Parlamentskorrespondenz Nr. 21 vom 21.01.2009

Nationalrat: Europadebatte im Schatten der Wirtschaftskrise

Erklärungen von Bundeskanzler Faymann und Außenminister Spindelegger

Wien (PK) – An die Präsentation der neuen Justizministerin Bandion-Ortner schloss in der Sitzung des Nationalrats eine mit Erklärungen von Bundeskanzler Faymann und Außenminister Spindelegger eröffnete Europadebatte an.

Bundeskanzler FAYMANN zeigte sich überzeugt, dass der Kampf gegen die Wirtschaftskrise angesichts der sich abzeichnenden Rezession das Hauptthema der EU in diesem Jahr bleiben werde. Die jüngste Prognose gehe von einem negativem Wirtschaftswachstum in der EU von 1,8 % und im Euro-Raum von 1,9 % aus, erklärte er. Die Arbeitslosenrate für den Euro-Raum werde mit 9,3 % vorausgesagt. Damit droht Faymann zufolge nicht nur ein Zunehmen der Armut, sondern auch eine soziale Disbalance, auf die reagiert werden müsse.

Österreich stehe, so Faymann, mit einem prognostizierten Minus von 1,2 % und einer Arbeitslosenrate von 5,1 % noch verhältnismäßig gut da. Man dürfe damit aber nicht zufrieden sein, mahnte er. Faymann verwies in diesem Zusammenhang auf das "engagierte Konjunkturprogramm" des Bundes und der Länder, das unter anderem ein Vorziehen von Infrastrukturmaßnahmen und Bildungsbauten auf 2009 und 2010 vorsieht.

Die EU ist nach Ansicht Faymanns gefordert, Genehmigungsverfahren schneller abzuwickeln, um die von Nationalstaaten geschnürten Programme nicht zu verzögern. Auch bei den Maastricht-Kriterien sieht er Flexibilität gefragt. Der Bundeskanzler kann sich vorstellen, diese temporär außer Kraft zu setzen, nachdem es sich bereits jetzt abzeichne, dass sieben oder acht EU-Länder heuer eine Neuverschuldung von mehr als 3 % haben werden.

Verteidigt wurde von Faymann das Bankenhilfspaket. Er gab zu bedenken, dass ein Zusammenbrechen der Finanzmärkte und Bankeninsolvenzen nicht nur jene "mitreißen" würde, die spekuliert haben, sondern auch Hundertausende Arbeitsplätze gefährdeten. Mit der unbegrenzten Spareinlagensicherung habe das Vertrauen der Sparer gewonnen werden können, skizzierte Faymann, jetzt gelte es, das Vertrauen der Banken weiter zu festigen, damit diese Klein- und Mittelbetrieben wieder mehr Kredite bewilligen.

Was die Energiepolitik der Europäischen Union betrifft, drängt Faymann auf einen verstärkten Einsatz erneuerbarer Energieträger, die Atomenergie dürfe nicht an Bedeutung gewinnen.

Außenminister Dr. SPINDELEGGER machte geltend, Österreich könne durch seine Teilnahme an der Währungsunion besser durch die gegenwärtige Krise steuern als andere europäische Länder, welche Währungspekualtionen ausgesetzt seien. Auch die Energiekrise zeigt ihm zufolge, dass man ein Mehr an Europa brauche. Es gehe um die Sicherstellung der Energieversorgung und eine bessere Verbindung der Energienetze, betonte er.

Was den Vertrag von Lissabon betrifft, begrüßte Spindelegger die geplante zweite Volksabstimmung in Irland. Durch den Vertrag werde Österreich künftig 19 Abgeordnete im EU-Parlament haben, konstatierte er. Auch sei auf europäischer Ebene vereinbart, dass jedes EU-Land auch weiterhin einen EU-Kommissar stellen werde.

Der verbreiteten EU-Skepsis in Österreich will Spindelegger, wie er ankündigte, durch Diskussionen mit der Bevölkerung begegnen. Er will eine "Zuhörtour" in den Bundesländern starten. Niemand habe etwas davon, wenn das Projekt Europa verteufelt werde, bekräftigte Spindelegger, aber alle würden davon profitieren, wenn das Projekt Europa erfolgreich sei.

