Parlamentskorrespondenz Nr. 1108 vom 11.12.2009

Dringlicher Antrag der Grünen: Mehr Geld für den Klimaschutz!

Nationalratsmehrheit vertraut Umweltminister Nikolaus Berlakovich

Wien (PK) - Mit einem Dringlichen Entschließungsantrag unter dem Titel "Schluss mit der Klimaschutz-Blockade - mehr Geld für Klimaschutz" drängten die Grünen vor dem Hintergrund der Klimaschutz-Konferenz in Kopenhagen auf mehr Engagement der Bundesregierung im Kampf gegen den Klimawandel. Ein Misstrauensantrag der Grünen gegen Umweltminister Nikolaus Berlakovich blieb bei der Abstimmung in der Minderheit und wurde abgelehnt. In der Debatte teilte Vizekanzler Josef Pröll den Abgeordneten mit, die Staatsausgaben für den Klimaschutz sein seit 2005 um 600 % erhöht worden. Österreich befinde sich bei der Treibhausgase-Reduktion auf dem richtigen Weg, zeigte sich Pröll überzeugt. 

Die Österreicher fürchteten sich völlig zu Recht vor den Folgen des Klimawandels, konstatierte hingegen Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G), die Menschen fühlten sich von der Bundesregierungen der letzten 20 Jahre im Stich gelassen. Auch die jetzige Strategie könne nicht funktionieren, da sich die Regierung auf Inserate und Werbekampagnen beschränke, es aber an der Unterstützung klima- und umweltfreundlicher Maßnahmen fehlen lasse.

Die Szenarien seien bedrohlich, warnte die Rednerin und forderte die Regierung auf, endlich seriös auf die internationalen Klimaverpflichtungen Österreichs zu reagieren. Hinweise auf ehrgeizige, aber eklatant verfehlte Ziele Österreichs reichten nicht aus. Statt der angepeilten Reduktion der Treibhausgasemissionen um 13 % wurde ein Plus von 11 % erreicht, kritisierte Glawischnig-Piesczek. "Wann handelt die Regierung und verwendet die Milliarden Euro, die derzeit noch in den Straßenbau oder in den Bau von Gaskraftwerken fließen, zur Forcierung erneuerbarer Energieformen?", fragte die Klubobfrau der Grünen. Sollte beim Klimaschutz nichts unternommen werden und der Gipfel in Kopenhagen ohne Erfolg zu Ende gehen, müsse mit einem globalen Anstieg der Temperaturen um 6 bis 8 Grad bis Ende des Jahrhunderts gerechnet werden. Dies betreffe die Menschen auf anderen Kontinenten zwar stärker als in Europa, aber auch Österreich werde ganz massiv betroffen sein, warnte die G-Mandatarin.

Vizekanzler Josef PRÖLL merkte gegenüber seiner Vorrednerin an, ihre Argumente würden nicht richtiger, auch wenn sie diese immer wieder vorbringe. Denn es sei unbestritten, dass Österreich eine sehr gute Ausgangsbasis beim Klimaschutz aufweise und zugleich eines der ambitioniertesten Ziele der EU (minus 13 %) verfolge. Im Vergleich dazu habe etwa Schweden eine Null-Reduktion in Kyoto ausverhandelt, trotz Beibehaltung der Atomkraftwerke. Von den Grünen völlig außer acht gelassen würden zudem die geopolitischen Veränderungen seit 1989, die Österreich zum Verkehrsknotenpunkt in Mitteleuropa werden ließen. Auch habe Österreich die aktuelle Wirtschaftskrise besser bewältigt, was es nicht leichter mache, die CO2-Reduktionsziele zu erreichen, gab Pröll zu bedenken.

Pröll war überzeugt, dass die Regierung im Bereich des Klimaschutzes auf dem richtigen Weg ist und mehr tue als viele andere Länder. Pröll zählte folgende Maßnahmen auf: massive Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur für den Umstieg von der Straße auf die Schiene; verstärkte Beimischung von Biotreibstoffen; 100 Mio. Euro zur Förderung der "thermischen Sanierung"; Ausrichtung der Wohnbauförderung auf Niedrigenergiestandards; zahlreiche Aktivitäten des Klima- und Energiefonds; Novellen zum Ökostromgesetz; NoVA-Steuerbonus sowie Förderung von Klimaschutzprojekten im In- und Ausland. Insgesamt haben sich die Staatsausgaben für den Klimaschutz seit 2005 um 600 % erhöht, teilte Pröll mit - eine absolut herzeigbare Entwicklung.

