Parlamentskorrespondenz Nr. 477 vom 12.05.2011

EU will Investitionen besser schützen und Handelshemmnisse abbauen

EU-Unterausschuss bekräftigt Schutz öffentlicher Dienstleistungen

Wien (PK) – Im ersten Teil des heutigen EU-Unterausschusses des Nationalrats ging es um wirtschaftspolitische Themen, konkret um Investitionsschutzabkommen mit Drittländern sowie um den Abbau von Handels- und Investitionshindernissen. Die diesbezüglichen Initiativen wurden von den Abgeordneten aller Parteien grundsätzlich begrüßt, sie teilten die Meinung von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, dass eine gemeinsame europäische Investitionspolitik Rechtssicherheit besser gewährleisten könne. Dies sei auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Direktinvestitionen in Drittländer steigen. Positive Effekte seien auch im Zuge der gemeinsamen Anstrengungen zum Abbau von Handelshemmnissen zu erwarten, da vor allem Staaten in Krisensituationen immer wieder zu protektionistischen Maßnahmen greifen, sagte der Ressortchef.

In diesem Zusammenhang diskutierten die Abgeordneten auch die laufenden Verhandlungen über ein Abkommen über wirtschaftliche Integration mit Kanada, wobei mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Grünen mehrheitlich ein Antrag der Koalitionsparteien hinsichtlich des Schutzes öffentlicher Dienstleistungen angenommen wurde. Darin halten die Ausschussmitglieder fest, dass es zu keiner weiteren Liberalisierung bzw. Deregulierung von geschützten öffentlichen Dienstleistungen kommen dürfe und am Schutzniveau der bisherigen horizontalen Ausnahmen für öffentliche Dienstleistungen grundsätzlich festgehalten werden müsse. Das Recht der Mitgliedstaaten, über Definition, Organisation und Anforderungen an öffentliche Dienstleistungen zu entscheiden, muss nach Ansicht der AntragstellerInnen ebenso gewahrt bleiben wie das Subsidiaritätsprinzip. Den Mitgliedstaaten habe daher weiterhin offen zu stehen, ihre sensiblen öffentlichen Dienstleistungen in künftigen Handelsverhandlungen abzusichern. Die Rolle der öffentlichen Dienstleistungen, wie dies im Vertrag von Lissabon festgelegt ist, dürfe keinesfalls ausgehöhlt werden. Bundesminister Reinhold Mitterlehner stellte dazu dezidiert fest, dass es in dieser Frage keineswegs um Privatisierungen und Deregulierungen gehe. Dies sei bei den Freihandelsabkommen ausgeklammert, versicherte er. Eine weitere Zementierung sei daher aus seiner Sicht nicht notwendig, der Antrag unterstütze jedoch die Linie.

Mehr Rechtssicherheit und besserer Schutz von Menschenrechten

Grundlage für die Diskussion zum Investitionsschutz war ein Vorschlag der Kommission für eine Verordnung zur Einführung einer Übergangsregelung für bilaterale Investitionsabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern sowie die Mitteilung der Kommission mit dem Titel "Auf dem Weg zu einer umfassenden europäischen Auslandsinvestitionspolitik". Mit dem Abschluss von Investitionsschutzabkommen wird die Rechtssicherheit für Investoren in Drittstaaten, zum Beispiel durch die Verpflichtung, unfaire und diskriminierende Behandlung zu vermeiden, oder die Garantie einer unverzüglichen, angemessenen und effektiven Entschädigung im Fall einer Enteignung, wesentlich verbessert.

Wie Bundesminister Reinhold Mitterlehner erläuterte, seien bislang Investitionsschutzabkommen bilateral abgeschlossen worden, der Vertrag über die Arbeitsweise der EU sehe aber eine neue Unionskompetenz für ausländische Direktinvestitionen vor. Es gehe nun darum, eine Übergangsregelung zu schaffen, wobei vorgesehen sei, dass alle bestehenden bilateralen Investitionsschutzabkommen der Mitgliedstaaten mit Drittländern aufrecht erhalten bleiben, diese aber von der Kommission notifiziert werden müssen. Das diene auch der Rechtssicherheit. Der Vorschlag sieht weiters Regelungen vor, wie bestehende Abkommen geändert und unter welchen Bedingungen neue abgeschlossen werden können, wobei ein Genehmigungsrecht der Kommission verankert wird.