Zum Gaza-Konflikt merkte der Außenminister an, sowohl die französische als auch die tschechische Präsidentschaft hätten hier gute Arbeit geleistet. Es sei notwendig gewesen, den Druck auf die Konfliktparteien zu erhöhen. Spindelegger hofft, dass nunmehr wieder eine Rückkehr zum Friedensprozess erfolge. Ausdrücklich hob er hervor, dass alle Österreicher mit Doppelstaatsbürgerschaft, die im Gaza-Streifen leben und weg wollten, heute aus der Krisenzone herausgeführt werden konnten.

FPÖ-Klubobmann STRACHE warf der Regierung vor, den alten EU-Kurs fortzuführen: "den Weg der Bürgerferne und der Bürgerverhöhnung". Die Rede von Außenminister Spindelegger habe den Anschein erweckt, als ob in der EU Milch und Honig fließen und den Menschen gebratene Tauben in den Mund fliegen, meinte er, die Wirklichkeit sehe aber anders aus. Es gebe Fehlentwicklungen, über die man offen reden und denen man entgegentreten müsse.

Strache forderte erneut eine Volksabstimmung über den EU-Reformvertrag und kritisierte die geplante zweite Volksabstimmung in Irland. Offenbar solle so lange abgestimmt werden, bis man endlich das gewünschte Ergebnis habe, klagte er. Das habe nichts mit direkter Demokratie zu tun.

Strache zeigte sich überzeugt, dass es bei der EU-Wahl im Juni zu einer "Abrechnung" mit jenen kommen werde, die eine Volksabstimmung in Österreich verhindert hätten. Die FPÖ sei nicht europafeindlich, unterstrich er, ihre Losung heiße aber: "Österreich zuerst". Die Völker dürften in der EU "nicht zu Statisten degradiert werden".

Abgeordneter Dr. CAP (S) fragte sich, was das "blaue Modell" von Europa sei. Seiner Meinung nach hat die Finanzkrise gezeigt, wie wichtig die EU ist. Ohne EU würde man die Krise nicht so leicht bewältigen können.

Allerdings sei auch die SPÖ, so Cap, für Verbesserungen und Reformen in der EU. Die Union müsse demokratischer und bürgernäher werden, aber auch sozialer. So müsse sie ihre Schutzfunktion gegen die negativen Auswirkungen der Globalisierung erfüllen. Die Reformen müssten aber so erfolgen, dass die EU "am Ende des Tages stärker und nicht schwächer ist", betonte Cap.

Die Aufbruchstimmung und der Optimismus, den der neue US-Präsident Barack Obama versprüht, sollten Cap zufolge auch in Europa und in Österreich zum Vorbild genommen werden. Die große Chance sei da, meinte er, es gelte, die Herausforderung anzunehmen.

Abgeordneter Mag. STADLER (B) fordert, dass sich die EU in Hinkunft auf das Wesentliche konzentriert und reduziert. Mit wenigen Ausnahmen glaube niemand, dass die Welt besser werde, wenn man die EU zerschlage, meinte er. Die Union solle sich aber vor allem um wichtige Fragen wie das Thema Energiesicherheit kümmern. Mit Vorstößen, das Salz auf den Salzstangerln aus gesundheitlichen Überlegungen zu normieren, oder vorzuschreiben, wie viel in Gaststätten geraucht werden dürfe, geht sie Stadler zufolge den Leuten jedoch "auf den Nerv". "Dazu brauchen wir keine EU".

Zur Lösung der Finanzkrise hat die EU nach Auffassung Stadlers einige vernünftige Ansätze gezeigt. Auch hätten durch den Euro-Raum Währungsspekulationen in großem Stil verhindert werden können. Die EU hätte aber die hohe Energieabhängigkeit einzelner EU-Länder frühzeitig erkennen können und Gegenmaßnahmen einleiten sollen, kritisierte er. Die Frage liege schon seit 10, 15 Jahren auf dem Tisch.

Allgemein hielt Stadler fest, man könne die EU nicht ohne die Bevölkerung bauen, weder in Österreich noch in anderen EU-Ländern. Man müsse die Menschen in Entscheidungsprozesse einbinden, sonst würden sie der Politik die Gefolgschaft verweigern.

