Parlamentskorrespondenz Nr. 961 vom 18.12.2008

BR: Europäischer Rat hat Schutzfunktion der EU erlebbar gemacht

EU-Ausschuss des Bundesrats zu Ergebnissen des Europäischen Rats

Wien (PK) – Die Ergebnisse des Europäischen Rats vom 11. und 12. Dezember sowie die künftige Asylstrategie und Organtransplantationen waren heute Themen des EU-Ausschusses des Bundesrats.

Zunächst berichteten Harald Dossi, Sektionsleiter im Bundeskanzleramt, sowie Johannes Kyrle, Generalsekretär des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten, über die Schwerpunkte des Europäischen Rats und die in den Schlussfolgerungen festgelegten Beschlüsse. Dossi unterstrich die Besonderheit dieser Sitzung und meinte, die Ergebnisse könnten sich sehen lassen. Auch der Vorsitzende des Ausschusses, Bundesrat Gottfried Kneifel (V/O), bemerkte, dieser Rat sei einer der erfolgreichsten gewesen und habe die Nutzen- und Schutzfunktion der EU sichtbar und erlebbar gemacht. Europa sei der erste Kontinent mit einem umfassenden und klar definierten energiepolitischen Programm.

BundesrätInnen: EU hat Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt

Was das Wirtschafts- und Finanzpaket betrifft, so komme es zu einem koordinierten Vorgehen auf EU-Ebene und darüber hinaus auch international, sagte Dossi. Die Wirtschafts- und Finanzkrise habe deutlich vor Augen geführt, dass einzelstaatliche Maßnahmen nicht ausreichen. Im Rahmen des beschlossenen finanziellen Pakets in der Höhe von 200 Mrd. € würden die Mitgliedsstaaten mit 170 Mrd. € die Hauptlast tragen. Die restlichen 30 Mrd. kommen laut Dossi aus dem EU-Budget bzw. werden durch zusätzliche Kreditaufnahmen der Europäischen Investitionsbank zur Verfügung gestellt. Diese Mittel würden für gezielte Maßnahmen eingesetzt, die von Investitionen in die Infrastruktur, in den Energiesektor bis hin zu Stützungen für die Automobilbranche gehen. Man habe auch vor, Ausgaben der Strukturfonds sowie TEN-Projekte vorzuziehen. Die Nationalstaaten könnten jedoch nicht machen, was sie wollen, sondern müssten sich im Rahmen der vom Rat beschlossenen Leitlinien bewegen. Man werde auch jene Schwelle anheben, ab der die Kommission nationalstaatliche Subventionen prüft, so Dossi. Auch die Abwicklung im öffentlichen Beschaffungswesen soll beschleunigt werden, um öffentliche Investitionen rascher abwickeln zu können.

Bundesrat Albrecht Konecny (S/W) zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden, auch wenn es derzeit noch offen sei, ob die Programme überhaupt ausreichen. Jedenfalls habe die Union mit dieser koordinierten Vorgangsweise ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Auf die kritische Bemerkung der Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) hinsichtlich der Autoindustrie merkte Dossi an, es gehe darum, die Betriebe bei der Umstellung auf eine umweltfreundlichere Produktion zu unterstützen. Die Autoindustrie stelle einen erheblichen Wirtschaftsfaktor dar, weshalb hier Handlungsbedarf bestehe.

Klimaschutz- und Energiepaket: Kraftakt gelungen

Beim Klimaschutz- und Energiepaket sei der französischen Präsidentschaft ein Kraftakt gelungen, stellt Dossi fest. Die Ziele, bis zum Jahr 2020 einerseits die CO2-Emissionen um 20 % zu reduzieren und andererseits den Anteil an erneuerbaren Energien auf 20 % anzuheben, seien in den Schlussfolgerungen außer Streit gestellt worden. Einige Mitgliedsstaaten mit ausgeprägter industrieller Struktur hätten nämlich die Meinung vertreten, man könne derartige Investitionen nur bei einem weltweiten gemeinsamen Vorgehen verlangen. Die neuen Mitgliedsstaaten wiederum hätten auf ihre erheblichen Klimaschutzaufwendungen nach der Wende hingewiesen und wollten diese angerechnet bekommen. Das Ergebnis stelle nun einen ausgewogenen Kompromiss dar, meinte Dossi, die Klimaschutzziele blieben unangetastet. Jene Industriezweige, die aber belegen könnten, dass die Gefahr der Abwanderung aufgrund der auferlegten Vorgaben besteht, bekämen Gratiszertifikate.

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) gegenüber, die nach der Nachweisbarkeit der Abwanderungsgefährdung gefragt hatte, hielt Dossi fest, die Berechnung werde aufgrund von zwei Kriterien erfolgen: Einerseits werde das Ausmaß der zusätzlichen Kosten herangezogen und andererseits werde kumulativ berücksichtigt, inwieweit die Betriebe dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind. Die Berechnungen müssten bis Ende 2009 abgeschlossen werden, um den Unternehmungen Planungssicherheit zu geben.

