Parlamentskorrespondenz Nr. 365 vom 19.05.2010

Krisenursache: Staatsverschuldung oder Spekulation?

Erklärungen des Bundeskanzlers und des Vizekanzlers

Wien (PK) – Vor den heutigen Beschlüssen des Nationalrats über österreichische Beiträge zur Finanzhilfe für Griechenland und zum "Haftungsschirm" der Euro-Länder für die europäische Gemeinschaftswährung informierten Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Josef Pröll die Abgeordneten in Erklärungen über die aktuelle Lage auf den Finanzmärkten und über die Bemühungen der Europäischen Union, Lehren und Konsequenzen aus der Krise zu ziehen. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer eröffnete die 66. Plenarsitzung um 9 Uhr und erteilte zunächst dem Regierungschef das Wort.

Bundeskanzler Werner FAYMANN ging einleitend auf die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedsländern der Eurozone ein und sah Europa vor der Aufgabe stehen, zu einer gemeinsamen Sozial- und Wirtschaftspolitik zu kommen. Faymann begrüßte eine europäische Wirtschaftsregierung, die gemeinsame Bedingungen schaffe, die Finanzmärkte reguliere, die Haushaltskontrolle verbessere, eine europäische Ratingagentur einrichte, die Finanzmarktaufsicht verbessere und die Hedgefonds unter die Lupe nehme. Entscheidungen darüber, wie die Gewichte bei der Konsolidierung des Haushalts verteilt werden sollen, wie man sozial gerecht sparen und zugleich in Bildung und Arbeitsplätze investieren könne, soll aber weiterhin der österreichische Nationalrat zu entscheiden haben, hielt der Bundeskanzler fest. 

Ob der Haftungsschirm für den Euro die gemeinsame Währung auf Dauer absichern und verhindern könne, dass sich Krisen in alle Zukunft wiederholten, hänge davon ab, ob die richtigen Konsequenzen aus der Krise gezogen werden. Faymann verlangte eine Finanztransaktionssteuer, eine stärkere Finanzmarktaufsicht, eine europäische Ratingagentur, ein Verbot für Leerverkäufe und klare Regeln für die Finanzmärkte. Noch sei es nicht so weit, sagte der Bundeskanzler, betonte aber die Entschlossenheit der Bundesregierung, sich dafür in der EU einzusetzen.

Mehr noch, Faymann schlug vor, die Bürger Europas einzubeziehen und das neue Instrument der europäischen Bürgerinitiative zu nützen, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Meinung über Spekulanten und die Regulierung der Finanzmärkte zu äußern. Auf den einstimmigen Beschluss des Nationalrats für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zeigte sich der Bundeskanzler stolz. Nun gelte es, diese Steuer mit einer Qualität einzuführen, die geeignet sei, die Schäden zu beseitigen, die die Krise angerichtet habe. Denn es gehe nicht an, nur Haftungen zu übernehmen ohne Konsequenzen zu ziehen, um eine Wiederholung der Krise zu verhindern.

Österreich habe beim Ausbruch der Krise richtige Entscheidungen getroffen, habe die Konjunktur unterstützt und damit Erfolge beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit erreicht. "Wir sind aber noch nicht durch die Krise", sagte Faymann, "viel sei noch zu tun", wobei er Möglichkeiten nützen wolle, im eigenen Land zu einer gerechten Vorgangsweise bei der Budgetkonsolidierung zu gelangen. Der Bundeskanzler warnte vor der Ansicht, was auf europäischer Ebene nicht funktioniere, brauche man im eigenen Land nicht zu tun. "Wir brauchen alle Ebenen, um die Krise zu bewältigen", schloss Bundeskanzler Faymann.