In einer Wortmeldung zur Geschäftsordnung konfrontierte Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) den vorsitzführenden Dritten Nationalratspräsidenten Dr. Graf mit dem Vorwurf, Mitarbeiter seines Büros würden einander mit dem Hitlergruß grüßen und präsentierte zur Untermauerung seiner Aussage die Kopie eines T-Shirts, das Graf-Mitarbeiter via Internet bestellt haben sollen. Es zeigt das Wappentier des Dritten Reiches und den Hitlergruß in der unter Neonazis üblichen Verschlüsselung. Van der Bellen beantragte eine Debatte über den Vorfall und forderte Dr. Graf auf, politische Konsequenzen zu ziehen. - FPÖ-Klubobmann STRACHE wies die Anschuldigung des Abgeordneten Van der Bellen als eine "ungeheuerliche Diffamierung" zurück. Die Vorwürfe beruhten auf unwahren Behauptungen und gefälschten Dateien.

Van der Bellens Antrag auf eine Debatte lehnten VP-Klubobmann KOPF und SP-Klubobmann Dr. CAP mit Hinweis auf die Geschäftsordnung ab. In der Sache unterstrich Kopf die Verantwortung jedes Amtsträgers der Republik, nicht an NS-Gedankengut anzustreifen, eine Verantwortung, die auch für dessen Umfeld gelte. Grafs Mitarbeiter scheinen an NS-Gedankengut angestreift zu haben, wofür Graf die Verantwortung werde wahrnehmen müssen. CAP wiederum erinnerte an den antinationalsozialistischen Grundkonsens und an die politische Verantwortung eines Präsidenten für die Auswahl seiner Mitarbeiter. Diese Verantwortung habe Graf zu tragen und sich einer öffentlichen Debatte zu stellen.

BZÖ-Klubobmann BUCHER sprach von einer PR-Aktion der Grünen und warf ihnen Missbrauch der Geschäftsordnung, zumal die Vorwürfe in der Präsidialkonferenz behandelt wurden und sich Dr. Graf selbst dazu geäußert habe. Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise habe der Nationalrat wichtigere Themen zu diskutieren, meinte Bucher.

Präsident Dr. GRAF betonte, das angesprochene Thema sei ihm wichtig und er wolle sich einer Diskussion darüber nicht entziehen. Da in der Sache mehrere Verfahren anhängig seien, reklamierte Graf aber die Unschuldsvermutung für sich und seine Mitarbeiter. Den Antrag auf eine GO-Debatte wies der vorsitzführende Präsident als nicht geschäftsordnungsmäßig zurück und ging wieder zur Behandlung der Tagesordnung über.

Abgeordneter Dr. SCHÜSSEL (V) schilderte die Dimensionen der größten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, in deren Verlauf bereits mehr als drei Billionen Dollar an Werten vernichtet, einst führende Investment-Banken verschwunden und 18 von 25 EU-Mitgliedsländern in eine Rezession geschlittert seien. Die Budgetdefizite explodierten und niemand wisse, ob die Talsohle schon erreicht oder all dies erst die Vorboten noch größerer Probleme seien. "Europa schützt und nützt", sagte Schüssel und wies auf die enormen Probleme des Nicht-EU-Mitglieds Island und des Nicht-WWU-Mitglieds Ungarn hin - beides Beispiele, die den Wert Europas und des Euro deutlich machten. 

Es sei richtig gewesen, Banken zu stabilisieren, Zinssätze zu senken, der Krise gegenzusteuern und dabei zu achten, dass dabei langfristiger Nutzen geschaffen werde, durch Investitionen in die Nutzung erneuerbarer Energieträger, zur Stärkung der Produktivität und durch Investitionen in der Forschung. Man dürfe aber nicht vergessen, dass die Ursache der Krise eine Kreditblase gewesen sei und man die Folgen der Finanzkrise nun ebenfalls mit Schulden bekämpfe. Schüssel sah die Gefahr einer Verdrängung privater Kreditnehmer durch die öffentliche Hand und hielt es für notwendig, wieder auf den Pfad der Konsolidierung zurückzukehren, um die Überschuldung künftiger Generationen zu verhindern.

