Parlamentskorrespondenz Nr. 482 vom 17.06.2010

Die neue Mittelschule als Bildungsbewegung

Unterrichtsministerin Schmied in der Fragestunde des Nationalrats

Wien (PK) -  Die heutige Sitzung des Nationalrats wurde mit einer Fragestunde mit Unterrichtsministerin Claudia SCHMIED eröffnet. Die Fragen der Abgeordneten bezogen sich sowohl auf grundsätzliche bildungspolitische Themen als auch auf Details der Schul- und Bildungspolitik sowie der öffentlichen Büchereien und der Museen.

Abgeordneter Elmar MAYER (S): Was sind die Eckpunkte des bildungspolitischen Gesamtkonzepts?

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Bildung sei der Schlüssel zum Erfolg, stellte Ministerin Claudia SCHMIED einleitend fest. Bildung müsse aber auch einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten, der Wohlstand Österreichs werde "in den Klassenzimmern entschieden". Es gehe um Qualität und Leistung, um eine neue Aus- und Weiterbildung der LehrerInnen und Lehrer – die Konzepte dafür würden Ende des Jahres vorliegen – und um eine Entwicklung der Schulverwaltung in Richtung einer selbständigen und selbstverantwortlichen Schule. Bei ganztägigen Betreuungsformen brauche es einen Plan, der ein Neu-Aufsetzen der Tagesbetreuung, eine Flexibilisierung der Öffnungszeiten und die Kooperationen mit Partnern wie Vereinen und Musikschulen umfasse. Entsprechende Gespräche liefen derzeit sehr intensiv. Jedenfalls solle es in jedem Bezirk ein ganztägiges Angebot geben. Im Herbst werde sie entsprechende Pläne vorlegen, sagte Schmied. Auf schulische Probleme von Zuwandererkindern angesprochen, stellte die Ministerin klar, dass die betroffenen Kinder vielfach aus sozial schwachen Familien kämen. Die Beherrschung der deutschen Sprache sei der Schlüssel zum Bildungserfolg, weshalb zusätzliche Föderungen nötig seien.

Bezüglich der gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14-Jährigen sei es für Verhandlungen noch "zu früh", sagte Schmied; sie erwarte in dieser Frage "die Position der ÖVP". Es sei aber wichtig, die 320 Standorte derartiger Schulen ab Herbst in ganz Österreich nicht als Schulversuch, sondern als "Bildungsbewegung" zu sehen. Auf eine Zusatzfrage betreffend Hochbegabtenförderung bekannte sich die Ressortchefin zur Exzellenz, betonte aber auch, dass Spitzenleistungen eine breite Basis brauchten.

Abgeordneter Werner AMON (V): Wann werden – unabhängig von den laufenden Versuchen zur neuen Reifeprüfung – die erforderlichen Vorarbeiten für den Regelbetrieb der zentralen Reifeprüfung an den AHS, wie etwa Leistungsprüfungsverordnung, Lehrplanverordnung, überarbeitete Schulbücher etc., abgeschlossen sein?

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Es handle sich dabei um ein Großprojekt, sagte die MINISTERIN, und dieses Projekt brauche Kommunikation und Information. Derzeit seien 280 AHS in die Erprobungsphase eingebunden. Als zentralen Punkt nannte Schmied die Einführung von Bildungsstandards und, damit zusammenhängend, die Etablierung einer wertschätzenden Feedback-Kultur. Eindeutig ablehnend steht die Ministerin der Einführung externer PrüferInnen gegenüber, LehrerInnen müssten auch in Zukunft als Lehrende und Prüfende aktiv bleiben. In die Arbeit an Bildungsstandards seien auch die Universitäten einbezogen, etwa hinsichtlich der Definition von Kompetenzniveaus in den Kernfächern. Die neue Matura solle ein "Gütesiegel" sein. Auf eine Zusatzfrage nach der geplanten Form der Reifeprüfung in den berufsbildenden Schulen teilte die Unterrichtsministerin mit, dass – analog zum Modell in den AHS – ein Drei-Säulenmodell geplant sei: eine schriftliche Diplomarbeit, ein schriftlicher, standardisierter Bereich mit Deutsch, lebender Fremdsprache und Mathematik sowie eine mündliche Prüfung mit Objektivierungselementen.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F): Verfügen Sie bereits über Kostenschätzungen, welche zusätzlichen Personalkosten durch die flächendeckende Überleitung des Schulversuchs "Neue Mittelschule" in das Regelschulwesen entstehen würden?

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Eine derartige Schätzung wäre leicht anzustellen, antwortete die UNTERRICHTSMINISTERIN, durch Multiplikation der Klassen der Sekundarstufe 1 mit den sechs Stunden zusätzlich, man hätte damit die Gesamtkosten. Die neue Mittelschule sei aber ein Modell auf dem Weg zur gemeinsamen Schule. Ein entsprechender Gesamtplan könne erst erstellt werden, wenn in der Regierung grünes Licht gegeben worden sei. Dabei müsse auch der Erfolg eingerechnet werden: Wegfallen des Sitzenbleibens, geringere Dropout-Zahlen der Sekundarstufe 2 infolge besser gelingender Entscheidungen über Bildungszweig und Berufsentscheidung. Wenn Studien in anderen Ländern Kostennachteile gegenüber dem alten Modell ergeben hätten, müsse das nicht auch schon für Österreich gelten, betonte Schmied.

