Parlamentskorrespondenz Nr. 647 vom 25.08.2010

Heiß umfehdet, wild umstritten: der Budgetfahrplan 2011

NR-Sondersitzung mit Dringlicher Anfrage an Finanzminister Pröll

Wien (PK) – Im Rahmen einer von den Oppositionsfraktionen verlangten Sondersitzung des Nationalrats fand heute eine Debatte über den Fahrplan für den Bundesvoranschlag 2011 statt. Grundlage dafür war eine von der FPÖ eingebrachte, 190 Einzelfragen umfassende, Dringliche Anfrage betreffend "die verfassungswidrige Verschiebung der Vorlage des Entwurfs des Bundesfinanzgesetzes 2011". Die Regierungsbank war bei Beginn der Debatte gut besetzt: Bundeskanzler Faymann und Finanzminister Pröll waren von den Ministern Spindelegger, Mitterlehner und Berlakovich sowie von den Staatssekretären Ostermayer, Lopatka und Schieder flankiert.

Im Anschluss an die Debatte über die Dringliche Anfrage werden drei Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses – jeweils einer von jeder der Oppositionsfraktionen – debattiert und abgestimmt.

In seiner Begründung der Dringlichen Anfrage warf FP-Klubobmann Heinz-Christian STRACHE zunächst dem Finanzminister und der gesamten Regierung einen Bruch der Verfassung vor. Da der Bundespräsident, der eigentlich zum Handeln verpflichtet wäre, die Regierung nicht abberufe, kündigte Strache Misstrauensanträge seiner Fraktion gegen den Bundeskanzler und gegen den Finanzminister an. Der Verfassungsbruch erfolge zudem "aus niedrigen Beweggründen": Man wolle der Bevölkerung vor den Landtagswahlen in der Steiermark und in Wien das geplante Belastungspaket vorenthalten, nach den Wahlen würde aber "das große Erwachen der Bevölkerung" folgen.

Strache befasste sich dann mit den befürchteten Belastungen und nannte eine höhere bzw. volle Besteuerung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds, die Abschaffung der 13. Familienbeihilfe, Einsparungen beim Pflegegeld, die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Einführung von Ökosteuern. "Wir brauchen einen anderen Weg", sagte Strache und forderte Einsparungen durch die überfällige Staats- und Verwaltungsreform und bei den Subventionen.

Finanzminister Josef PRÖLL skizzierte eingangs die aktuelle Situation seit dem Krisenjahr 2009, auf die Österreich durch Konjunkturpakete, eine Steuersenkung und Maßnahmen für die Familien reagiert habe. Damit sei Österreich besser als andere Staaten durch die Krise gekommen, sagte Pröll. Jetzt gehe es darum, Österreich offensiv aus der Krise heraus zu entwickeln, und zwar "sehr behutsam und mit der bestmöglichen Datengrundlage". Die Basis dafür sei mit dem Bundesfinanzrahmengesetz und den darin festgeschriebenen Ausgaben-Obergrenzen gelegt. Das Ziel sei, dass das Budget und das Budgetbegleitgesetz mit 1.1.2011 wirksam werden. Der Schwerpunkt beim Haushalt 2011 werde bei Einsparungen liegen, führte Pröll weiter aus, und nicht auf der Einnahmenseite. Er sprach sich dafür aus, eine Willensbildung zum Gesamtpaket anzustreben statt einzelne Maßnahmen zu diskutieren.

In einer Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung warf Abgeordneter Josef BUCHER (B) dem Finanzminister vor, keine einzige der 190 Fragen beantwortet zu haben, was einer Verhöhnung des Parlaments gleichkomme. Abgeordneter Norbert HOFER (F) forderte den Finanzminister zum Rücktritt auf. G-Klubobfrau Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK warf dem Finanzminister vor, sich nicht an Gesetze gebunden zu fühlen und regte eine schriftliche Beantwortung der Fragen an. VP-Klubchef Karlheinz KOPF vermutete, die Opposition würde sich selbst nicht ernst nehmen. SP-Klubobmann Josef CAP wertete es als unseriös, vom Minister die Beantwortung von 190 Einzelfragen in 20 Minuten zu erwarten; er sprach sich ebenfalls für eine schriftliche Beantwortung der Fragen aus. Nationalratspräsidentin Barbara PRAMMER kündigte an, die Beantwortung von Fragen zum Gegenstand der nächsten Sitzung der Präsidiale zu machen.