Angesichts des kürzlich bewältigten Gaskonflikts zwischen Russland und der Ukraine begrüßte Abgeordneter Schüssel die Absicht, ein europäisches Energiekonzept zu entwickeln, das es den EU-Ländern künftig erlauben soll, einander bei Energiekrisen solidarisch beizustehen.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) bekannte sich als begeisterte Europäerin dazu, die Menschen für all das zu gewinnen, was in einem gemeinsamen Europa möglich sei. Den nationalistischen Konzepten der FPÖ, die Österreich von der EU abkoppeln wollten, erteilte sie eine klare Absage.

Angesichts des politischen Aufbruchs, den der Amtsantritt von Präsident Obama in den USA signalisiere, sah Lunacek die Gefahr, die Europäische Union könnte bei wichtigen Themen gegenüber den USA ins Hintertreffen geraten. Konkret verlangte Lunacek die Voraussetzungen für eine europäische Finanzmarktaufsicht zu schaffen, die Finanzmärkte zu regulieren, Finanzspekulationen zu begrenzen, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen und Steueroasen trockenzulegen. Kritik übte die Rednerin an nationalen Regierungen, die ambitionierte Energie- und Klimaschutzprogramme der EU-Kommission verwässerten und Verschrottungsprämien beschließen, statt in die Forschung zukunftsträchtiger Verkehrssysteme zu investieren.

Für die Aussage, die FPÖ fördere den Rassismus in Europa, erhielt Abgeordnete Lunacek einen Ordnungsruf vom Vorsitz führenden Präsidenten Dr. GRAF.

Abgeordnete Mag. GROSSMANN (S) führte die aktuelle Krise der Weltwirtschaft auf unzureichende Kontrollmechanismen zurück, wodurch nunmehr Kaufkraft, Arbeitsplätze und Wohlstand verloren gehe. Das freie Spiel der Marktkräfte habe versagt, diese Kräfte können nur dann Wohlstand bilden, so Grossmann, wenn sie sich in einem passenden Rahmen entwickeln können. Diese Rahmen zu bilden, sei eine große Herausforderung für die EU. Umso mehr auch deshalb, weil es Anzeichen dafür gebe, dass auch im "Mekka des freien Marktes", in den USA, ein Umdenken einsetze.

Unter Bezugnahme auf historische Wende in den USA setzte die Rednerin auch im Hinblick auf die Nahostpolitik, wo das Leid der Menschen im Gaza-Streifen herzzerreißende Ausmaße angenommen habe, auf Veränderung und Erneuerung. Es gelte auf der Grundlage der diesbezüglichen UN-Resolution, einerseits die Angriffe der Hamas einzustellen und andererseits die Blockade des Gaza-Streifens aufzuheben. Österreich sollte seine erfolgreiche Vermittlertätigkeit im Rahmen der internationalen Organisationen fortsetzen, verlangte Grossmann.

Abgeordnete Dr. PLASSNIK (V) dankte dem Außenminister für seine bisherigen Leistungen und erinnerte u.a. daran, dass Österreich seit dem 1. Jänner Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist.

Damit sei auch eine große Verantwortung verbunden, meinte sie, denn neben Frankreich und Großbritannien sei Österreich nun das einzige andere EU-Land, das in diesem Gremium vertreten ist. Was die europäische Ebene angeht, so stehe die EU vor großen Herausforderungen, war Plassnik überzeugt, denn neben der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise gehe es vor allem um die Weiterentwicklung der inneren Ordnung, wobei der Vertrag von Lissabon einen wichtigen Beitrag leisten wird.

Als weitere wichtige Themen, die die EU-Außenpolitik in der nächsten Zeit bestimmen werden, führte die Rednerin die Ausgestaltung der östlichen Nachbarschaft, die Beziehungen mit der neuen US-Regierung sowie die Verhandlungen über das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der russischen Föderation an. Gleichzeitig dürfe man aber nicht zulassen, dass die europäische Integrationsdynamik im südosteuropäischen Raum nachlässt, warnte die ÖVP-Mandatarin.