Der Bundesminister unterstrich, die EU lege großen Wert auf Kohärenz zwischen ihrer Investitionspolitik und den Zielen der EU-Außenpolitik. Das bedeute, dass etwa die Förderung von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung Kernelemente beim Abschluss derartiger Abkommen darstellen werde. Auch die OECD habe Leitsätze für multinationale Unternehmen als ein wichtiges Instrument formuliert, um Rechte und Verantwortlichkeiten von Investoren in Einklang zu bringen. Um die effektive Durchsetzbarkeit von Ansprüchen sicherzustellen, sollen zukünftige EU-Abkommen auch "state-of-the-art" Streitschlichtungsregelungen einschließlich der Möglichkeit von Investor-Staat-Streitschlichtung beinhalten, berichtete der Wirtschaftsminister.

In der Diskussion wurde die Initiative der EU allgemein als sinnvoll begrüßt. Abgeordneter Franz Glaser (V) betonte insbesondere die Bedeutung der Rechtssicherheit, Abgeordneter Gerhard Deimek (F) meinte, dass sich die EU dieses Thema annimmt, sei vor allem für kleinere Staaten wie Österreich wichtig.

Abgeordnete Petra Bayr (S) erinnerte an den runden Tisch im Parlament zur europäischen Investitionspolitik vom 8. März dieses Jahres (siehe PK-Meldung Nr. 220/2011), wo man eingehend die Chancen aber auch die Gefahren für die betroffenen Länder durch die Investitionspolitik erörtert habe. Die Abgeordnete betrachtete den gegenständlichen Vorstoß der EU als eine Chance für einen Neuanfang, als eine Chance, die entwicklungspolitische Kohärenz herzustellen und Begriffe klar zu definierten. Ihrer Ansicht nach müssen positive Diskriminierungen möglich sein.

Dem schloss sich Abgeordnete Judith Schwentner (G) vollinhaltlich an. Für sie ist es wichtig, dass auch die bestehenden Verträge genau in Bezug auf Umweltschutz, Menschenrechte, Verbraucherstandards, etc. geprüft werden. Demgegenüber vertrat Abgeordneter Gerhard Deimek (F) die Auffassung, dass Menschenrechte im Bereich der Investitionspolitik eher sekundär seien.

Befürchtungen, wonach sozialrechtliche, menschenrechtliche oder umweltpolitische Standards gesenkt werden könnten, hielt Bundesminister Reinhold Mitterlehner für wenig berechtigt. Die österreichischen Verträge würden sogar als Vorbild angesehen, und angesichts des vorliegenden Mustertextes sei davon auszugehen, dass der Schutz nach oben geht.

Die Transparenz bei den Schiedsgerichtsverfahren wurde von Abgeordneter Petra Bayr (S) genauso eingefordert wie von den Abgeordneten Judith Schwentner (G) und Ewald Stadler (B). Stadler kritisierte überdies das komplizierte Notifizerungsverfahren. Wirtschaftsminister Mitterlehner stimmte der Forderung nach mehr Transparenz beim Schiedsgericht uneingeschränkt zu. Er räumte aber ein, dass das Procedere bei den bilateralen Verträgen problematisch sein könnte. Auf die Frage, warum dies nicht innerhalb der WTO geregelt werden könne, meinte der Minister, man habe darüber bereits im Jahr 2000 verhandelt, jedoch ohne Erfolg.

EU ist bestrebt, bestehende Handelshemmnisse abzubauen

Der Bericht der Kommission über Handels- und Investitionshindernisse ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die EU einen fairen Zugang europäischer Unternehmen zu Märkten außerhalb der EU sicherstellen möchte. Der Schaden, der der EU jährlich durch Handelshemmnisse entsteht, werde auf 90 bis 130 Mrd. € geschätzt, erläuterte Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, das entspreche 9-12% der gesamten EU-Exporte aus dem Jahr 2009. Die EU stehe als größter Handelsblock der Welt bei den ausländischen Direktinvestitionen an erster Stelle, deshalb sei die EU bestrebt, in Form von bilateralen Verhandlungen aber auch innerhalb der WTO bis hin zu Streitschlichtungsverfahren den Abbau all dieser Hemmnisse voran zu treiben.