Mit einer Tirade an Vorwürfen konfrontierte Abgeordneter Herbert KICKL (F) die Bundesregierung und insbesondere den Finanzminister. Dieser habe die Dringliche Anfrage ins Lächerliche gezogen und nicht einmal Auskunft darüber geben können, aus welchen Ressorts bereits Teilentwürfe vorliegen. Die Bundesregierung habe zwar den Eid auf die Verfassung geleistet, nun aber kümmere sich niemand mehr darum, weil man "die magische Datumsgrenze 10. Oktober" überschreiten möchte, sagte Kickl. Die Bundesregierung biege und breche die Verfassung nach Belieben, es gehe nur darum, den Proporz zu schützen, nicht aber um die Interessen der Bevölkerung. Er begrüßte daher den angekündigten Misstrauensantrag der Grünen gegen den Finanzminister und brachte seitens der FPÖ einen Misstrauensantrag gegen den Bundeskanzler ein. Kickl befürchtete einen sozialen Kahlschlag durch das nächste Budget und meinte, vieles, was davon durchsickere, sei "gemeingefährlich und unverantwortlich". Die Bundesregierung agiere wie "richtige Wegelagerer".

Abgeordneter Josef CAP (S) konterte, die 190 Fragen der Dringlichen Anfrage zeigten deutlich, dass die Sitzung für die FPÖ nur ein Vehikel darstellt, keinesfalls aber ernst genommen werde. Er warf der Opposition vor, keine eigenen Vorschläge zum Budget zu präsentieren und stellte demgegenüber die Forderungen der SPÖ nach einer Bankenabgabe, nach einer europaweiten Transaktionssteuer, nach einer Vermögenssteuer, nach einer Reform der Besteuerung von Stiftungen und Grundbesitz sowie die Forderung nach Maßnahmen gegen Steuer- und Sozialbetrug sowie gegen Lohndumping. Cap hätte es als sinnvoll erachtet, wie er betonte, mit der FPÖ und den anderen Oppositionsparteien über deren Vorstellungen zu diskutieren. Mangels solcher sei dies jedoch nicht möglich. Statt dessen werde bei der Sondersitzung eine Scheindebatte geführt, eine Spiegelfechterei, die nichts bringe und das Diskussionsklima verschlechtere. Der SPÖ-Klubobmann verteidigte die Verschiebung der Budgetdebatte um vier Wochen, da man die Prognosen vom September abwarten wolle. Sonst werde sich nichts ändern, versicherte er, die Diskussion über den Budgetvoranschlag werde so geführt wie in den Jahren zuvor. Man wolle das Budget 2011 verantwortungsvoll vorbereiten, die Sparmaßnahmen müssten sozial gerecht und wirtschaftlich sinnvoll sein.

Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) wies darauf hin, dass das Bundes-Verfassungsgesetz Vorsorge dafür getroffen hat, wenn das Budget nicht zeitgerecht vorgelegt werden kann. Auch Kopf hielt es, wie sein Vorredner, angesichts der aktuellen Budgetsituation und des Umfangs der notwendigen Sanierung für vertretbar, das Budget einige Wochen später als in der Verfassung vorgesehen dem Parlament vorzulegen. Wichtig seien fundierte Zahlen der Wirtschaftsforschung und ein ausgewogenes Paket, stellte er fest, und da komme es auf vier Wochen nicht an, zumal ein ordentliches Begutachtungsverfahren und eine ausreichende Diskussion gewährleistet seien. Das Budget werde auch mit 1. Jänner 2011 in Kraft treten, unterstrich der ÖVP-Klubobmann.