Schließlich ging Plassnik auf die aktuelle Situation im Nahen Osten ein, wo sich derzeit eine menschliche, politische und wirtschaftliche Tragödie abspiele. Sie appellierte an den Gesundheitsminister, Maßnahmen zu überlegen, ob und in welcher Form den verletzten Menschen in Palästina medizinische Soforthilfe von österreichischer Seite geleistet werden könne. Zudem müsse endlich eine neue regionale Sicherheitsarchitektur im Nahen Osten entwickelt werden, um eine dauerhafte, umfassende Friedenslösung zu finden.

Niemand in der FPÖ stelle die europäische Gemeinschaft in Frage, erklärte eingangs Abgeordneter Dr. HÜBNER (F), aber die Freiheitlichen schauen sich sehr genau an, wo die EU gut funktioniert und wo sie Fehlentwicklungen macht. Seiner Partei gehe es auch darum, nichts schön zu reden, sondern die Bevölkerung über die Fakten zu informieren. So sei es etwa falsch, dass die derzeitige Finanzkrise nur dank der EU bzw. der Euro-Zone so gut bewältigt werden konnte. Richtig sei vielmehr, dass etwa die Rezession in der Euro-Zone um 0,1 % stärker ausfalle als in den übrigen Ländern, stellte Hübner klar. Euro-Länder wie Portugual, Spanien oder Griechenland sind von der Krise mehr betroffen als Staaten außerhalb der Euro-Zone. Was die Weiterentwicklung der EU angeht, so führte Hübner als Beispiel die Schweiz an, denn sie beweise, dass ein multinationales Gebilde funktionieren könne, aber nur dann, wenn es auf Basis des Volkswillens gegründet ist. Deshalb müsse auch der Lissaboner Vertrag bzw. eine Änderung einer Volksabstimmung unterzogen werden, forderte er.

Obwohl in der heutigen Sitzung vorrangig EU-Themen diskutiert werden sollten, habe man dazu noch wenig gehört, monierte Abgeordneter SCHEIBNER (B). In schwierigen Zeiten wie diesen sollte man sich jedoch ernsthaft darüber Gedanken machen, wo die EU tätig werden sollte und wo in Hinkunft mehr Europa notwendig ist. So warte man etwa noch immer darauf, dass den Spekulationsgeschäften ein strengerer Riegel vorgeschoben, dass eine zumindest befristete Aufhebung der Basel-II-Richtlinien für die Unternehmen beschlossen wird und dass Schritte in Richtung einer gemeinsamen Wirtschafts-,  Energie- und Außenpolitik (z.B. im Nahen Osten) unternommen werden. Was das von Faymann angesprochene Bankenpaket in der Höhe von 100 Milliarden Euro angeht, so bedauerte Scheibner, dass bis jetzt noch nichts passiert sei. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen kämpften ums Überleben, aber der Bundeskanzler wolle noch weiter zuwarten, um die Effizienz der Maßnahmen zu beurteilen.

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass der Reformvertrag von Lissabon doch noch zustande kommt, da dieser eine viele bessere Basis für die Arbeit in der EU darstellt als der Vertrag von Nizza. Angesichts der globalen Wirtschafts- und Finanzkrise erwarte er sich nicht nur weitere Zinssenkungsschritte von Seiten der europäischen Zentralbank, sondern vor allem auch eine Reform der europäischen Finanzmarkt- und Bankenaufsicht sowie eine entsprechende Budgetpolitik der einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Ein kleines Land wie Österreich könne mit solchen Problemen allein nicht fertig werden, dazu brauche es die gemeinsame Kraft und Koordination der europäischen Länder, war Van der Bellen überzeugt. "Wenn es die Union nicht gäbe, dann müssten wir sie erfinden", stellte er in Richtung des Abgeordneten Strache fest.

Auch Abgeordneter Dr. MATZNETTER (S) schloss sich dem Resümee seines Vorredners an und meinte, die EU könne mit dem Spruch, noch nie war sie so wertvoll wie heute, umschrieben werden. Auch Österreich habe – etwa durch die Verabschiedung des Bankenpakets - eindrücklich bewiesen, dass es sehr rasch und sehr gründlich auf die Herausforderungen reagieren könne. Im Vergleich dazu war die Schweiz nicht in der Lage, ein Bankensicherungspaket in einem größerem Umfang zu schnüren, zeigte Matznetter auf. Die Schweizer mussten vielmehr die Amerikaner darum bitten, ihre Großbanken zu retten.

