst verpflichten.

Bundesrat Bader (V): Wie ist der derzeitige Stand bei den Kräften für internationale Operationen (KIOP)?

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Die Einrichtung der KIOP-Einheiten stellt für den VERTEIDIGUNGSMINISTER einen Meilenstein in der Geschichte des Bundesheeres dar. Das Heer brauche junge Leute, die sich für drei bis sechs Jahre verpflichten. Nach ihrer Dienstzeit können die Soldaten mit einer großzügigen Unterstützung des Bundesheeres beim Umstieg auf zivile Berufe rechnen. Außerdem bestehe die Möglichkeit, über den Verpflichtungszeitraum hinaus als Berufssoldat beim Heer zu bleiben. Aufgrund der bisherigen freiwilligen Meldungen zeigte sich Minister Platter überzeugt, dass dem Bundesheer bis Ende 2007 2.200 KIOP-Soldaten zur Verfügung stehen werden.

Bundesrat Reisenberger (SP): Wie lange werden wie viele Flugzeuge des Typs "Saab 105 Ö" zum Einsatz kommen?

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Minister PLATTER führte aus, dass 22 Saab 105-Jets nach einem Upgrading bis 2020 in Verwendung stehen werden. Diese Flugzeuge zählen zur aktiven Komponente der Luftraumüberwachung. Die Kosten für die 12 Schweizer F 5-Jets werden für vier Jahre 75 Mill. € an Miet- und Betriebskosten erfordern, teilte der Minister auf eine diesbezügliche Zusatzfrage mit. Dieser Betrag werde möglicherweise auf 69 Mill. € gesenkt werden können, sagte Platter und sprach von einer sehr effizienten und kostengünstigen Übergangslösung zwischen zwei befreundeten Nachbarländern. Nach 2010 könnten die F 5-Jets aber nicht mehr zum Einsatz kommen, weil das Modell auslaufe.

Bundesrat Dr. Spiegelfeld-Schneeburg (V): Welche Maßnahmen werden im Bundesministerium für Landesverteidigung gesetzt, um Suizidfälle von Rekruten zu verhindern?

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Verteidigungsminister PLATTER zeigte sich über jeden einzelnen Selbstmordfall im Bundesheer bestürzt und betonte, dass das Heer alles unternehme, um den jungen Menschen in schwierigen Situationen psychologisch beizustehen. 300 hervorragend geschulte psychologische Helfer, das Help-Line-Service und die militärischen Seelsorger stehen zur Verfügung. Wichtig sei es, in Krisensituationen Gespräche zu ermöglichen und zuzulassen. Der Heerespsychologische Dienst weise einen sehr guten Standard auf, Verbesserungsmöglichkeiten werden aber permanent diskutiert, sagte der Verteidigungsminister und fügte hinzu, dass das Thema Suizid nicht auf das Heer beschränkt sei, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem darstelle.

Große Aufmerksamkeit widme er der Situation der Soldaten im Grenzüberwachungseinsatz und Soldaten im Auslandseinsatz. Wenn es Probleme zu Hause gebe, werde großzügig Heimaturlaub gewährt, sagte der Minister.

Bundesrat Ing. Kampl (ohne Fraktion): Auf welcher rechtlichen Grundlage basieren die Luftraumsicherungsoperationen von zivilen Veranstaltungen im Rahmen der europäischen Präsidentschaft Österreichs?

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Der MINISTER informierte darüber, dass Luftraumsicherungsoperationen aufgrund verfassungsrechtlicher Bestimmungen sowie auf Basis des Militärbefugnisgesetzes und des Luftfahrtgesetzes durchgeführt werden. Die Frage, wann Flugzeuge abgefangen, also zur Landung gezwungen werden, beantwortete Platter wie folgt: Besteht der Verdacht einer Verletzung der Lufthoheit, steigen Luftraumüberwachungsflugzeuge auf, identifizieren das Flugzeug, nehmen Funkkontakt auf und überwachen die Einhaltung des Flugplanes. Bei Abweichungen vom Flugplan wird das Flugzeug eskortiert. Besteht eine Gefahr für die Bevölkerung, kann der Pilot das Flugzeug nach Absprache mit dem Kommando der Luftstreitkräfte abfangen, also zur Landung zwingen.

Im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft habe das Verteidigungsressort gemeinsam mit dem Innenressort die Aufgabe, für Sicherheit zu Land und in der Luft zu sorgen sowie Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Politisch stehen für ihn die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, konkret die Ziele für 2010 und das Battle-Group-Konzept zur Diskussion. Ein Schwerpunkt der österreichischen Präsidentschaft sei die Situation auf dem Balkan, wo Stabilität - im militärischen, aber auch im zivilen Sinn - für die Sicherheit Österreichs sehr wichtig sei. Er führe bereits Gespräche mit den Verteidigungsministern der Region und werde diese Kontakte fortsetzen, sagte Platter. Konkrete Themen sind die Zusammenführung der drei nationalen Armeen in Bosnien-Herzegowina, das Referendum über die Unabhängigkeit Montenegros und die Verhandlungen über den Status des Kosovo. Ein Generalthema sei die Koordination ziviler und militärischer Hilfsprogramme. (Schluss)


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