Wenn wirklich alles so toll wäre, wie es der Vizekanzler dargestellt hat, frage sie sich, wie Österreich zu dieser katastrophalen Klimabilanz gekommen sei, leitete Abgeordnete Christiane BRUNNER (G) ihre Ausführungen ein. Der Grund liege darin, dass sich seit der Kyoto-Konferenz nichts an der Klimapolitik der Bundesregierung geändert habe und Österreich peinlicherweise zum Klimaschutzschlusslicht in Europa geworden ist. Nun Emissionszertifikate in Osteuropa zuzukaufen sei keine Lösung, mit diesem Geld würden dort Atomkraftwerke unterstützt. Als eine Verschwendung von Steuergeldern beurteilte Brunner die zahlreichen Inserate der Regierung in Sachen Klimaschutz. Die Bevölkerung müsse doppelt zahlen: für die Folgen des Klimawandels und für die Werbung der Regierung, die teure Inserate zur Darstellung ihrer, laut Brunner verfehlten, Politik schalte. Die Regierung habe nicht nur beim Klimaschutz versagt, sondern auch beim Feinstaub, bei den Stickoxiden, beim Gewässerschutz und in der Anti-Atompolitik. Christiane Brunner stellte sie den Antrag, dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft das Vertrauen zu entsagen.

Abgeordnete Petra BAYR (S) informierte zunächst über den heutigen Beschluss des EU-Gipfels, die Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel und bei der Senkung der Treibhaus-Emissionen mit 7,2 Mrd. Euro zu unterstützen. Österreich werde sich daran mit einem Beitrag in der Höhe von bis zu 140 Mio. Euro beteiligen. Bayr wies auf eine Vielfalt an Möglichkeiten hin, den Klimaschutz auf nationaler Ebene voranzutreiben und nannte die thermische Sanierung, für die sie kürzlich ein neues Modell vorgestellt habe. In der zweiten Tranche ab 2010 sollte es keine Beschränkung auf Ein- oder Zweifamilienhäuser mehr geben, das Zuschusskonzept sollte durch eine Kreditvariante ersetzt werden, schlug Petra Bayr vor. Unbedingt reden müsse man auch über die Umweltförderung im Inland, wo Rückstau bei den Anträgen herrsche, sodass sehr viele Betriebe mit guten Projekten nicht zum Zug kommen. Außerdem wünschte sich Bayr ein Bundesklimaschutzgesetz mit klaren Maßnahmen und Zuständigkeiten.

Abgeordneter Hermann SCHULTES (V) sah die heimische Umweltpolitik auf einem guten Weg, hielt die Kritik der Opposition für nicht nachvollziehbar und registrierte hervorragende Ergebnisse einer engagierten Klimaschutzpolitik, die die Grünen nicht schlechtmachen sollten. Es sei nicht akzeptabel, dass sich die Grünen angesichts guter Initiativen auf Blockadepolitik verlegten, schloss der Redner.

Abgeordnete Carmen GARTELGRUBER (F) sah im Klimawandel eine große Herausforderung, die von der Weltgemeinschaft viel zu zögerlich in Angriff genommen werde. Auch Österreich habe hier Nachholbedarf, beschränke sich doch die heimische Klimapolitik auf Lippenbekenntnisse und Sonntagsreden. Dem G-Antrag könne die FPÖ aus prinzipiellen Erwägungen nicht zustimmen, der Handel mit Zertifikaten sei generell abzulehnen, erklärte die Rednerin und brachte einen Entschließungsantrag betreffend Ausstieg Österreichs aus dem Handel mit Zertifikaten ein.