Um die außergewöhnliche Aufgabe der Budgeterstellung für 2011 erfüllen zu können, brauche es größtmöglicher Gemeinsamkeit aller Gebietskörperschaften und Bevölkerungsgruppen, appellierte Kopf. Aus seiner Sicht sollte die Budgetsanierung in erster Linie über Einsparungen erfolgen, ergänzt um einnahmenseitige Komponenten. Er verwob damit eine Kritik an den Steuerplänen der SPÖ. Kopf forderte auch Offensivmaßnahmen für die Wirtschaft und fasste zusammen, das Budget müsse wirtschaftlich verträglich und sozial ausgewogen sein, das Eigentum schützen und die wirtschaftliche Tätigkeit nicht untergraben. Für die 190 Fragen der FPÖ an den Finanzminister zeigte er ebenso wenig Verständnis wie S-Klubobmann Cap. Den Misstrauensantrag gegen Finanzminister Pröll hielt Kopf angesichts der Tatsache, dass dieser das Land besser aus der Krise geführt habe als jeder andere EU-Finanzminister, für völlig ungerechtfertigt. Abschließend ließ Kopf mit dem Vorschlag aufhorchen, die tagungsfreie Zeit des Parlaments bereits mit der ersten Augustwoche enden zu lassen.

Abgeordneter Werner KOGLER (G) bezichtigte die Bundesregierung der "Lüge" und "Wählertäuschung" vor der Landtagswahl. Für ihn haben die Parteizentralen von SPÖ und ÖVP das Parlament in Geiselhaft genommen, anders könne er es nicht interpretieren, dass die Klubobleute der Regierungsfraktionen die Nichteinhaltung der Verfassung decken. Die Rechtsinterpretation von Klubobmann Kopf teilte Kogler in keinem Punkt, vielmehr liegt Kogler zufolge beim Vorgehen der Bundesregierung Verfassungsbruch vor, da das Bundes-Verfassungsgesetz lediglich eine Notvorsorge trifft, sollte das Budget nicht rechtzeitig vorgelegt werden können. Der G-Abgeordnete forderte die Regierung auf, mit der Opposition ausführlich darüber zu diskutieren, wo richtig und gerecht gespart und investiert werden soll. "Die Budgetwahrheit ist den Menschen zumutbar", sagte Kogler und kritisierte vor allem die in Österreich hohe Besteuerung auf Arbeit und geringe Besteuerung der Vermögen. Er forderte daher eine faire Besteuerung der Reichen und kündigte einen Antrag der Grünen an, in dem sich diese dem SPÖ-Leitantrag zum Thema Verteilungsgerechtigkeit anschließen. Selbstverständlich werde man über Steuererhöhungen reden müssen, meinte Kogler. Schließlich brachte er einen Misstrauensantrag gegen Finanzminister Josef Pröll ein.

Abgeordneter Josef BUCHER (B) hielt dem Finanzminister "ignorante Kaltschnäuzigkeit" bei der Verweigerung der Anfragebeantwortung vor. Das komme einer "Bankrotterklärung" des Parlamentarismus gleich, stellte Bucher fest. Die Begründung für die Verschiebung der Budgetvorlage hielt der BZÖ-Chef für ungerechtfertigt, da es nun für die Wirtschaft und für den Arbeitsmarkt nach der Krise Entwarnung gebe. Die positive Entwicklung sei allein der tüchtigen Wirtschaft zu verdanken, nicht aber der Regierung, bemerkte er. Diese sei viel eher mit "Vertuschen, Verzögern und Verzetteln" beschäftigt. In der Zweiten Republik sei es beispiellos, wie die Bundesregierung die Verfassung scheinbar ausnützt und bricht, sagte Bucher und mutmaßte, dass es Rot und Schwarz nur um das Parteiwohl geht. Die Regierung verunsichere Unternehmen und BürgerInnen und setze mit dem geplanten größten Steuer- und Belastungspaket die falschen Maßnahmen. Anstatt Familien, PendlerInnen und Pflegebedürftige zu belasten, sollten nach Ansicht Buchers die Missstände bei den ÖBB und die Pensionsprivilegien bei der Notenbank beseitigt werden. Darüber hinaus urgierte er eine Reform der Verwaltung, vor allem des Gesundheitssystems. Man brauche einen starken, effizienten und reformfreudigen Staat, unterstrich Bucher. Die große Koalition sei hingegen der "Sargnagel der Republik", der "größte Blockierer und Reformverweigerer".