Auch Vizekanzler Josef PRÖLL hielt fest, die Krise sei noch nicht vorbei und sah die Politik weiter gefordert. Pröll unterstrich die Dramatik der Situation, indem er die deutsche Bundeskanzlerin Merkel zitierte: "Stirbt der Euro, dann stirbt Europa". Daher gebe es keine Alternative zur Hilfe für Griechenland und zum Haftungsschirm für die Stabilisierung der Gemeinschaftswährung. Diese Maßnahmen seien im unmittelbaren Interesse Österreichs, das bei einem Auseinanderbrechen der Eurozone mit Exportverlusten von bis zu 40 Mrd. € und hunderttausenden Arbeitslosen rechnen müsste.

Der österreichische Beitrag zum Euro-Haftungsschirm bedeute kein frisches Geld aus dem Bundeshaushalt, die Haftungsübernahme stelle eine Umschichtung von 15 Mrd. € aus dem Bankenpaket dar.

In seinen weiteren Ausführungen setzte sich der Vizekanzler und Finanzminister mit den Ursachen der Krise auseinander und meinte, es sei die Staatsverschuldung, die den Nährboden für Angriffe von Spekulanten auf die Gemeinschaftswährung bilde. Diesen Nährboden gelte es den Spekulanten zu entziehen, sagte Pröll, trat aber zugleich dafür ein, Spekulanten stärker an die Leine zu nehmen. Die jüngsten Entscheidungen für Hedgefonds nannte Pröll daher einen großartigen Erfolg.

Den vierjährigen Finanzrahmen, der dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorliege, sah der Finanzminister als einen Weg für ganz Europa, um aus der Staatsverschuldung herauszukommen. Zudem sprach sich Pröll für einen stärkeren Durchgriff auf die Haushalte und mehr Wirtschaftskoordination in der Eurozone aus. Dabei müsse die EU-Kommission stärker mit Sanktionen ausgestattet werden. Zudem verlangte Pröll eine Regulierung der Hedgefonds, ein Verbot für Leerverkäufe und von CDS auf Staatsanleihen, eine stärkere Finanzmarktaufsicht sowie eine Finanztransaktionssteuer auf EU-Ebene. Für all diese Entscheidungen dränge die Zeit, sagte Pröll, der Bundeskanzler Faymann darin recht gab, dass es trotz stärkerer Wirtschaftskoordination in Europa weiterhin die Möglichkeit einer eigenen Wirtschaftssteuerung in Österreich geben müsse. Optimistisch stimme ihn die Tatsache, dass sich Europa zuletzt als sehr handlungsfähig erwiesen habe, schloss Vizekanzler Josef Pröll.

Abgeordneter Josef CAP (S) würdigte den erfolgreichen Einsatz der Bundesregierung für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der Europäischen Union und appellierte an die Oppositionsparteien, angesichts der dramatischen Situation auf den Finanzmärkten weniger an sich selbst und mehr an Österreich zu denken.

Lob spendete Cap dem Vizekanzler, der sich für richtige Schritte bei der Regulierung der Hedgefonds eingesetzt habe. Es sei notwendig, den Euro stabil zu halten, im Interesse der Produktion, der Unternehmen und der Arbeitsplätze in Österreich. Diese Bemühungen müssten aber weiter gehen und auch in Drittländern umgesetzt werden, denn es gehe nicht an, dass "superschlaue Investmentbanker" riesige Gewinne machten und dabei alle Risiken auf die SteuerzahlerInnen abwälzten.

Die Finanztransaktionssteuer will Josef Cap lieber eine "Antispekulationssteuer" nennen, mit der fleißige Unternehmer und tüchtige ArbeitnehmerInnen unterstützt und gefördert werden sollen. Trocken legen will Cap auch alle Steueroasen, egal ob sie sich in der Karibik, auf den Cayman-Inseln oder etwa in der Schweiz befinden, wo griechische Milliardäre 16 Mrd. € an Schwarzgeldern veranlagt haben, wie der SPÖ-Klubobmann ausführte. Es sei hoch an der Zeit, der globalen Steuerflucht entgegenzuwirken. Griechische MilliardärInnen, die sich auf Kosten des Staates bereichert haben, will Cap vor Gericht sehen.

