Parlamentskorrespondenz Nr. 692 vom 06.07.2011

Heinisch-Hosek lädt zum Reformdialog über den öffentlichen Dienst

Österreichs BeamtInnen im EU-Vergleich: Mehr Arbeit, weniger Geld

Wien (PK) – "Modern, serviceorientiert, sparsam – Perspektiven für den öffentlichen Dienst". So lautete heute das von der SPÖ vorgeschlagene Thema der Aktuellen Stunde, die die drei Sitzungstage des Nationalrats einleitete. Anlass dafür boten Thesen und Empfehlungen einer Expertengruppe zur Reform des öffentlichen Dienstes, die Bundesministerin Heinisch-Hosek kürzlich vorgelegt hat.   

Der Start zum Dialog über die Reform des öffentlichen Dienstes war für Abgeordneten Günther KRÄUTER (S) einer von vielen Gründen, die er dem Vorwurf der Opposition entgegenhielt, die Bundesregierung habe einen Stillstand in Österreich zu verantworten. Kräuter erinnerte daran, wie rasch und erfolgreich die Regierung mit Konjunkturpaketen und Arbeitsmarktprogrammen auf die Krise reagiert und Österreich damit beim Wirtschaftswachstum in der EU an die zweite Stelle hinter Deutschland gebracht hat. 

Reformsignale seien auch aus den Bundesländern zu hören. In der Steiermark hätten Landeshauptmann Voves und Landeshauptmann-Stellvertreter Schützenhöfer eine Reformagenda für die Landesverwaltung vereinbart, die sich sehen lassen könne. Für frischen Wind sorgten auch Landeshauptfrau Gabi Burgstaller in Salzburg und Respekt sei laut Kräuter auch dem Kärntner Landeshauptmann Dörfler zu zollen, der gemeinsam mit Bundeskanzler Faymann und dessen Staatssekretär Josef Ostermayer in der Ortstafelfrage für eine Lösung gesorgt hat. Lob spendete Kräuter auch dem Vorarlberger Landeshauptman Sausgruber, der seine Blockade beim Pflegefonds aufgegeben hat. Es sei ein spektakulärer Erfolg der Bundesregierung, die auszahlenden Stellen beim Pflegegeld von mehr als dreihundert auf acht reduziert zu haben. Auch der Bundesrat habe mit seiner Initiative für die Bundesländergrenzen überschreitende Zusammenarbeit der Gemeinden auch bei hoheitlichen Aufgaben einen wichtigen Reformimpuls gesetzt. Und zudem attestiere die OECD Österreich, bei der Effizienzsteigerung im öffentlichen Dienst die größten Fortschritte unter allen Industrieländern erreicht zu haben.

Das Reformkonzept von Bundesministerin Heinisch-Hosek ziele darauf ab, die Pragmatisierung künftig auf ExekutivbeamtInnen, FinanzprüferInnen, RichterInnen und StaatsanwältInnen zu begrenzen, hob Kräuter hervor und sprach die Hoffnung aus, dass die Medien den Reformprozess konstruktiv begleiten werden.

Auch in der Gesellschaftspolitik sei keinerlei Stillstand zu beobachten, meinte Kräuter und machte auf die Diskussion über mehr Gerechtigkeit bei der Einkommens- und Vermögensverteilung aufmerksam. Die 37.000 MillionärInnen seien stärker zu besteuern, damit LeistungsträgerInnen und Mittelstand entlastet werden können, forderte Günther Kräuter abschließend.

Bundesministerin Gabriele HEINISCH-HOSEK leitete ihre Stellungnahme mit einem Lob für die MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst in Österreich ein, der auch von der jüngsten OECD-Studie sehr gut bewertet wird. Dennoch sei es notwendig, weiter zu gehen und den öffentlichen Dienst fit für das 21. Jahrhundert zu machen. Dafür lud die Ministerin zu einem Reformdialog. Dabei gehe es um Reformen für 450.000 Menschen, die im öffentlichen Dienst tätig sind und zugleich um die BürgerInnen, die den Sozialstaat, das staatliche Bildungssystem, das Gesundheitswesen und die gesamte staatliche Infrastruktur brauchen. Schon heute gehe der öffentliche Dienst bei der Lehrlingsausbildung beispielgebend voran. Tausende junge Menschen absolvieren eine Lehre in der Verwaltung und haben die Möglichkeit, den Lehrabschluss mit der Matura zu verknüpfen. Die Verwaltungsakademie sorge für eine exzellente Weiterbildung, sagte die Ministerin und stellte dar, wie die BürgerInnen von den Modernisierungsfortschritten der Verwaltung profitieren: Durch Verbesserung des Informations- und Serviceangebots, durch die Möglichkeit, sich Amtswege zu ersparen, sei es bei den Finanzämtern oder den Gerichten. Künftig soll der Einsatz der MitarbeiterInnen durch moderne Potentialanalysen ihrer Fähigkeiten verbessert werden, altersgerechtere Arbeitsplätze sollen Frühpensionierungen vermeiden helfen. Die elektronische Kommunikation soll bei Wahrung der digitalen Selbstbestimmung weiter modernisiert werden, führte Ministerin Heinisch-Hosek aus.