Abgeordneter GRILLITSCH (V) sah die vordringlichste Aufgabe der Politik darin, den Menschen in schwierigen Zeiten die Ängste zu nehmen und Vertrauen zu schaffen. Auch er sei sehr froh darüber, dass Österreich Teil der Europäischen Union ist und dass es eine gemeinsame Währung sowie eine europäische Zentralbank gibt. Dass Österreich damit gut gefahren sei, bewiesen die positiven Zahlen in den Bereichen Exportwirtschaft, Arbeitsmarkt und Landwirtschaft. Ein wichtiges Anliegen war ihm der der Ausbau der Unabhängigkeit in der Energieversorgung, wobei seiner Ansicht nach vor allem in der Biomasse, der Wind- und Solarenergie große Chancen liegen.

Man müsse sich einmal die Frage stellen, wer eigentlich die Finanzkrise verursacht hat und was die EU getan hat, um diese Krise zu verhindern, erklärte Abgeordneter Dr. HAIMBUCHNER (F). Dabei komme man leider zum Schluss, dass die Union gar nichts gegen die internationalen Finanzspekulanten unternommen habe, und zwar auch, weil sie Teil dieses Systems ist. Die FPÖ wolle auch ein starkes Europa, das nicht am Gängelband von Amerika hängt, unterstrich Haimbuchner, aber dieses Europa müsse von den Bürgern getragen werden und es müsse auf die unterschiedlichen Staaten Rücksicht nehmen.

Abgeordneter Ing. WESTENTHALER (B) wies darauf hin, dass der deutsche Außenminister vor kurzem die glorreiche Idee vertreten habe, dass die EU Guantanamo-Häftlinge aufnehmen soll. Das BZÖ verwahre sich vehement dagegen, dass dieses Problem nach Europa und möglicherweise sogar nach Österreich ausgelagert werden soll. Generell vermisse er eine koordinierte Vorgangsweise der EU etwa in Bezug auf die Nahost-Politik oder den Klimaschutz, wo es keine konkreten Maßnahmen gebe. Stattdessen werde aber zum Beispiel eine "Leiter-Verordnung" erlassen, wo festgelegt wird, wie Leitern genau aufgestellt werden müssen. Dies könne nicht im Sinne des europäischen Gedankens sein.

Nicht nur die Amerikaner sehnen sich nach Veränderung, auch die Österreicher hoffen, dass sich endlich etwas bewegt, meinte Abgeordnete Mag. SCHATZ (G). Es sei nämlich schwer, in Österreich einen Job zu finden, und dies gelte vor allem für junge Menschen und für Personen mit geringer Ausbildung. Auch die Zunahme der atypischen Beschäftigungsverhältnisse habe dazu geführt, dass sich immer mehr Menschen in prekären Lebensverhältnissen befinden. Dies liege nicht nur an der Wirtschaftskrise, sondern an der Arbeitsmarktpolitik und am neoliberalen Umbau des Wohlfahrtsstaates in den letzten Jahren, kritisierte Schatz. Die Grünen treten für eine Weiterentwicklung der EU ein sowie für soziale Mindeststandards, für eine gerechtere Verteilung der Einkommen und eine entsprechende Absicherung aller Beschäftigungsverhältnisse.

Die Finanz- und Wirtschaftskrise habe gezeigt, dass die Europäische Union handlungsfähig ist, denn es wurden wichtige Entscheidungen getroffen, urteilte Abgeordneter Mag. MAIER (S). Andererseits gebe es aber auch globale und europäische Fehlentwicklungen, die man kritisieren müsse. Als Beispiel führte er die Schließung der Papierfabrik in Hallein ein, wobei nach Ansicht von Maier kartellrechtswidrige Absprachen dahinter stehen. Es handle sich dabei um eine brutale Marktbereinigung zu Lasten der Arbeitnehmer und der Region, die bedauerlicherweise von der europäischen Wettbewerbsbehörde geduldet wird.