Vehement trat der Redner der neoliberalen Auffassung entgegen, der Sozialstaat, das Gesundheitssystem oder das Pensionssystem seien an der Krise schuld. "Wir haben nicht über unsere Verhältnisse gelebt", sagte Josef Cap. Es gelte vielmehr, die Finanzmärkte zu regulieren, damit die reale Wirtschaft wieder funktionieren und produzieren könne. Die Hilfe für Griechenland, ein wichtiger Handelspartner, liege im Interesse Österreichs, hielt der SP-Klubobmann fest und drängte darauf, die richtigen Konsequenzen aus der Krise zu ziehen.

Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) sah demgegenüber die Schuldenpolitik als Ursache der Finanzkrise und meinte, auch Österreich habe in der Vergangenheit über seine Verhältnisse gelebt. Die Kritik Josef Caps an der Schweiz wies Kopf zurück und machte darauf aufmerksam, dass das Nachbarland durch seine Währungsreserven maßgeblich zur Stabilisierung des Euro beitrage.

Spekulanten haben die Krise laut Kopf vergrößert, dennoch gebe es keine Alternative zur Griechenlandhilfe und zur Eurostabilisierung, wie etwa die FPÖ glauben machen wolle, weil der Schaden für Österreich wesentlich größer wäre als seine Beiträge zur Stabilisierung ausmachten.

Man müsse ehrlicherweise zugeben, dass auch die österreichische Budgetsituation nicht unproblematisch sei. Trotz einer Steuer- und Abgabenquote von 43 % könne Österreich seine Staatsausgaben nicht aus den Einnahmen bedecken, sagte Kopf und wies auf die hohen Schulden der ÖBB und die hohe Sozialquote hin.

Auch der ÖVP-Klubobmann bekannte sich zu einer wirksamen Budgetkonsolidierung, zur Kontrolle der Finanzmärkte und zur Einrichtung einer europäischen Ratingagentur. Er verlangte eine Regulierung der Hedgefonds, eine Entschleunigung der Finanzmärkte und meinte, dazu könne auch eine Finanztransaktionssteuer einen Beitrag leisten. Die Reparaturkosten der Krise werden aber alle, also neben Banken und Spekulanten auch die BürgerInnen tragen müssen. Es wäre nicht seriös zu sagen, mit ein paar Maßnahmen gegen Reiche und Spekulanten könne man das Budget sanieren. Wer die Ursache der Krise, die Staatsverschuldung überwinden wolle, müsse zu Strukturreformen und zu ausgabenseitigen Maßnahmen bereit sein. Zugleich plädierte Kopf für Zukunftsinvestitionen in Bildung, Forschung und neue Technologien, um jenes Wachstum zu sichern, das Wohlstand schaffe.

Abgeordneter Heinz-Christian STRACHE (F) zeigte sich peinlich berührt von den Ausführungen des Vizekanzlers, der noch vor wenigen Tagen von der ernstesten Krise seit den dreißiger Jahren gesprochen habe, heute aber versuchte, Optimismus zu verbreiten. Strache zeigte sich empört darüber, dass griechische MilliardärInnen auf Kosten der österreichischen SteuerzahlerInnen saniert werden sollen und zog den mythologischen Vergleich zur griechischen Unterwelt, wo die Danaiden damit bestraft wurden, Wasser in ein löchriges Fass zu schöpfen. Was haben die österreichischen Steuerzahler verbrochen, um so schwer bestraft zu werden, fragte Abgeordneter Strache. Zähle man die 2,3 Mrd. € für die Griechenlandhilfe, die 15 Mrd. € Haftungen für die Eurostabilisierung und die 4 Mrd. € für den Beitrag der Nationalbank zusammen, ergeben sich 21,3 Mrd. € zulasten der SteuerzahlerInnen, rechnete der Klubobmann vor und sprach die Befürchtung aus, auch die vorgesehenen Haftungen könnten schlagend werden.

