Parlamentskorrespondenz Nr. 148 vom 15.02.2011

Europas Landwirtschaft soll zugleich rentabler und grüner werden

Berlakovich im Ausschuss: Konkrete Brüsseler Vorschläge fehlen noch

Wien (PK) – In der heutigen Sitzung des Landwirtschaftsausschusses ging es einmal mehr um die geplante Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich informierte Ausschussobmann Fritz Grillitsch und die Abgeordneten zunächst über diesbezügliche Feststellungen von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos bei dessen jüngstem Wien-Aufenthalt. Gegenüber dem Wunsch osteuropäischer Länder, dieselben Flächenprämien wie westliche EU-Mitgliedstaaten zu bekommen, könne sich Ciolos keine einheitlichen Flächenprämien vorstellen, berichtete Berlakovich. Das sei auch die österreichische Position in dieser Frage, sagte der Minister und wies auf die unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in den einzelnen Regionen Europas hin. Wichtig für Österreich sei auch die Absicht der Kommission, die Bergbauernförderung in der 2. Säule zu belassen, also bei den Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung.

Berlakovich unterstützt die Kommission auch in ihrer Absicht, die europäische Agrarpolitik "grüner" zu machen und erhielt dafür durchwegs Zustimmung von den Ausschussmitgliedern. Konkrete Vorschläge dazu, nach denen sich die Abgeordneten erkundigten, liegen von der Kommission aber noch nicht vor, teilte der Minister mit und zeigte sich überzeugt, dass Österreich bei diesem Thema vieles einbringen werde. Skeptisch zeigte sich Berlakovich gegenüber dem Vorschlag des Agrarkommissars, "Greening"-Maßnahmen auch bei Flächen- und Tierprämien (1. Säule) und nicht nur bei der Förderung der ländlichen Entwicklung (2. Säule) vorzusehen; dies könnte zu mehr Bürokratie führen, gab der Minister zu bedenken. Daher habe er unter dem Titel "Aufgrünen und Abspecken" einen "12 Punkte-Diätplan" mit Vorschlägen zur Entbürokratisierung der Agrarpolitik vorgelegt. Das Instrument der Marktintervention hielt der Minister für sinnvoll, weil es erlaube, Preise in Krisenzeiten zu stabilisieren – für ihn sei dies eine Lehre der letzten Milchpreiskrise, hielt Berlakovich fest.

Ausführliche Debatte über die Ziele der geplanten GAP-Reform   

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) bekannte sich nachdrücklich zur "Greening"-Strategie des EU-Agrarkommissars, unterstützte auch dessen Ziel einer kohärenteren europäischen Agrarpolitik und mahnte an dieser Stelle eine stärkere Einbeziehung  der Arbeitsleistung in die Bemessung der Betriebsprämien auch in der 1. Säule ein. Für wichtig hielt Pirklhuber das Ziel einer Entbürokratisierung, wie es Minister Berlakovich formulierte und drängte dabei wie auch beim Schutz von Nebenerwerbslandwirten und kleiner Betriebe auf konkrete Vorschläge. Den Konsultationsmechanismus mit der EU will der Agrarsprecher der Grünen beim Thema GAP-Reform transparenter gestaltet sehen.

Abgeordneter Rupert Doppler (F) äußerte sich besorgt über Nachrichten aus Deutschland und anderen großen EU-Ländern, wo über die Einschränkung der Förderung von Nebenerwerbslandwirten nachgedacht werde. Außerdem klagte der Redner über Probleme der Bauern beim Verbrennen von Reisig wegen der bürokratischen Umsetzung des Immissionsschutzgesetzes-Luft.

Abgeordneter Gerhard Huber (B) warnte vor einer Umschichtung von EU-Agrarförderungen nach Osteuropa sowie vor negativen Auswirkungen des Auslaufens der Milchquotenregelung auf die Almwirtschaften sowie vor den damit verbundenen negativen Folgen für den heimischen Tourismus.

Auch Abgeordneter Jakob Auer (V) begrüßte die Absicht des Agrarkommissars, die europäische Landwirtschaft "grüner" zu machen. Es gehe aber nicht an, die Kosten für gemeinwirtschaftliche Leistungen einzelnen Betrieben aufzubürden, sagte Auer und verlangte konkret, die Lasten, die Betriebe in "Natura 2000"-Gebieten durch die Einschränkung der Bewirtschaftungsmöglichkeiten tragen, gerecht abzugelten.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) hielt bemängelte, dass noch niemand genau wisse, was Kommissar Ciolos mit seiner "Greening"-Strategie konkret meine. Österreich müsse sich jedenfalls überlegen, wie es darauf reagieren soll, wenn in der EU weniger Förderungsmittel für die Bauern zur Verfügung stehen. Denn schon das bisherige Förderungssystem habe das Bauernsterben nicht verhindern können. Eine Änderung der Förderkulisse sei notwendig, um kleine und mittlere Betriebe zu erhalten, sagte Gaßner und zitierte den ehemaligen Agrarkommissar Fischler, der dafür plädiert, die Agrarförderungen ausgewogener und gerechter zu auszugestalten und ein System zu ändern, in dem 20 % der Bauern 80 % der Förderungen bekommen.