Abgeordneter Robert LUGAR (B) erklärte den Klimaschutz zu einem nationalen Anliegen und forderte den Vizekanzler auf, dieses Thema entsprechend zu forcieren. Man müsse die Strategie ändern, sonst hole man den Rückstand niemals auf, unterstrich der Redner unter Verweis auf die Ausführungen des Ministers zum Thema Energieautarkie. Der Minister bringe hier nichts zustande, die Unzufriedenheit mit seiner Arbeit wachse daher.

Bundesminister Nikolaus BERLAKOVICH plädierte für eine konstruktive Debatte beim Klimaschutz. Alles nur schlechtzureden - wie die Opposition - schade der guten Sache. Man müsse die Erfolge der heimischen Umweltpolitik klar sehen. Der für Landwirtschaft, Umwelt und Wasserqualität zuständige Minister verwies auf den Biolandbau, die Trinkwasserqualität, die Forcierung erneuerbarer Energieträger und auf die Tatsache, dass Österreich atom- und gentechnikfrei sei.

Überdies betonte der Minister die Nachhaltigkeit in der Land- und Forstwirtschaft. Beim Klimaschutz brauche es einen nationalen Schulterschluss, Klimaschutz sei ein globales Anliegen, bei dem alle an einem Strang ziehen müssten. Schließlich votierte das Regierungsmitglied neuerlich für das Ziel einer Energieautarkie, von der Österreichs Umwelt nur profitieren könne, und referierte die einzelnen Schwerpunkte der Politik seines Ressorts. Der Minister kündigte an, auch weiterhin eine offensive Umweltschutzpolitik zu betreiben.

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) warf den Regierungsmitgliedern vor, durch ihre Politik verantwortlich für das Verfehlen der selbst gewählten Klimaziele zu sein. Dies illustrierte die Rednerin anhand der Erhöhung der Pendlerpauschale, womit man den CO2-Ausstoß weiter forciere. Da gleichzeitig der Treibstoffpreis sank, müsse man hier eine negative Klimapolitik orten, meinte, dabei weitere Beispiele anführend, die Rednerin.

Auch Abgeordnete Andrea GESSL-RANFTL (S) sah die Lage auf dem Gebiet des Klimaschutzes kritisch und meinte, die zuständigen Minister seien gefordert, entsprechende Aufholarbeit zu leisten. Man brauche bessere Rahmenbedingungen für klimarelevante Maßnahmen, weitere Schritte müssten gesetzt werden, um für eine positive Beeinflussung der Umwelt zu sorgen, dies sei eine Verpflichtung der heutigen Generation. Man müsse also in Nachhaltigkeit investieren, statt sich international zu blamieren.

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) zeichnete ein dramatisches Bild der Welt angesichts der Klimaproblematik, Kopenhagen sei tatsächlich eine der wichtigsten Konferenzen der jüngeren Vergangenheit. Für politisch unprofessionell hielt es Bartenstein, den Umweltminister mit einem Misstrauensantrag nach Kopenhagen schicken zu wollen. Man müsse sich den Klimaschutz leisten, und man könne ihn sich auch leisten, betonte Bartenstein. Im internationalen Vergleich stehe Österreich gar nicht schlecht da, von einer verheerenden Performance sei man weit entfernt, meinte der Redner, der den Grünen zu mehr Professionalität auf beim Klimaschutz riet.

Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) kritisierte mit scharfen Worten den Handel mit Emissions-Zertifikaten als falsche Politik und gab zu bedenken, in vielen Entwicklungsländern würde das Geld gar nicht dort ankommen, wo es hingehöre. Ziel der österreichischen Umweltpolitik sollte vielmehr die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern sein. Die Finanzierung von Projekten im Ausland mit dem Geld österreichischer Steuerzahler lehnte die Rednerin mit Nachdruck ab und meinte, das Geld sollte sinnvoll im eigenen Land investiert werden, etwa in die thermische Sanierung.

Dem Misstrauensantrag der Grünen konnte sich Belakowisch-Jenewein nicht anschließen. Anlässlich der Kopenhagener Klimakonferenz sei es wichtiger, dem österreichischen Umweltminister den Rücken zu stärken als ihn abzusetzen, argumentierte die Rednerin.