"Kein einziger griechischer Bürger wird auch nur einen Euro bekommen, der mit diesem Hilfspaket beschlossen werde", kritisierte Strache weiter und erinnerte daran, dass Spekulanten und Milliardäre, die an der griechischen Krise verdienten, mit österreichischem Steuergeld saniert würden. Generell warf der FPÖ-Klubobmann der Bundesregierung vor, gemeinsam mit der europäischen Union zu versuchen, die Folgen der Krise und die Spekulationsverluste auf die BürgerInnen abzuwälzen.

Was der Bundeskanzler heute eingeräumt habe, die großen Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedsländern der Eurozone, habe die FPÖ bereits beim Beitritt Österreichs zum Euro als ein Hauptproblem der neuen Währung erkannt. Die Krise habe den Mythos der versprochenen  starken europäischen Währung nun zerstört. Der Euro sei eine Kopfgeburt, die der Realität nicht standhalte, sagte Strache und verlangte, "einen Schnitt zu machen", um ein Abgleiten in eine Hyperinflation zu vermeiden. Entschieden wandte sich Klubobmann Strache schließlich gegen Pläne zur Einrichtung einer europäischen Zentralplanung.

Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) behauptete, zur Bewältigung der gravierenden Krise brauche man mehr, nicht weniger Europa, und zwar vor allem ein besseres Europa. Dazu seien die beschlossenen Euro-Rettungspakete unabdingbar notwendig, um einen finanziellen Flächenbrand hintanzuhalten. Allerdings brauche es auch entsprechende Begleitmaßnahmen. Die Politik dürfe an dieser Stelle nicht länger nur Versprechungen machen, sie müsse endlich entschlossen handeln, um den Vertrauensverlust, den sie in der Bevölkerung bereits hinnehmen müsse, nicht noch substanzieller werden zu lassen.

Daher dürfe man sich nicht auf reine Symptombekämpfung beschränken, sondern müsse an die Ursachen gehen. Dem Raubtierkapitalismus müsse ein Riegel vorgeschoben werden, sonst werde sich die Situation nur allzu bald wiederholen, warnte die Rednerin, die sich von der Regierung adäquate Initiativen erwartete. Die Finanzmärkte müssten reguliert werden, eine Finanztransaktionssteuer allein wäre dabei zu wenig, hielt die Abgeordnete fest, die weiters meinte, zur Not müsse Österreich auf diesem Gebiet einen Alleingang machen, wobei es vor allem um eine effiziente Finanzmarktaufsicht gehe. Gerade an dieser Stelle müssten jetzt dringend Nägel mit Köpfen gemacht werden, sonst würden Europa und das Vertrauen der BürgerInnen in dieses so wichtige Projekt weiter geschwächt.

Abgeordneter Josef BUCHER (B) wies darauf hin, dass der in Rede stehende Betrag von 750 Mrd. € beinahe das gesamte Budget des Landes ausmache. Der Finanzminister mache hier leichtfertig Versprechungen, so als hätte man das Geld abgeschafft. Die Regierung denke nur an die Banken, das BZÖ aber denke an die heimischen SteuerzahlerInnen und müsse gerade darum einer solchen Politik, wie sie von der Regierung vertreten werde, eine entschiedene Absage erteilen.

5,7 Mrd. € gebe Österreich für die Griechenland-Hilfe, und das zu einem Zeitpunkt, da die Lage im Land selbst alles andere als entspannt sei. Hier werde ein bedrohlicher Kreislauf in Gang gesetzt, man müsse mit Steuererhöhungen rechnen, die einen schwindlig werden ließen, und das hätten sich die SteuerzahlerInnen nicht verdient. Vielmehr müsse der europäische Finanzmarkt endlich einmal gezähmt und entsprechend kontrolliert werden. Es müssten endlich jene zur Kasse gebeten werden, die diese Krise verursacht hätten, anstatt weiter die SteuerzahlerInnen zu schröpfen, unterstrich der Mandatar. Banken und Spekulanten dürften nicht länger machen, was sie wollten, die Politik müsse wieder ihre Aufgabe wahrnehmen, und dazu brauche es vor allem Mut zur Wahrheit.