Abgeordneter Gerhard KURZMANN (F) befürchtete eine enorme Belastungslawine für die Bevölkerung nach den Landtagswahlen in der Steiermark und Wien. Insbesondere lehnte er die Hilfe für Griechenland ab, da seiner Meinung nach die Gelder in Österreich besser verwendet werden könnten. "Kein Geld für Banken und Spekulanten", formulierte Kurzmann. Während die Griechen mit dem Geld Waffensysteme kaufen, stehe das Österreichische Bundesheer vor dem Ruin, sagte er. Die Milliarden sollten in Österreich für die Schaffung von Arbeitsplätzen, für die Erhöhung der Sicherheit und den Erhalt kleiner Spitäler eingesetzt werden.

Abgeordneter Kai Jan KRAINER (S) bezeichnete die Äußerungen seines Vorredners als "absurd" und rief die Maßnahmen der schwarz-blauen Regierung in Erinnerung, etwa die Ambulanzgebühren, die Besteuerung der Unfallrenten und das Manager-Privileg. Während die damals groß angekündigte Steuerreform den arbeitenden Menschen im Durchschnitt nur sieben Euro pro Jahr eingebracht hatte, würden die Steuermaßnahmen der derzeitigen Regierung mit 360 € pro Person und Jahr zu Buche schlagen, rechnete Krainer vor. Der Ausgang der Landtagswahlen werde jedenfalls an den Budgetzahlen und an der  Notwendigkeit der einnahmen- und ausgabenseitigen Budgetkonsolidierung nichts ändern, stand für den Redner fest. Entscheidend seien jetzt vielmehr die Vorschläge zur Konsolidierung, in dieser Hinsicht habe man aber von der FPÖ "null" gehört, betonte Krainer.

Abgeordneter Günter STUMMVOLL (V) meinte, für die Bevölkerung sei der Termin der Budgetvorlage kein Thema. Die späte Präsentation sei überdies eine verfassungsrechtliche Variante, deren Notwendigkeit sich aus der komplexen Wirtschaftslage ergibt, und durchaus kein Verfassungsbruch. Was die sogenannte Reichensteuer betrifft, warnte Stummvoll vor Populismus. Wer glaubt, man könne damit das Budget sanieren, sei bloß blauäugig. Wenn eine derartige Steuer nicht nur Neidkomplexe befriedigen, sondern auch die Finanzprobleme lösen soll, dann müsse sie massiv in Eigentum und Vermögen eingreifen, gab er zu bedenken.

Abgeordnete Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK warf dem Finanzminister vor, sich über die Verfassung hinwegzusetzen, und ließ die schwierige Wirtschaftslage als Argument für die verspätete Präsentation des Budgets nicht gelten. Der wahre Grund liege vielmehr im Widerstand der Landeshauptleute gegen Einsparungen und Reformen, vermutete sie. Bei der Budgetkonsolidierung habe es nach Ansicht Glawischnigs darum zu gehen, die Privilegien einiger weniger abzuschaffen und insbesondere bei der Besteuerung von Stiftungen internationale Standards einzuführen. Mit Nachdruck wandte sich die Rednerin aber gegen Einsparungen im Bildungs- und Sozialbereich.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) warnte vor "Budget-Grauslichkeiten", forderte Klarheit über die Steuerpläne und meinte, die Regierung halte sich bedeckt, nur um Häupl und Voves noch einmal über die Runden zu helfen. Er warf Pröll und Faymann vor, "die Lüge zu leben", ihre parteipolitischen Interessen in den Mittelpunkt zu stellen und nicht an das Land und dessen Zukunft zu denken, und brachte einen Misstrauensantrag seiner Fraktion gegen die gesamte Bundesregierung ein.

