Parlamentskorrespondenz Nr. 558 vom 30.06.2010

Sozialausschuss billigt Sozialrechts-Änderungsgesetz 2010

Behinderte Menschen: Neue Kriterien für Einstufung der Behinderung

Wien (PK) – Abseits der Mindestsicherung befasste sich der Sozialausschuss des Nationalrats heute mit verschiedenen weiteren sozialpolitischen Fragen und billigte insgesamt drei von der Regierung vorgelegte Gesetzentwürfe. Dabei geht es insbesondere um administrative Erleichterungen im Bereich des Sozialrechts, eine Novellierung des Behinderteneinstellungsgesetzes und weitere Maßnahmen zur Eindämmung von Sozialbetrug in der Baubranche. Außerdem wollen die Abgeordneten durch eine Adaptierung des ASVG verhindern, dass zahlreiche BeamtInnen in "pensionsnahem" Alter in das ASVG-Versicherungssystem wechseln und damit die gesetzliche Pensionsversicherung finanziell übermäßig belasten.

Anlass für die Änderung des Behinderteneinstellungsgesetzes, des Familienlastenausgleichsgesetzes und des Einkommensteuergesetzes (770 d.B. ) ist eine neue Verordnung des Sozialministeriums. Sie sieht neue Kriterien für die Einschätzung des Grades der Behinderung bei Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung vor und soll ab dem 1. September in den jeweiligen Bereichen die bisherige, auf dem Kriegsopferversorgungsgesetz basierende, Richtsatzverordnung aus dem Jahr 1965 ersetzen. Konkret betroffen sind etwa die Ausstellung eines Behindertenpasses, die Gewährung einer erhöhten Familienbeihilfe, die Festsetzung des Freibetrags nach dem Einkommensteuergesetz und Anträge auf Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß Behinderteneinstellungsgesetz. Für bereits laufende Verfahren sind Übergangsbestimmungen vorgesehen, zudem soll, um Eingriffe in bestehende Rechte zu vermeiden, ein rechtskräftig festgestellter Behinderungsgrad weiter gelten.

Nach positiven Wortmeldungen der Abgeordneten Franz-Joseph Huainigg (V), Ulrike Königsdorfer-Ludwig (S), Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) und Sigisbert Dolinschek (B) wurde die Regierungsvorlage einstimmig angenommenen. Die Vertagung eines Entschließungsantrags der Grünen und eines Entschließungsantrags der FPÖ mit weitergehenden Vorschlägen zur Unterstützung der Persönlichen Assistenz für behinderte Menschen wurde von den VertreterInnen der Regierungsparteien mit dem Hinweis auf die intensive Arbeit an einer Regierungsvorlage im Sozialressort begründet. Sozialminister Rudolf Hundstorfer unterstrich seine Absicht, das Regierungsprogramm beim Thema Persönliche Assistenz für Behinderte zu erfüllen, hielt aber zugleich fest, dass die Kompetenz für die Persönliche Assistenz bei den Ländern bleiben werde. Der Ausgleichstaxfonds nach dem Behinderteneinstellungsgesetz verfüge über keine Bundeshaftung, daher sei es in diesem Bereich nicht möglich, einen Rechtsanspruch umzusetzen, teilte der Minister in der Debatte mit.

Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz wird adaptiert

Mit S-V-F-G-Mehrheit stimmte der Sozialausschuss einer von der Regierung vorgeschlagenen Novellierung des Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes zu (774 d.B. ). Abgeordneter Josef Muchitsch (S) erläuterte die vorgesehenen Adaptierungen im Urlaubsrecht, die Auszahlung der ersatzweisen Winterfeiertagsvergütung an den Arbeitnehmer auch ohne Antragstellung und die Herausnahme von Doppellehrlingen Spengler/Dachdecker aus dem Geltungsbereich des Gesetzes. Darüber hinaus sollen die Informationspflichten der Arbeitgeber gegenüber der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse erweitert werden, um Sozialbetrug zu erschweren. Mitberücksichtigt wurde bei der Abstimmung auch ein S-V-Abänderungsantrag, der eine verpflichtende Information der Spengler-Dachdecker-Lehrlinge über ihr Ausscheiden aus der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vorsieht.

Gemeinsam mit der Regierungsvorlage zur Diskussion stand ein Entschließungsantrag des BZÖ , in dem Abgeordneter Sigisbert Dolinschek eine generelle AuftraggeberInnenhaftung für Sozialversicherungsbeiträge im Baubereich zur effektiveren Bekämpfung von Sozialbetrug fordert.  – Der Antrag wurde mit der Mehrheit der Koalitionsparteien abgelehnt, weil es unfair wäre, so die Abgeordneten Josef Muchitsch (S) und Martin Bartenstein (V), Firmen, die in der Vergangenheit sauber gearbeitet haben, zu "bestrafen". Der Antragsteller argumentierte mit Unterstützung des Abgeordneten Karl Öllinger (G) und des Abgeordneten Wolfgang Kickl (F) hingegen mit der Notwendigkeit, noch wirksamer den Sozialbetrug zu bekämpfen.  

Sozialminister Rudolf Hundstorfer machte geltend, dass das bestehende System zur Verhinderung des Sozialbetrugs greife. Der Minister bestätigte die Mitteilung des Abgeordneten Josef Muchitsch, dass sowohl die Zahl der Insolvenzen als auch der von Insolvenzen betroffenen Arbeitnehmer in der Baubranche trotz Krise gesenkt werden konnte.

Sozialrechts-Änderungsgesetz bringt administrative Erleichterungen

Schließlich machte der Sozialausschuss einstimmig das von der Regierung vorgelegte Sozialrechts-Änderungsgesetz 2010 plenumsreif. Es hat eine Vielzahl von Detailänderungen in den einzelnen Sozialversicherungsgesetzen zum Inhalt. Dabei geht es etwa um administrative Erleichterungen, die Vermeidung von Doppelversicherungen, die Aufhebung überholter Bestimmungen, allgemeine Rechtsbereinigungen und Klarstellungen sowie die Schaffung einer Rechtsgrundlage zur bundesweiten Ausdehnung des Pilotprojekts "Gesundheitsstraße", welches auf eine standardisierte, einheitliche und verbindliche Feststellung der Arbeitsfähigkeit, etwa von arbeitslosen Personen, abzielt.

Außerdem soll eine Änderung im ASVG einen Wechsel von BeamtInnen in "pensionsnahem" Alter in das ASVG-Versicherungssystem weitgehend unattraktiv machen. Ohne diese Änderung könnten laut Schätzungen bis zu 15.000 Bundes-, Landes- und Gemeindebedienstete aufgrund der Möglichkeit eines früheren Pensionsantritts in das ASVG-System umsteigen, was eine nachhaltige finanzielle Mehrbelastung der gesetzlichen Pensionsversicherung zur Folge hätte. Der überwiegende Teil der vorgeschlagenen Änderungen im Sozialrecht beruht laut Erläuterungen auf Vorschlägen der Sozialpartner.

In der Debatte stimmten die Abgeordneten Karl Öllinger (G), Ursula Haubner (B) und Wolfgang Kickl (F) mit dem Sozialminister in der Auffassung überein, es sei notwendig, Hintertüren zu schließen, die es ermöglichten, dass sich Einzelne auf Kosten der Sozialversicherungen Rosinen aus dem Pensionsrecht picken. (Schluss)


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