Abgeordnete Christine MUTTONEN (S) sagte gleichfalls, die Verursacher der Krise müssten zur Verantwortung gezogen werden. Das gelte auch für Kärnten, wo das BZÖ und die jetzige FPK die dortige Krise verursacht hätten. Die Finanzmärkte müssten effizient kontrolliert werden, es brauche eine wirksame europäische Finanzmarktaufsicht und ein generelles Verbot spekulativer Geschäfte. Hier müsse die Politik rasch und ohne Aufschub gesamteuropäisch agieren. Europa stehe vor großen Herausforderungen, und denen müsse sich die Politik stellen, wobei sie auf soziale Gerechtigkeit keinesfalls vergessen dürfe. Schließlich brachte die Rednerin einen Entschließungsantrag betreffend rasche Einführung der europäischen Bürgerinitiative ein.

Abgeordneter Wolfgang SCHÜSSEL (V) erklärte, der Euro sei der sichtbare Zusammenhalt der europäischen Staaten, und so sei es nicht verwunderlich, dass die BürgerInnen an dieser Stelle viele Fragen hätten. Gerade in diesem Lichte sei es wichtig, die Griechenland-Hilfe an dieser Stelle zu leisten, denn dazu gebe es im Augenblick keine Alternative. Damit seien die Probleme freilich noch nicht gelöst, aber man habe Zeit für eine realistische Lösung der Grundprobleme gewonnen. In dieser entscheidenden Phase der politischen Entwicklung seien Unkenrufe nicht zweckdienlich. Man müsse entschlossen an einem Strang ziehen, eine pessimistische "Kakophonie" gelte es dabei zu unterlassen. Vielmehr brauche es klare einheitlich-europäische Maßnahmen, denn wenn Europa in einer solchen Situation nicht geschlossen agiere, werde man des Problems nicht Herr werden.

Abgeordneter Norbert HOFER (F) sagte, das Geld, das nun nach Griechenland geschickt werde, werde nicht zur Zahlung von Gehältern verwendet, sondern zur Bedienung von Kreditzinsen. Doch den Banken wolle seine Fraktion nicht helfen. Vielmehr müssten Griechenland die Schulden erlassen werden, denn das würde Griechenland wirklich helfen. Das freilich würde die Banken treffen, doch diese seien ganz einfach zu groß geworden, man müsse ihrem Tun endlich einen Riegel vorschieben. Kritik übte Hofer an der Regierung, die den BürgerInnen seit 15 Jahren eine Vielzahl an Versprechungen gemacht habe, die allesamt nicht gehalten hätten. Das reiche von der seinerzeitigen Behauptung, der Schilling werde bleiben, bis zu der Tatsache, dass die BAWAG just an einen Hedgefonds verkauft wurde. Die Spekulanten säßen mithin auch in den Reihen der Regierung selbst. Die Regierung sei also nicht die Lösung der Probleme, sie sei vielmehr Teil der Ursache dieser Probleme.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) hielt hingegen fest, dass in die BAWAG-Rettung keine Steuergelder geflossen seien, was in Kärnten wohl nicht der Fall sein werde. Das dortige Fiasko habe die "blau-orange Truppe" zu verantworten. Die Pro-Kopf-Schuldenstände seien in Kärnten höher als in Griechenland, es stünde diesen Parteien daher wohl an, an dieser Stelle nobel zu schweigen. Es brauche Mut und Willenskraft, um die Krise in Europa zu überwinden. Dazu sei die Wiedererringung des Primats der Politik über die Märkte unabdingbar. Alles andere wäre fatal, warnte Kogler, gehe es hier doch um nicht weniger als die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt. In diesem Sinne stellte der Redner einen Entschließungsantrag betreffend rasche Einführung einer Börsenumsatzsteuer in Österreich.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) fragte den Bundeskanzler, was dessen Vorstellung von Gerechtigkeit sei, wenn man sich ansehe, welche Maßnahmen führende SozialdemokratInnen setzten, wenn sie an den Schalthebeln säßen. Konkret erinnerte der Redner an Brigitte Ederer, die tausende ArbeiterInnen entlasse, und an Wolfgang Ruttenstorfer, der mit Spritpreiserhöhungen den BürgerInnen zusätzlich das Geld aus der Tasche ziehe. Sehe so die Gerechtigkeit der Sozialdemokratie aus? Die Regierung forderte der Abgeordnete auf, die Wahrheit zu sagen. Zudem sei es unglaubwürdig, dass man im Handumdrehen ein Rettungspaket für Griechenland schnüren könne, in Österreich aber kein Budget zustande bringe. Die Regierung sei gehalten, sich der ÖsterreicherInnen anzunehmen, denn Josef Pröll sei nicht Finanzminister von Griechenland, Europa oder Disneyland, sondern von Österreich und habe sich daher der Probleme der ÖsterreicherInnen anzunehmen, schloss der Mandatar, der schließlich noch meinte, ein Bürgerbegehren brauche man vielmehr für grundlegende Fragen wie die massive Besteuerung der Manager-Boni oder die Griechenland-Hilfe, denn die Menschen hätten ein Recht darauf, wirklich eingebunden zu werden.