Abgeordnete Dagmar BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) ging scharf mit der SPÖ ins Gericht, der sie unter Hinweis auf die Causa Ruttenstorfer vorwarf, die Interessen der Spekulanten zu schützen. Die Sozialdemokraten würden klassenkämpferische Töne anschlagen, in Wahrheit aber Kranke, Pflegebedürftige und Familien belasten und dabei auf dem Rücken der Armen sparen, lautete der Grundtenor ihrer Kritik.

Abgeordnete Heidrun SILHAVY (S) stellte fest, die Opposition nütze das Parlament bloß als Wahlkampfarena, um Schauermärchen unter medialer Begleitung zu erzählen. Tatsache sei vielmehr, dass die Regierung mit ihren Konjunkturpaketen dafür gesorgt habe, dass die Menschen in Österreich heute weniger von der Krise betroffen sind als anderswo. Nun gehe es darum, von jenen, die die Krise mitzuverantworten haben, einen gerechten Beitrag zur Beseitigung dieser Krise einzufordern, stand für Silhavy außer Streit.

Abgeordnete Gabriele TAMANDL (V) betonte mit Nachdruck, in erster Linie müsse das Budget über Einsparungen konsolidiert werden, wobei auch die Länder ihren Beitrag zu leisten haben. In Wien sah Tamandl Einsparungspotenzial vor allem beim neuen Zentralbahnhof, aber auch bei der Umsetzung der Pensionsreform.

Abgeordneter Harald WALSER (G) rief zu Sparen mit Hirn und Verstand auf und warnte vor einem "Kaputtsparen" im Bildungsbereich. Er drängte auf eine Schulreform und unterstützte dabei grundsätzlich die Vorschläge von Claudia Schmied, bedauerte jedoch, die Ministerin würde von der ÖVP im Regen stehen gelassen. In einem Entschließungsantrag forderte er zudem die Regierung auf, die Verfassung einzuhalten.

Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) bezichtigte die Regierung der Untätigkeit und der Verhöhnung des Parlaments und kritisierte, sämtliche vernünftige Reformvorschläge würden blockiert. Die Bevölkerung habe nun aber bei den kommenden Landtagswahlen die Möglichkeit, den Regierungsparteien eine Rechnung für deren Diskussionsverweigerung und Säumigkeit vorzulegen.

Abgeordneter Alois GRADAUER (F) untermauerte die Kritik seiner Fraktion und stellte fest, der Regierung gehe es bloß darum, die Landtagswahlen über die Bühne zu bringen, "und dann kommt es ganz dick". Der Redner rechnete mit Steuermaßnahmen und Einsparungen, die seiner Einschätzung nach darauf hinauslaufen, "dass der Mittelstand und die KMUs alles auslöffeln müssen". In Entschließungsanträgen forderte Gradauer die Beibehaltung des derzeitigen Zugangs zu den Pflegestufen eins und zwei sowie eine Rückführung der Stiftungseingangssteuer auf fünf Prozent und eine transparente Darstellung von Manager-Entlohnungen.

Abgeordneter Christoph MATZNETTER (S) wies die Vorwürfe der Opposition scharf zurück und attestierte der Regierung Ehrlichkeit, wobei er erklärte, der Grund für die verspätete Budgetvorlage liege darin, dass die Budgetpläne eine sorgfältige Abstimmung mit den Ländern erfordern und deshalb ein paar Wochen mehr Zeit brauchen. Was die kommenden Maßnahmen betrifft, hielt Matznetter fest, die SPÖ werde jene zur Kasse bitten, die bisher zu wenig bezahlt haben, und bei den Einsparungen darauf achten, dass es nicht zu einer sozialen Schieflage kommt.