Abgeordneter Rainer WIDMANN (B) äußerte sich ebenfalls skeptisch zum Zertifikatshandel und trat wie seine Vorrednerin dafür ein, das Geld zunächst in Österreich für Klimaprojekte einzusetzen. Er forderte die Regierung auf, ihre Hausaufgaben zu machen, einen klaren Standpunkt gegen die Atomkraft einzunehmen, den Ökostrom wirksam zu fördern und die Forschung in innovative Techniken voranzutreiben.

Abgeordneter Wolfgang PIRKLHUBER (G) warf den Umweltministern der ÖVP Versäumnisse bei der Umsetzung der Kyoto-Ziele vor und stellte fest, Österreich habe den Status eines Umweltmusterlandes schon längst verloren. Er vermisste insbesondere Zukunftskonzepte für die Umweltpolitik sowie für die Entwicklungspolitik und sprach dem Umweltminister das Misstrauen aus.

Abgeordneter Walter SCHOPF (S) plädierte für eine massive Reduktion der CO2-Emissionen, sah aber im Ausbau der Atomkraft den falschen Weg. Sinnvoller wäre es seiner Meinung nach, finanzielle Mittel in die Hand zu nehmen, um die Entwicklungsländer zu unterstützen und ihnen auch die Möglichkeit zu geben, in die Forschung zu investieren. Schopf schlug überdies die Einführung einer Steuer auf Energieproduktion aus Atomkraftwerken und die Verwendung der Einnahmen für den internationalen Klimaschutzfonds vor.

Abgeordneter Oswald KLIKOVITS (V) warf den Grünen vor, die erfolgreiche Politik des Umweltministers schlecht zu reden und immer bloß zu altbekannten Attitüden Zuflucht zu nehmen. Wahr sei vielmehr, dass die Regierung im Umweltbereich sehr viel zu Wege gebracht hat, betonte Klikovits und wies auf die Novelle des UVP-Gesetzes, die Verlängerung des Umweltsenates oder das Umwelthaftungsgesetz hin. Nikolaus Berlakovich habe schon im Burgenland als Landesrat bewiesen, dass er gute Umweltpolitik betreiben kann. Er sei deshalb der beste Garant für eine gute Umweltpolitik auch auf Bundesebene, war für Klikovits klar.

Abgeordneter Werner NEUBAUER (F) drängte auf eine Trendwende in Richtung Energieautonomie Österreichs und forderte in einem Entschließungsantrag eine Novelle des Ökostromgesetzes, die einen stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien sicherstellt.

Abgeordneter Maximilian LINDER (B) rief in einem Entschließungsantrag der Regierung zu Maßnahmen gegen die Errichtung eines italienischen Atomkraftwerks an der österreichischen Grenze auf.

Abgeordneter Peter STAUBER (S) meinte, Österreich gebe zuviel Geld für den Kauf von Emissionszertifikaten aus, und plädierte für mehr Anstrengungen bei der thermischen Sanierung und bei der Förderung der E-Mobilität.

Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) betonte, Ziele erfolgreicher Umweltpolitik könnten nicht das Einbremsen von Wirtschaftswachstum und die Verhinderung des Wohlstands sein, sondern vielmehr eine Entkoppelung des CO2-Ausstoßes vom Wirtschaftswachstum und eine Steigerung der CO2-Effizienz. Österreich verzichte auf Atomstrom und starte überdies von einem sehr hohen Niveau. Deshalb haben wir es nicht so leicht wie andere, unsere Klimaziele zu erreichen, gab Kopf zu bedenken. In Kopenhagen gehe es aber nicht um Österreich, sondern um eine Kraftanstrengung Europas, um China und die USA zum Eingehen von Verpflichtungen zu bringen. Starke europäische Umweltminister seien dabei gefragt, betonte Kopf und bezeichnete in diesem Zusammenhang den Misstrauensantrag der Grünen als unsinnig.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) untermauerte die Kritik seiner Fraktion an der Klimapolitik der Regierung und machte den Umweltminister für das Nichterreichen der Kyoto-Ziele verantwortlich.

Bei der Abstimmung wurden der Dringliche Antrag der Grünen, der Misstrauensantrag sowie die Entschließungsanträge von FPÖ und BZÖ jeweils abgelehnt. (Schluss Dringlicher Antrag/Forts. NR)