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) machte gegenüber der oppositionellen Kritik geltend, dass mit den Haftungen für Griechenland auch die nationale Währung, nämlich der Euro, gegenüber dem Großangriff von Spekulanten verteidigt worden ist. Der Euro ist das Sparvermögen der BürgerInnen, sagte Matznetter, und man könne daher nicht zuschauen, dass die Währung insgesamt unter Druck gerät. Matznetter erinnerte auch an die Asienkrise, als ein Land nach dem anderen zu straucheln begann, bis Japan richtig gehandelt und dem Angriff stand gehalten haben. Die gleiche Stärke habe man 2009 gezeigt, als gegen die Ostgeschäfte der österreichischen Banken spekuliert wurde. Diese Stärke müsse man auch in Zukunft zeigen, betonte der Redner, nur dann werde man unsere Währung, unseren Wirtschaftsraum und unser Europa verteidigen können.

Ähnlich argumentierte Abgeordneter Werner AMON (V) in Richtung FPÖ. Es gehe darum, das Ruder herum zu reißen, und das sei dem Finanzminister in der kritischen Sitzung gemeinsam mit den anderen FinanzministerInnen gelungen. Minister Pröll habe auch durchgesetzt, dass man nicht gleich Euros auf den Weg schickt, sondern Haftungen übernimmt. Dem von der FPÖ vorgeschlagenen Schuldenerlass erteilte Amon eine klare Absage, denn das würde den Verlust von 40 Mrd. € für die österreichischen Banken bedeuten, was äußerst negative Auswirkungen auf das Budget hätte. Der Schutzschirm diene dazu, die Stabilität abzusichern. Es sei in Zukunft notwendig, stellte Amon fest, die Budgets in Ordnung zu bringen und nicht weiter über die Verhältnisse zu leben. In Zukunft werde man mehr Europa brauchen, folgerte Amon abschließend.

Abgeordneter Herbert KICKL (F) vertrat die Auffassung, das Experiment Euro sei gescheitert. Man habe den Euro fälschlicherweise an den Beginn einer Entwicklung gestellt, anstatt an das Ende einer solchen. Er, Kickl, hätte sich erwartet, dass Bundeskanzler und Finanzminister heute dieses Scheitern eingestehen. Beide vollführten aber einen finanz- und wirtschaftspolitischen Amoklauf, meinte Kickl. 22 Mrd. € würden verpulvert, denn kein einziger Cent davon käme bei den Leuten in Griechenland an. Vielmehr würden nur Banken und Spekulanten kassieren, die die Krise verursacht haben.

Damit werde Neoliberalismus pur betrieben.