Abgeordneter Fritz GRILLITSCH (V) konnte nicht verstehen, warum die Oppositionsparteien nach Abhaltung einer Sondersitzung verlangt haben. Bundesregierung und Finanzminister arbeiteten "mit Hochdruck" an der Auslotung von Sparpotentialen und der Erstellung des Budgets, so Grillitsch. Es brauche aber Zeit, Geduld und Verständnis. Den Oppositionsparteien warf der Redner vor, keine konkreten Konzepte und Vorschläge zur Budgetsanierung vorzubringen.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) gelangte vor dem Hintergrund der heutigen Debatte zu dem Schluss, dass der Finanzminister keine Auskunft über das Budget geben könne oder wolle. Von den 190 an ihn gerichteten Fragen habe er nämlich 170 nicht beantwortet. Die Abgeordneten von SPÖ und ÖVP seien, so der Redner, zu "Handlangern der Regierung" degradiert und damit "entmündigt" worden, wodurch sie ihre Rolle als VolksvertreterInnen nicht mehr erfüllen könnten. Der Bundesregierung warf Westenthaler vor, jene Menschen im Stich zu lassen, die in Österreich an der Armutsgrenze lebten.

Diesen Ausführungen konnte Abgeordneter Jakob AUER (V) nichts abgewinnen. Die Debatte sei zwar laut geführt worden, doch habe man von Seiten der Opposition keine konkreten Vorschläge zur Budgetsanierung zu hören bekommen. Dass man im Rahmen einer Dringlichen Anfrage 190 Fragen an den Finanzminister richte, sei nicht annehmbar, zumal dies bedeute, dass Pröll damit nur 10 Sekunden für die Beantwortung und Begründung jeder einzelnen Frage zugestanden wird. Dass man von einem Bruch der Verfassung spreche, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar, da man das neue Haushaltsrecht gemeinsam auf Schiene gebracht habe und Budgets schon in früherer Zeit nicht immer zum anvisierten Termin vorgelegt wurden. Statt zu polemisieren gelte es, die Herausforderungen im Bereich der Pflege anzunehmen, die Wirtschaft zu stärken und den Landwirten Hoffnung zu geben.

Abgeordneter Martin STRUTZ (o.F.) kündigte seine Zustimmung zum Misstrauensantrag gegen Finanzminister Pröll an. Mit der Verschiebung des Vorlagetermins für das Budget begehe dieser nämlich einen "echten Verfassungsbruch" und verhöhne die Bürgerinnen und Bürger. Die Bundesregierung habe den Kontakt zur Bevölkerung verloren, kritisierte Strutz, man wolle schließlich nur verheimlichen, was wirklich auf die ÖsterreicherInnen zukomme. Die SPÖ werde von ihrem Koalitionspartner "am Nasenring durch die Republik" geführt, beklagte der Redner. Strutz kündigte außerdem seine Zustimmung zur Einsetzung der zur Diskussion stehenden Untersuchungsausschüsse an, da es einer lückenlosen Aufklärung aller angeführten Skandale bedürfe.

Auch Abgeordneter Maximilian LINDER (o.F.) übte Kritik an Finanzminister Pröll, der ihm zufolge nicht einmal einfachste Fragen beantworten könne bzw. wolle. Es sei auch nicht einzusehen, warum man von den BürgerInnen die Einhaltung von Fristen verlange, wenn man sich selbst nicht daran halte. Den an die Oppositionsparteien gerichteten Vorwurf der Faulheit wollte Linder außerdem zurückgewiesen wissen.

Der von Seiten der FPÖ eingebrachte Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Werner Faymann fand keine ausreichende Unterstützung. Auch die Misstrauensanträge der Grünen und des BZÖ gegen Finanzminister Josef Pröll erreichten keine Mehrheit. Des weiteren wurden die Entschließungsanträge der Grünen betreffend Einführung einer Reichensteuer und betreffend verfassungskonforme Vorlage des Budgets abgelehnt. Auch der Antrag der FPÖ betreffend "Solidarität statt Klassenkampf" blieb ohne ausreichende Unterstützung.