Abgeordneter Maximilian Linder (F) schloss sich dieser Forderung an und wollte durch Förderobergrenzen dafür sorgen, dass kleinere Betriebe künftig mehr Geld bekommen als bisher. Zudem verlangte Linder ein Gütezeichen, das sicherstellt, dass der Konsument ein österreichisches Produkt kaufe, wenn "Österreich" draufsteht.

Abgeordneter Harald Jannach (F) wollte wissen, wie viel von der Agrarbürokratie in Österreich "hausgemacht" sei und klagte über teure AMA-Kontrollen "weit über die EU-Vorschriften hinaus".

Abgeordnete Christiane Brunner (G) machte auf die Beiträge des Biolandbaus zum Klimaschutz aufmerksam und schlug vor, die gute Klimabilanz von Bioprodukten in der Agrarförderungspolitik zu berücksichtigen.

Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich teilte mit, dass noch keine detaillierten Vorschläge der Kommission zur "Greening"-Strategie in der europäischen Landwirtschaft vorliegen. Für eine arbeitskraftbezogene Berechnung von Agrarförderungen habe sich Dacian Ciolos offen gezeigt, Großbetriebe, etwa im Osten Deutschlands würden Förderungen verlieren. In Österreich gelte ein arbeitskraftbezogener Ansatz in der Förderungspolitik schon derzeit, sagte der Minister, etwa bei der Bergbauernförderung und im Umweltprogramm. Eine einheitliche Prämiengestaltung für alle Bauern in Europa wäre angesichts der sehr unterschiedlichen Lebenshaltungskosten in den europäischen Regionen weder gerecht noch sachlich begründbar, sagte der Minister.

Österreich sei in der EU Nettozahler, die österreichischen Bauern profitieren aber von der EU-Agrarpolitik, weil sie einen größeren Anteil an den Förderungen haben, die aus Brüssel nach Österreich zurückfließen. Wer sich über die Konsultationen bei der GAP-Reform informieren möchte, könne alle Stellungnahmen auf der Website der EU-Kommission herunterladen, teilte der Minister mit.

Die Nebenerwerbsbauern bezeichnete der Minister als wesentliche Stütze der österreichischen Landwirtschaft und sollen auch künftig entsprechend berücksichtigt werden, stellte Berlakovich außer Streit. Klar sei, dass Österreich auch in Zukunft Wert darauf legen wird, in den Berggebieten Landwirtschaft aufrecht zu erhalten.

Beim Naturschutz bekannte sich der Landwirtschaftsminister dazu, Produktionseinschränkungen in "Natura 2000"-Gebieten im Rahmen des Vertragsnaturschutzes abzugelten. Doppelförderungen, etwa beim Schutz des Grundwassers, wie sie die Abgeordneten Josef Muchitsch und Kurt Gaßner (beide S) kritisierten, hielt der Minister für ausgeschlossen.

Skepsis ließ Berlakovich gegenüber der Absicht erkennen, Förderungen in der 1. Säule an Umweltleistungen zu koppeln; Berlakovich warnte an dieser Stelle vor zusätzlichem bürokratischen Aufwand bei den Kontrollen. "Hausgemachte Agrarbürokratie" bestehe im Bereich des Österreichischen Programms für eine umweltgerechte Landwirtschaft. Zu dieser Bürokratie bekenne er sich, weil es notwendig sei, zu kontrollieren, ob die Leistungen, die gefördert werden, auch tatsächlich erbracht werden. Auch beim ÖPUL sah der Minister aber Möglichkeiten zur Entbürokratisierung, die er nutzen wolle. Die AMA prüfe nicht mehr, als von der EU vorgeschrieben werde, sagte der Ressortleiter.

Uneingeschränkt unterstütze er die Zielsetzung, die Lebensmittelproduktion in Europa zugleich rentabler und nachhaltiger zu gestalten und die räumliche Entwicklung zu fördern. Aus österreichischer Sicht kommt dazu die Zielsetzung, die kleinbetrieblich strukturierte Landwirtschaft aufrecht zu erhalten.