Die EU habe in den letzten Monaten bewiesen, dass sie es auf Basis von gemeinsamem Handeln schaffen kann, einen drohenden Kollaps zu verhindern, führte Abgeordneter HAUBNER (V) aus. Nach anfänglichem Zögern wurden sehr rasch Lösungen gefunden, die Liquidität wieder hergestellt, das Bankensystem wiederbelebt und die größte Zinssenkung durch die EZB durchgeführt. Diese wirkungsvollen Maßnahmen belegen, dass sich ein gemeinsames Europa gerade in schwierigen Zeiten bewährt. In Österreich gehe es nun in erster Linie darum, neben der sozialen Sicherheit auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu garantieren. Ein gesundes Maß zwischen Sparen und Investieren müsse daher gefunden werden.

Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) brachte für seine Fraktion einen Entschließungsantrag betreffend die gleichberechtigte Verwendung der deutschen Sprache auf EU-Ebene ein. Obwohl 100 Millionen EU-Bürger Deutsch als Muttersprache haben, sind 72 % der Originaltexte in der Union in Englisch verfasst und nur 3 % in deutscher Sprache, zeigte der Redner auf.

Abgeordneter PETZNER (B) empfahl zunächst der SPÖ, lieber in den eigenen Reihen für Ordnung zu sorgen, statt über den "großen Teich" zu schauen. Hinsichtlich der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise sei auch er der Meinung, dass diese nur gemeinsam gelöst werden könne. Allerdings solle man nicht vergessen, dass es die "Politik des billigen Geldes" war, die das System an den Abgrund trieb. Die EZB trage daher seiner Meinung nach auch mit Schuld an der Krise. Weiters forderte Petzner noch die Einführung einer europaweiten Spekulationssteuer.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) bemängelte, dass der Bundeskanzler nur sehr wenig europapolitische Themen angesprochen hat. Allerdings sei allen Verantwortlichen klar, dass die Banken- und Finanzkrise, die Wirtschaftskrise und die Energiekrise nur dann gelöst werden können,

wenn die internationalen Institutionen entsprechend zusammenarbeiten.

Abgeordneter SCHOPF (S) merkte kritisch an, dass weltweit über 400 Atomkraftwerke in Betrieb und weitere 30 geplant seien. Für die SPÖ sei die Atomkraft keine Energieform, die zur Lösung des Klimawandels beitrage, sagte er, vielmehr müssten erneuerbare Energieträger die Zukunft sein. Durch die Nutzung alternativer Energiequellen würden auch viele Arbeitsplätze geschaffen. 

Abgeordneter GROSSRUCK (V) setzte sich mit dem Thema "Christenverfolgung" auseinander und beklagte, heute würden mehr Christen verfolgt denn je. Das Parlament und die EU dürften dazu nicht schweigen, mahnte er.

Abgeordneter Dr. KÖNIGSHOFER (F) führte aus, im Baltikum und am südlichen Balkan gebe es die schwersten Volksausschreitungen seit dem Zusammenbruch des realen Sozialismus. Tag für Tag komme es zu Gewalttätigkeiten. Kritik übte er auch an der hohen Zahl von Illegalen in Österreich und Europa, wobei er von "Asylbetrügern" und "Scheinasylanten" sprach. Das zeigt seiner Meinung nach, dass Europa keine Festung ist. Ein von Königshofer eingebrachter Entschließungsantrag zielt auf eine restriktive Einwanderungspolitik der EU ab.

Abgeordneter Mag. DARMANN (B) verwies auf einen Bericht der EU, dem zufolge Kärnten im Bereich der Minderheitenförderung vorbildlich ist. Seiner Meinung nach besteht kein Anlass, Kärnten mit weiteren zweisprachigen Ortstafeln zu "überschwemmen". In dieser Frage wird man ihm zufolge auch nicht um eine Volkssprachenerhebung in Kärnten herumkommen.

Abgeordnete Mag. WURM (S) wies darauf hin, dass der neuen Regierung keine "Schonfrist" eingeräumt worden sei, vielmehr sei sie sofort nach Amtsübernahme mit der Wirtschaftskrise, dem Gasstreit und dem Gaza-Konflikt konfrontiert gewesen. Zum Gaza-Konflikt brachte sie einen Entschließungsantrag ein, in dem die Regierung ersucht wird, bilateral, im Rahmen der EU und durch aktive Mitwirkung im UN-Sicherheitsrat auf einen dauerhaften Waffenstillstand im Gaza-Streifen und rasche humanitäre Hilfe hinzuwirken.