Kurze Debatte über die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) hielt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung von Skandalen, in die PolitikerInnen verwickelt waren, für ein Gebot der Stunde. Den Gerüchten, die im Land kursierten, müsse man entgegenwirken, indem man die Wahrheit ans Licht bringe. Dabei gibt es für Rosenkranz eine ganze Reihe von Vorfällen, die es zu untersuchen gilt. Dazu zählen etwa der "Postenschacher" im Umkreis des ehemaligen Innenministers Strasser, die Involvierung des früheren Finanzministers Grasser in die Causa BUWOG und das Missmanagement in staatsnahen Betrieben. Im Zuge einer solchen Aufklärung dürfe niemand, der schuldig ist, vor dem Zugriff der Justiz geschützt werden. Personen a priori schuldig zu sprechen, sei aber ebenfalls nicht annehmbar, schloss Rosenkranz.

Für Abgeordneten Peter PILZ (G) stand fest, dass FPÖ und BZÖ tief in Skandale verstrickt sind. Den Beginn dieser Entwicklung ortete Pilz in der Ära Jörg Haiders. Die ständigen Umbenennungen und Abspaltungen im Umkreis der Freiheitlichen sollten, so der Redner, nur darüber hinwegtäuschen, dass man selbst in Skandale verstrickt sei. Es bedürfe einer Aufklärung, um zu verhindern, dass sich diese Ereignisse wiederholten. Ein großer Teil des "Tafelsilbers der Republik" sei im Zuge dieser Machenschaften unwiederbringlich verloren gegangen, resümierte er. Es gelte daher, einen Schlussstrich zu ziehen und die Verantwortlichen zu finden.

Die Ausführungen seines Vorredners bewertete Abgeordneter Ewald STADLER (B) als Anzeichen eines "pathologischen Verfolgungsdrangs". Auch wenn seine Fraktion gegen den Antrag des Abgeordneten Pilz stimmen werde, fürchte man sich nicht vor der Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses. Kritik übte der Redner aber auch an der SPÖ, die es zugelassen habe, dass ihr Koalitionspartner alle zentralen Ressorts besetzen und ein Büro für "dirty campaigning" unterhalten könne. Dieses schrecke auch nicht davor zurück, gegen Tote zu kampagnisieren, um von der eigenen Beteiligung an Skandalen abzulenken. Die gegen ihn gerichteten Vorwürfe seien haltlos, weshalb er eine Untersuchung nicht fürchten müsse. Er hielt es für notwendig, die Verstrickung der ÖVP in verschiedene Skandale im Rahmen eines Untersuchungsausschusses ans Licht zu bringen.

Dass die OECD Österreich als eine "Oase der Korruption" bezeichnete, sieht Abgeordneter Günther KRÄUTER (S) insbesondere in den Fällen BUWOG und Hypo-Alpe-Adria begründet. Er sprach sich daher für mehr Transparenz bei Parteispenden aus und trat dafür ein, die politische Verantwortung des letzten Jahrzehnts zu überprüfen, wo ein Sittenverfall und eine Günstlingswirtschaft aufgekommen sei. Die drei Anträge zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen lehnte Kräuter jedoch ab. Die SPÖ verfolge eine klare und konsequente Linie, sagte er, und wolle bis Herbst abwarten, wie die Justiz mit den einzelnen Fällen umgeht. Er konzedierte Bundesministerin Bandion-Ortner, Schritte in die richtige Richtung gesetzt zu haben, und das solle nicht konterkariert werden. Außerdem halte er es für sinnlos, Personen in den Ausschuss zu laden, die sich aufgrund eines laufenden Verfahrens der Aussage entschlagen können. Des weiteren bringe die große Anzahl von Untersuchungszielen nach Meinung Kräuters wenig.