Auf Erfahrungswerte mit dem Modell der neuen Mittelschule angesprochen, stellte Ministerin SCHMIED fest, dass die Nachfrage (über 600) derzeit größer sei als das Angebot (230 Schulen). Die Pflichtschulen zeigten dabei größere Bereitschaft als die höheren Schulen. Zum Thema Differenzierung verwies die Ministerin auf das Modell der "inneren Differenzierung", betonte aber insgesamt, dass es darum gehe, auch in der Schule mit- und voneinander zu lernen. Einmal mehr setzte Schmied auf mehr Selbstverantwortung der Schulen. Ziele seien Leistung und Qualität, nicht die bloße "Abschaffung des Sitzenbleibens".

Abgeordneter Harald WALSER (G): Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um die seit Jahren stabil hohe Zahl an SchulabbrecherInnen endlich signifikant zu senken?

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Deutsch sei der Schlüssel zum Bildungserfolg, betonte Ministerin SCHMIED einmal mehr, und dabei müsse man möglichst früh – schon im Kindergarten – ansetzen und zusätzliche Förderungen vorsehen. Dabei müssten auch die Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund einbezogen werden. Auch die Beratung über Bildungswege und Berufswahl müsse in der 7. und 8. Schulstufe erfolgen, um bewusste Entscheidungen zu ermöglichen. Insgesamt brauche es bei bildungspolitischen Maßnahmen noch mehr Differenzierung, etwa auch hinsichtlich Stadt und Land. Dem wachsenden Nachhilfebedarf möchte Schmied nicht durch Zwangsverpflichtungen von LehrerInnen zur Gratis-Nachhilfe begegnen, sondern es gar nicht so weit kommen lassen. Schmied nannte auch in diesem Zusammenhang die Stichworte

Bildungsstandards, Individualisierung und verbesserte Rückmeldekultur, die dazu führen sollten, dass "die Kinder mit Interesse lernen".

Abgeordnete Ursula HAUBNER (B): Wann werden Sie mit der Abschaffung der "verpolitisierten" Schulverwaltung, wie etwa der Landes- und Bezirksschulräte, dafür sorgen, dass mehr Geld für besseren Unterricht zugunsten der Schülerinnen und Schüler zur Verfügung steht?

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Claudia SCHMIED legte Wert auf die Unterscheidung zwischen dem "Wünschbaren" und dem "Machbaren" und erinnerte an den Föderalismus und den Finanzausgleich. Eine Ebene – die der Bezirksschulräte – sei jedenfalls zu streichen; die Verhandlungen dazu sollten im Herbst beginnen. Die Ministerin bekannte sich zur Verwaltungsvereinfachung an den Schulen und sprach sich dafür aus, bei den Schulstandorten anzusetzen: durch Qualifizierungsmaßnahmen für SchulleiterInnen, Mitsprache der LeiterInnen bei der Auswahl von Lehrkräften, Schulentwicklung und Rückmeldesysteme. Es gehe darum, die Schule als "lernendes System" zu etablieren, betonte Schmied.

Abgeordnete Sonja ABLINGER (S): Welche Maßnahmen zur Stärkung der öffentlichen Büchereien sind geplant?

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Die MINISTERIN betonte, es gehe bei den 1.500 Büchereien um Qualitätsziele, um eine Neugestaltung der Förderung durch Bund, Länder und Gemeinden und um eine Erhöhung der Förderung von 160.000 auf 500.000 €. Die in kürzester Zeit – seit April - eingelangten rund 250 Anträge zeigten das große Interesse, bemerkte Schmied. Im Rahmen eines Kommunikationsplans würden potenzielle InteressentInnen u.a durch Lesungen und AutorInnengespräche angesprochen, außerdem gebe es im Schulunterricht entsprechende Maßnahmen. Bis zum Jahr 2013 sollte jede Schule eine Kunst- und Kulturpartnerschaft eingegangen sein, betonte Schmied.

Abgeordnete Silvia FUHRMANN (V): Wie ist Ihre Position zum Konzept der Zusammenlegung des Völkerkunde- und Volkskundemuseums in inhaltlicher, organisatorischer, personalrechtlicher und zeitlicher Hinsicht?

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Sie stehe dem neuen Konzept positiv gegenüber, erklärte Ministerin SCHMIED, doch lägen noch keine zur Umsetzung reifen Pläne vor. Es seien aber verschiedene Varianten in Auftrag gegeben. In einer Zusatzfrage auf das Freiluftmuseum Stübing angesprochen, meinte die Ministerin, sie halte wenig von "Pflichtbesuchen" von Schulklassen; der Bund sei bezüglich Stübing jedenfalls ein "stabiler Partner". Bei einer Zusammenlegung des Völkerkunde- mit dem Volkskundemuseum gehe es gerade nicht um eine "Verschmelzung" der beiden Museen, vielmehr sei gerade das Verbindende zwischen dem Fremden und dem Eigenen die Attraktion. Die Vermittlung sei der zentrale Punkt, würden doch Museen insgesamt immer mehr zu Bildungsinstitutionen.

(Schluss Fragestunde, Forts. NR)


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