"Wenn auf einem Gütezeichen Österreich draufsteht, soll auch Österreich drin sein", sagte Berlakovich, merkte aber an, dass für Gütezeichen nicht er, sondern Gesundheitsminister Stöger zuständig ist.

In einer weiteren Verhandlungsrunde drängte Abgeordnete Rosemarie Schönpass (S) auf Maßnahmen, um Futtermittelskandale künftig zu verhindern. Abgeordneter Hermann Schultes (V) plädierte vehement dafür, Interventionslager für Getreide wieder einzuführen, um auch dann Getreide zu stabilen Preisen anbieten zu können, wenn Spekulanten die Preise weiter in die Höhe treiben wollen.

Bundesminister Berlakovich sah keine Lücke in der Kette der Lebensmittelkontrolle in Österreich. Auch Deutschland beabsichtige angesichts des jüngsten Futtermittelskandals die Einrichtung eines Kontrollsystems nach österreichischem Vorbild. Abschließend bekannte sich der Minister zur Zielsetzung, Österreich energieautark zu machen und teilte mit, dass der Wirtschaftsminister an einer Novellierung des Ökostromgesetzes arbeite.

Ausschuss verweist Anträge der Opposition in die Warteschleife

Unter Hinweis auf noch ausständige Gespräche wurde im Anschluss an die Aussprache eine Initiative der Grünen vertagt, in der Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber Maßnahmen anlässlich des Dioxin-Skandals in Deutschland und dessen Auswirkungen auf Österreich forderte.

Zwei weitere Anträge Pirklhubers betrafen die Berücksichtigung ökologischer Kriterien bei der Beschaffung von Lebensmitteln in öffentlichen Einrichtungen des Bundes sowie Maßnahmen gegen Spekulationen mit Agrarrohstoffen. Sie wurden ebenso vertagt wie ein Vorstoß des Abgeordneten Gerhard Huber (B) in Richtung von Maßnahmen zur Milchpreisregelung in Österreich als Vorbereitung für eine europäische Gesamtlösung.

Abgeordneter Hermann Gahr (V), der auf den hohen Anteil der biologischen Landwirtschaft in Österreich verwies, meinte, in der Frage der Lebensmittelbeschaffung gehe es vor allem darum, das Angebot noch weiter zu verbessern und den Markt "vernünftig" für Bioprodukte zu öffnen. Beim Thema Spekulation mit Agrarrohstoffen werde an einem Fünf-Parteien-Antrag gearbeitet, was die Milchpreisregelung betrifft, sei wiederum die Entwicklung auf EU-Ebene abzuwarten.

Saatgut und Bienensterben: Minister will Studie abwarten

Keine Entscheidung traf der Ausschuss in der Frage eines allfälligen Verbots von bestimmten Saatgutbeizmitteln. Sowohl Abgeordneter Gerhard Huber (B) als auch Abgeordneter Harald Jannach (F) sprachen von einem Zusammenhang zwischen gebeiztem Saatgut und dem Bienensterben, ihre Anträge (1109/A(E), 1113/A(E)) betreffend ein Verbot wurden aber vertagt.

Bundesminister Nikolaus Berlakovich wies auf das noch laufende mehrjährige AGES-Projekt MELISSA hin, das die Ursachen des Bienensterbens untersucht, und sagte eine Entscheidung nach Vorliegen des Endergebnisses der Studie zu.

Abgeordneter Hermann Schultes (V) erinnerte an ein in Niederösterreich erfolgreich gemeinsam mit den Imkern umgesetztes Programm, das vor allem verschärfte Auflagen bei der Zulassung von gebeiztem Saatgut sowie einen entsprechenden Umbau der Aussaatgeräte vorsieht, gab aber gleichzeitig zu bedenken, angesichts der akuten Bedrohung durch Schädlinge sei für die Maisbauern der Einsatz von gebeiztem Saatgut in vielen Fällen unverzichtbar.

Die Abgeordneten Christiane Brunner und Wolfgang Pirklhuber (beide G) unterstützten die Initiativen von BZÖ und FPÖ und übten ebenso wie die Abgeordneten Gerhard Huber (B), Josef Riemer und Harald Jannach (beide F) heftige Kritik an der Vertagung. Die Ergebnisse der Studie seien eindeutig, gerade im Hinblick auf die kommende Aussaat beim Mais wäre jetzt der richtige Zeitpunkt für ein Verbot nach deutschem und italienischem Vorbild, meinten sie. (Schluss)