Abgeordnete Ridi STEIBL (VP) replizierte auf die Rede von Abgeordnetem Stadler und stellte klar, dass Landesrat Martinz nicht angeklagt sei. Auch sie sprach sich gegen die beantragten Untersuchungsausschüsse aus und begründete dies mit den laufenden gerichtlichen Verfahren. Die Justiz arbeite verantwortungsbewusst und mit Nachdruck, betonte sie, und parallele parlamentarische Verfahren seien daher kontraproduktiv. Die Strafjustiz sei dazu da, bei konkretem Verdacht vorzugehen, Strafverfahren seien auch kein Rätselraten und kein Anschütten von Personen, erläuterte sie. Bei der SPÖ vermisste sie jedoch die konsequente, klare Linie und sprach dabei die Stiftung in der Steiermark an. Hier gebe es weder Transparenz noch Offenheit, noch Verantwortung, meinte sie.

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) argumentierte die Ablehnung des Antrags der Grünen durch die FPÖ-Fraktion mit dem Hinweis, Abgeordneter Peter Pilz wolle das Strafverfahren ins Parlament verlegen. Auch der BZÖ-Antrag fand nicht seine volle Unterstützung, da dieser teilweise in die Kompetenzen der RichterInnen eingreift. Dennoch werde ihm die FPÖ zustimmen, kündigte Hübner an. Der Antrag der FPÖ hingegen sage klar, was notwendig ist. Es gebe nämlich zahlreiche Missstände, wo nichts geschehe, in anderen Bereichen wiederum, wie z.B. bei den Tierschützern, gehe man hart vor. 

Abgeordnete Gabriela MOSER (G) unterstrich die zentrale Kontrollaufgabe des Parlaments. Es gebe zahlreiche Fälle, die auch von ihrem Umfang her groß sind und untersucht werden müssten. Diese stammten aus der schwarz-blauen Ära, in der laut Moser die politische Moral und Kultur mit Füßen getreten worden sei. Ein Untersuchungsausschuss, der die Verschwendungsaktionen und Geldflüsse untersucht, sei daher aus "gesellschaftspolitischer Hygiene" notwendig. Die Argumentation von Abgeordnetem Kräuter ließ Moser nicht gelten, da es genügend Personen gebe, die mit ihren Aussagen die Kontrollaufgabe des Parlaments erleichtern können.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) bezichtigte Abgeordneten Peter Pilz der "politischen Paranoia", der mit seiner Rede eine "persönliche Selbsttherapie gegen Jörg Haider" vollführt habe. Grosz ging dann noch einmal auf sämtliche Fälle ein, die untersucht werden müssten. Als solche Skandale nannte er u.a. BUWOG, Skylink, Hypo Niederösterreich und Hypo Kärnten und die Kommunalkredit. Grosz hielt es aber auch für nötig, die "Schutzgeldzahlungen" von Peek & Cloppenburg an die Grünen zu durchleuchten und die Finanzierung von Life-Ball-Karten über Grüne Klubgelder zu hinterfragen. Auch die Parteispenden an die Grünen für den Wahlkampf in der Steiermark will Grosz ebenso thematisieren wie die SPÖ-Stiftung und die Beratertätigkeit des ehemaligen Bundeskanzlers Gusenbauer für die Hypo Kärnten.

Bei der Abstimmung erzielte keiner der drei Anträge auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eine Mehrheit. Der F-Antrag wurde ebenso wie der B-Antrag lediglich von FPÖ und BZÖ unterstützt. Der Antrag der Grünen erhielt nur die Stimmen der eigenen Fraktion.

Mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen passierte der Antrag den Nationalrat, den Bundespräsidenten zu ersuchen, die Außerordentliche Tagung 2010 mit 25. August zu beenden.

Im Anschluss an die Sondersitzung fand eine weitere Sitzung des Nationalrats statt, in der Verhandlungsgegenstände zugewiesen wurden. (Schluss)