Abgeordneter DONABAUER (V) unterstrich die Bedeutung der europäischen Gemeinsamkeit gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Finanzkrise und sah Österreich aufgerufen, verstärkt seine Ideen in der EU einzubringen.

Abgeordneter NEUBAUER (F) forderte in einem Entschließungsantrag die verpflichtende Abhaltung einer Volksabstimmung über künftige Änderungen der EU-Verträge einschließlich des Lissabon-Vertrages. Ein weiterer Entschließungsantrag, den der Redner namens seiner Fraktion einbrachte, hatte den sofortigen Abbruch der Verhandlungen über einen Vollbeitritt der Türkei im Inhalt.

In seiner Wortmeldung setzte sich Neubauer in diesem Zusammenhang kritisch mit der aktuellen Entwicklung in der Türkei auseinander und meinte insbesondere, trotz massiver finanzieller Hilfeleistungen seitens der Union würden immer noch ungelöste Probleme, etwa die Zypernfrage, der Kurdenkonflikt und die Rolle des Militärs, bestehen, die an der EU-Reife der Türkei zweifeln lassen.

Abgeordneter LINDER (B) forderte eine EU-Politik im Interesse der Bürger und sprach sich als Vertreter der Tourismuswirtschaft für eine Gestaltung der Ferienordnung aus, die den Fremdenverkehrsbetrieben eine längere Saison ermöglicht. In einem Entschließungsantrag forderte er darüber hinaus eine EU-weit koordinierte Erdgas-Bevorratung nach österreichischem Vorbild.

Abgeordnete HAGENHOFER (S) verlangte als Reaktion auf die Finanzkrise eine effizientere Regulierung der Finanzmärkte, aber auch eine stärkere Betonung der Systeme der sozialen Absicherung.

Abgeordneter GLASER (V) wünschte mehr Europa, wobei er feststellte, es brauche vor allem eine handlungsfähige EU im Finanzbereich und in Sachen Energie und Klimaschutz.

Abgeordneter GROSZ (B) deponierte abermals die EU-Kritik seiner Fraktion und warf der Bundesregierung vor, sich lieber im gebückten Gang nach Brüssel zu begeben, als dort österreichische Interessen zu vertreten. Der Redner brachte einen Entschließungsantrag ein, in dem er die Abhaltung einer Volksabstimmung bei Änderungen der EU-Verträge verlangte. Grosz meinte dazu, nur eine stärkere Verankerung von Demokratie in der EU könne die Menschen wieder animieren, auf Europa zu vertrauen.

Abgeordneter MUCHITSCH (S) erinnerte an die nach wie vor bestehenden Lohndifferenzen zwischen Österreich und den neuen Mitgliedstaaten und plädierte für die volle Ausschöpfung der Übergangsfristen bei der Freizügigkeit der Arbeitskräfte.

Abgeordneter WENINGER (S) rief die Regierung auf, auf die Europa-Skepsis der Bevölkerung einzugehen. In einem S-V-B-F-Entschließungsantrag forderte er die gleichberechtigte Verwendung der deutschen Sprache als Verkehrssprache in der EU neben Englisch und Französisch.

Abgeordneter Ing. GARTLEHNER (S) drängte angesichts der Krise auf gemeinsame Investitionen der EU in die Infrastruktur und in den Energiebereich, um wieder eine Konsolidierung der Wirtschaft herbeizuführen.

Abgeordnete Mag. LUNACEK (G) kündigte in einer kurzen Wortmeldung die Zustimmung ihrer Fraktion zum Vier-Parteien-Antrag über die deutsche Sprache an.

Bei der Abstimmung wurde der S-V-B-G-Antrag betreffend die Situation im Nahen Osten ebenso einstimmig angenommen wie der Vier-Parteien-Antrag über die Verwendung der deutschen Sprache in der EU. Die Anträge von FPÖ und BZÖ blieben in der Minderheit.

(Schluss Europadebatte/Forts. NR)