Abgesehen davon wird das globale Wirtschaftswachstum zu 90% in Zukunft außerhalb Europas erzielt werden. Dem Bericht der Kommission zufolge besteht die Herausforderung in erster Linie nicht darin, Warenzölle zu senken, sondern in der Überwindung rechtlicher  Schranken, in der Erleichterung des Marktzugangs für Dienstleistungen und Investitionen, in der Öffnung der Märkte für öffentliche Beschaffungsvorhaben, im besseren Schutz und energischer Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und im Abbau ungerechtfertigter Hemmnisse, die die nachhaltige Versorgung mit Rohstoffen behindern.

So gibt es beispielsweise Probleme im Handel mit China und Russland, etwa wegen Marktzugangshindernissen und im Hinblick auf die unzureichende Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums sowie durch aufwändige Zertifizierungs- und Zollverfahren. Auch die Rahmenbedingungen in Indien bezeichnet die Kommission als "nach wie vor restriktiv" und beklagt zu hohe Zölle. Weitere Probleme werden im Handel mit Japan, Brasilien, Argentinien, aber auch mit den USA aufgelistet. Hier stellen unter anderem die Bestimmungen über das 100%ige Scanning ein großes Hindernis dar, das erhebliche und praktische Auswirkungen auf die Ausfuhren nach sich ziehen könnte.

Auf der Tagesordnung stand auch das geplante Abkommen über wirtschaftliche Integration mit Kanada, das über die derzeitigen WTO-Verpflichtungen hinausgehen soll. Beabsichtigt ist die schrittweise beiderseitige Liberalisierung des Waren- und Dienstleistungshandels. Die Verhandlungen dazu laufen seit zwei Jahren.

Abgeordneter Christoph Matznetter (S) unterstützte ein gemeinsames europäisches Vorgehen, um Schikanen gegen inländische Unternehmen abzubauen, mahnte aber bei der Ausverhandlung des Abkommens mit Kanada große Sorgfalt ein. Ein sensibles Problem sei immer die Daseinsvorsorge, d.h. hochqualitative Dienstleistungen, gewesen, die von der Liberalisierung ausgenommen werden müssten. Matznetter nannte in diesem Zusammenhang etwa die Wasserversorgung, die Müllentsorgung und das Bildungswesen. Die derzeit zur Diskussion stehenden Negativlisten hielt er für kein geeignetes Mittel, er plädierte eher dafür, Positivlisten zu erstellen. Der Minister gab in diesem Punkt Matznetter Recht, Kanada habe aber bislang, wie er sagte, damit positive Erfahrungen gemacht, für die EU sei dies ein Neuland und eine Herausforderung. Öffentliche Dienstleistungen seien in Österreich von großem Interesse, bei Freihandelsabkommen blieben diese jedoch von der Liberalisierung und Deregulierung ausgeklammert, versicherte er.

Der von den Koalitionsparteien eingebrachte Antrag zum Schutz der öffentlichen Dienstleistungen wurde von den Grünen (Abgeordnete Judith Schwentner) grundsätzlich unterstützt, sie kritisierte jedoch die unklare und unterschiedliche Verwendung des Begriffs der öffentlichen Dienstleistungen. Dieser Befund wurde auch von Abgeordnetem Ewald Stadler (B) geteilt.

Abgeordneter Karl Donabauer (V) begrüßte das Vorhaben der EU und meinte, die Tatsache, dass das globale Wirtschaftswachstum in den nächsten Jahren zu 90% außerhalb Europas stattfinde, sei alarmierend. Man müsse daher die Gründe dafür analysieren und er hoffe, dass sich Europa entsprechend positionieren könne. Ähnliche Sorgen wurden von Abgeordnetem Gerhard Deimek (F) geäußert. Beide Mandatare sprachen dann auch konkrete Hemmnisse und Verwerfungen im Bezug auf Arbeitsrechte und Umwelt im Handel mit anderen Ländern an. Es sei hier die Frage, wie man diese mächtigen Wirtschaftskörper in die Pflicht nehmen könne. Dazu informierte Bundesminister Mitterlehner über den bestehenden High-Level-Dialog zwischen EU und China, in dessen Mittelpunkt der Schutz des geistigen Eigentums stehe. Der Abschluss eines Investitionsschutzabkommens sei jedoch noch nicht gelungen. Auch mit Japan liefen Verhandlungen.

(Fortsetzung EU-Unterausschuss)