Abgeordneter Alexander VAN DER BELLEN (G) stellte die Kritik an der deutschen Bundeskanzlerin Merkel an den Beginn seiner Ausführungen. Sie habe Europa mit Rücksicht auf die Wahlen in Nordrhein-Westfahlen

vier Monate lang hingehalten und damit innen- und europapoltisch an Statur verloren. Der Pakt selbst fand die Zustimmung Van der Bellens, der auf dessen positive Wirkung hinwies. Gleichzeitig machte er aber auf neue Probleme aufmerksam, die sich im Zuge dessen auftun. Die Kreditgeber seien nämlich nun davon überzeugt, dass ein Staat nicht bankrottgehen kann, womit die Disziplin auf dem Kapitalmarkt verloren gehe, warnte er. Mit dem Pakt bekomme Griechenland und damit der Rest Europas lediglich eine Atempause. Er selbst habe immer die Auffassung vertreten, dass man Griechenland durchaus in ein Default hätte schicken können, auch wenn er sich über die Risiken einer solchen Handlungsweise bewusst sei. Er sei aber erschüttert, wie wenig man über die tatsächliche Gläubigerstruktur von Griechenland weiß. Das seien zu 60 % Banken und der Rest Fonds, vor allem Pensionsfonds, was bedenklich sei.

Van der Bellen vermisste seitens der Regierung die Antwort auf zwei Fragen: Einerseits wo man im Budget plant, wachstumspolitische Impulse zu setzen, andererseits sollte eine politische Frage geklärt werden, und zwar warum der Dollar gegenüber dem Euro völlig unberechtigt als sichere Währung gilt. Den Grund sah Van der Bellen darin, dass es in Europa keine Wirtschaftsregierung gibt und keinen direkt gewählten Präsidenten und dass hier regionale RegierungschefInnen das Sagen haben. Der Behebung dieses Strukturfehlers müsse man sich ohne Scheuklappen widmen, appellierte er.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) kam auf die Aussage des Bundeskanzlers zurück, wonach nicht alle Euro-Länder die gleichen ökonomischen Voraussetzungen hätten. Damit habe der Kanzler bestätigt, dass die Einführung des Euro ein Schwindel gewesen sei. Er kritisierte auch scharf, dass nach Aufkommen der Finanz- und Wirtschaftskrise seit zwei Jahren Konsequenzen diskutiert werden, jedoch bislang nichts geschehen ist, weil die Briten dagegen waren, obwohl die Frage nicht dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegt. Der Grund sei darin zu suchen, meinte Stadler, dass 80 % der Fonds in Großbritannien gemanagt werden, die ihr Geschäft zu Lasten des Euro gemacht haben. Die nun im Rat vereinbarten Regeln hielt Stadler für völlig unzureichend. Die Zeche würden die SteuerzahlerInnen zu begleichen haben, befürchtete er und brachte einen Entschließungsantrag betreffend ein "dringend notwendiges Geld-Schutz-Paket" ein. Darin werden eine europaweite Spekulationssteuer, die Einrichtung eines Euro-Stabilisierungsfonds, die Einführung einer europäischen Ratingagentur, die Schaffung einer gesamteuropäischen Finanzmarktaufsicht und klare Sanktionsmechanismen bei Verstößen gegen den Stabilitätspakt gefordert.

Abgeordneter Hannes WENINGER (S) zeigte kein Verständnis für die Reaktion der Opposition, zumal ganz Europa bemüht sei, die Lehren aus der Wirtschaftskrise zu ziehen und Arbeitsplätze zu sichern. Man tue alles, um den Schaden zu begrenzen und der Bevölkerung klar zu signalisieren, dass das, was passiert ist, nicht wieder passieren darf und dass die Verursacher der Krise nicht profitieren dürfen. Das Dogma "mehr privat, weniger Staat" sei sowohl gesellschaftspolitisch, als auch finanzpolitisch gescheitert, stellte Weninger fest. Bei der Griechenlandhilfe handle es sich um ein Signal an die griechischen BürgerInnen, aber auch um die Stärkung der europäischen Idee.