Für die Anhebung des Anteils an erneuerbaren Energien seien nationale Subziele festgelegt worden, informierte Dossi die Bundesrätinnen und Bundesräte. Da Österreich derzeit schon bei einem Anteil von 23 % liege, sei es verpflichtet, seinen Anteil bis 2020 auf 34 % zu erhöhen. Das sei extrem ambitioniert, merkte er an. Sollten die festgelegten Ziele nicht erreicht werden, so könne es zu einem Vertragsverletzungsverfahren mit Buß- und Strafgeldzahlungen kommen. Die Kommission habe aber anerkannt, dass Österreich und einige andere Länder auch von einem hohen Ausgangsniveau ausgehen. Deshalb werde dieser Aspekt bei der Evaluierung berücksichtigt, sodass bei Nicht-Erreichung der Ziele nicht unbedingt ein Vertragsverletzungsverfahren drohe. Die Kommission werde sich in diesen Fällen bemühen, Lösungsvorschläge für die betreffenden Länder zu erarbeiten.

Grundsätzlich liegt laut Dossi der Schlüssel zur Erreichung der Ziele weniger darin, zusätzliche erneuerbare Energiequellen zu erschließen, sondern in erster Linie darin, die Energieeffizienz zu verbessern. Dossi ging damit auf Fragen der Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) sowie von Bundesrat Friedrich Hensler (V/N) ein. Bundesrat Erwin Preiner (S/B) gegenüber bestätigte er, dass es gelungen sei, die Atomkraft nicht als eine erneuerbare Energie zu bewerten.

Auf eine Bemerkung von Vizepräsidentin Susanne Neuwirth (S/S) eingehend, informierte Dossi die Ausschussmitglieder, dass in den Schlussfolgerungen die Tendenz begrüßt werde, in der Landwirtschaft in kleinen Schritten von Direktzahlungen weg zu kommen. Man wolle wieder mehr produktionsunabhängige Zahlungen für Landschafts- und Umweltschutz leisten. Große Reformen seien im Landwirtschaftsbereich vor 2013 jedoch nicht zu erwarten. Derzeit werde die Struktur des Agrarhaushalts überprüft und man wolle für die kommende Budgetperiode keine neuen Pflöcke einschlagen und damit die Budgetpolitik ab 2013 präjudizieren, sagte Dossi.

Vertrag von Lissabon: Warten auf ein zweites Referendum in Irland

Im Rahmen der Europadiskussion nahm auch die Zukunft des Vertrags von Lissabon großen Raum ein. Generalsekretär Johannes Kyrle betonte, der Gipfel bedeute einen großen Schritt im Bemühen, den Ratifikationsprozess positiv abzuschließen. Man könne davon ausgehen, dass im Herbst 2009 ein weiteres Referendum in Irland stattfindet. Wie den Schlussfolgerungen zu entnehmen sei, habe man den Bedenken der irischen Bevölkerung Rechnung getragen. So werde auch in Zukunft jedes Mitgliedsland einen Kommissar bzw. eine Kommissarin stellen, was auch der Interessenslage Österreichs entspreche. Dies wurde insbesondere vom Präsidenten des Bundesrats Jürgen Weiss (V/V) begrüßt.

Weiters habe man bekräftigt und garantiert, so Kyrle, dass die Kompetenzlage hinsichtlich der Steuerpolitik nicht geändert und die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der einzelnen Mitgliedsstaaten vom Vertrag nicht berührt werden. Durch die Rechtsverbindlichkeit der Grundrechte-Charta würden auch die verfassungsrechtlichen Bestimmungen Irlands in Bezug auf das Recht auf Leben nicht angetastet. Ebenso blieben die nationalen Kompetenzen in der Daseinsvorsorge gewährleistet. Bundesrat Albrecht Konecny (S/W) warnte in diesem Zusammenhang davor, dass einer notwendigen Harmonisierung im Steuerbereich der Boden unter den Füßen weggezogen werden könnte. Er appellierte daher, darauf zu dringen, dass auch weiterhin gewisse Harmonisierungsschritte möglich sein müssen.

Für den Fall einer abermaligen Ablehnung des Vertrags durch die irische Bevölkerung gebe es keinen Plan B, stellte Kyrle fest. In der Union gehe man auch davon aus, dass in der Tschechischen Republik der Ratifikationsprozess 2009 abgeschlossen wird. Er reagierte damit auf Wortmeldungen der Bundesräte Franz Eduard Kühnel (V/W) und Albrecht Konecny (S/W).

Da die Wahl zum Europäischen Parlament noch vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon stattfindet, habe man sich geeinigt, die Zahlen der MandatarInnen anzupassen. Jene Länder, die nach den Bestimmungen des Vertrags von Nizza weniger Abgeordnete entsenden könnten, erhielten dennoch jene Mandate, die ihnen der Lissabonner Vertrag zugestehe. Das bedeute für Österreich 19 statt 17 EU-Abgeordnete. Dies sei deshalb sinnvoll, da man dadurch Nachwahlen vermeiden könne.

Die Frage des Bundesrats Franz Eduard Kühnel (V/W) nach den internationalen Einsätzen beantwortete Generalsekretär Kyrle mit dem Hinweis, die EU übernehme zunehmend Verantwortung, wobei es bislang auch immer ein UNO-Mandat als Grundlage gegeben habe. Da die Kapazitäten derzeit zu gering seien, bemühe man sich, diese auszubauen.

Generalsekretär Kyrle nahm auch zu weiteren außenpolitischen Themen Stellung und hielt fest, dass die Nahostpolitik weiterhin Priorität in der EU bleibe. Auch sei man sich einig, den Balkanstaaten eine europäische Perspektive offenzuhalten, wenn diese die Voraussetzungen erfüllen. Ein Abschluss der Vertragsverhandlungen mit Kroatien Ende 2009 sei möglich. Kyrle erläuterte auch die Pläne der EU zu einer östlichen Partnerschaft, die er als sehr ambitioniert bezeichnete. (Fortsetzung)


Format