Abgeordnete Gabriele TAMANDL (V) bezeichnete die Reaktion der FPÖ als scheinheilig, denn diese verschweige den ÖsterreicherInnen, was alles am Euro dranhängt. Ohne Hilfe an Griechenland würden die Exporte einbrechen und damit Arbeitsplätze verloren gehen, sagte sie. Sie plädierte weiters dafür, zu sparen und das Budget zu sanieren. Die Forderung der FPÖ, Fremdwährungskredite für Private wieder zuzulassen, würde ihrer Meinung nach in ein Desaster führen. 

Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) vertrat die Auffassung, der Rettungsschirm werde Österreich auf den Kopf fallen. Stattdessen hätte man eine Gläubigerkonferenz einberufen müssen und die Banken zur Verantwortung ziehen sollen. Vilimsky hätte es auch für besser befunden, Griechenland aus dem Euro zu entlassen, denn die Drachme wäre dann schwach gewesen und hätte damit die Exporte und den Tourismus angekurbelt.

Abgeordneter Wilhelm MOLTERER (V) beschwor den Grundkonsens, dass es nicht so weitergehen könne wie bisher. Die Politik des Augenzwinkerns und des Leserbriefschreibens müsse ein Ende haben, betonte Molterer. Eine Regelung der Hedge-Fonds und eine Finanztransaktionssteuer sei nur auf europäischer Ebene möglich. Er befürwortete mehr Kontrolle und Sanktionsmechanismen der EU gegenüber den nationalen Budgets, machte aber gleichzeitig darauf aufmerksam, dass man auch selbst so handeln müsse, wie man es von anderen verlange. Ein Augenzwinkern in der Schuldenpolitik könne sich Österreich daher nicht mehr leisten. Mehr Staat habe immer auch mehr Schulden bedeutet, bemerkte Molterer gegenüber Abgeordnetem Weninger. Die entscheidende Frage sei, wie man die Schulden abbaut. Molterer war überzeugt davon, dass nur der aus der Krise gestärkt hervorgeht, der ausgabenseitig spart.

Abgeordneter Martin STRUTZ (o.F.) hielt die Ausführungen von Klubobmann Cap für zynisch, denn freuen könnten sich nur die Banken, denen das Risiko genommen wird, die Spekulanten, die nicht haften, die griechischen WählerInnen und die Verantwortlichen auf EU-Ebene, die keine Rechenschaft ablegen müssten. Die Suppe hätten aber die österreichischen SteuerzahlerInnen auszulöffeln. Bei der Einführung des Euro sei europaweit getrickst worden, von einer stabilen Währung sei weit und breit nichts zu sehen, sagte Strutz. Die Regierung habe die ÖsterreicherInnen belogen und hinters Licht geführt. Mit dem Paket rette man die Banken und Großverdiener, Länder wie USA, Schweiz und Großbritannien, deren Banken und Fonds zur Krise beigetragen haben, würden nicht zur Verantwortung gezogen. Das spekulative Wirtschaften habe weiterhin keine Konsequenzen, kritisierte Strutz und verlangte, dass diejenigen, die verdient haben, auch die Risiken tragen sollten. Der Zusammenhang zwischen Haftung und Verantwortung dürfe nicht durchbrochen werden. Strutz befürchtete, dass auf die ÖsterreicherInnen ein riesiges Belastungspaket zukommt.

Am Schluss der Debatte wurde der Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Cap (S), Fritz Neugebauer (V) und Alexander Van der Bellen (G) betreffend Umsetzung der europäischen Bürgerinitiative mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen angenommen.

In der Minderheit blieben der Entschließungsantrag der Abgeordneten Eva Glawischnig-Piesczeck (G) betreffend Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer sowie der Entschließungsantrag des Abgeordneten Josef Bucher (B) betreffend ein dringend notwendiges Geldschutzpaket.  (Schluss)