Abgeordnete Angela LUEGER (S) verwahrte sich gegen die oft verkürzten medialen Darstellungen des öffentlichen Dienstes und machte darauf aufmerksam, dass Österreich die Effizienz seiner Verwaltung zuletzt durch eine Personaleinsparung von 2,1 Prozent erhöht hat. Die diesbezügliche OECD-Studie spreche dazu eine sehr positive Sprache. Die Abgeordnete merkte aber auch an, dass die öffentlich Bediensteten in Österreich im Durchschnitt mehr arbeiten als anderswo, bedauerlicherweise aber weniger verdienen. Die Rednerin plädierte dafür, die Vorreiterrolle des öffentlichen Dienstes bei der Lehrlingsausbildung zu erhalten, seine Bedeutung in den Bereichen Bildung, Sicherheit und Pflege öffentlich stärker zu unterstreichen und den öffentlichen Dienst in der Zukunft für junge Menschen attraktiver zu gestalten.

Abgeordnete Dorothea SCHITTENHELM (V) sah die geplanten Reformen in der Steiermark positiv, wies aber auch darauf hin, dass dieses Land in den letzten Jahren 5 Mrd. € an Schulden angehäuft hat. Kritik übte die Rednerin am Bundesland Wien, das als letztes Land sein Pensionssystem noch nicht harmonisiert hat, was enorme Mehrkosten nach sich ziehe und Kritik des Rechnungshofs hervorrufe.

Die Expertenthesen und –empfehlungen, die die Ministerin zum öffentlichen Dienst vorgelegt hat, entsprächen den Vorschlägen der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, sagte Schittenhelm, die ebenfalls darauf hinwies, dass die öffentlich Bediensteten im Vergleiche zum OECD-Durchschnitt mehr arbeiteten aber weniger verdienten. Wir brauchen eine Verwaltungsreform, sagte sie, zuvor aber Antworten auf die beiden zentralen Fragen: Welche Leistungen soll der Staat in welcher Qualität anbieten und was erwarten die BürgerInnen. Die Politik sei jedenfalls dazu aufgerufen, entsprechende Gesetze zu beschließen und diese so zu formulieren, dass sie auch umgesetzt werden können.

Abgeordneter Werner HERBERT (F) sprach die Befürchtung aus, dass die geplanten Reformen in der Steiermark letztlich zu Lasten der BürgerInnen gehen werden. Auch Herbert bestätigte, dass die öffentlich Bediensteten hervorragende Leistungen in einer Vielzahl von Berufen erbringen, sei es als PolizistInnen, RichterInnen, StaatsanwältInnen oder LehrerInnen. Reformbedürftig sei daher das nach wie vor einheitliche Dienstrecht, das der Abgeordnete durch jeweils passende Berufsrechte ersetzen möchte. Für besonders dringend hielt er ein eigenes Exekutivdienstrecht und ein eigenes Militärdienstrecht. Notwendig sei auch die Sanierung der vielen abgedienten Büros und eine bessere Ausrüstung. Das dafür notwendige Geld will Herbert durch weniger Verschwendung in den Ministerbüros und in manchen Chefetagen aufbringen.  

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) nahm die Einladung zum Reformdialog über den öffentlichen Dienst gerne an und setzte sich konkret mit den Problemen der KindergartenpädagogInnen auseinander. Auf der einen Seite fordere man die individuelle Förderung aller Kinder, auf der anderen verweigere man den PädagogInnen aber die Rahmenbedingungen, die sie brauchen, um diese Arbeit leisten zu können. In Österreich fehle es an einheitlichen Standards für KindergartenpädagogInnen, an Regelungen für die Zahl der Kinder in den Betreuungsgruppen. Auch Fortbildung, Supervision und Gehälter der PädagogInnen seien von Land zu Land und von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich geregelt. Als äußerst bedenklich bezeichnete die Rednerin, dass KindergartenpädagogInnen in vielen Gemeindekindergärten für ihre wichtige Arbeit unter dem Mindestlohn bezahlt werde, der für die Arbeit in Privatkindergärten gilt.

Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) meinte, es sei nun an der Zeit, die von der SPÖ lange versprochene Reform des öffentlichen Dienstes endlich einzuleiten. Eine solche Reform werde durch die bei den öffentlich Bediensteten weit verbreitete "innere Kündigung" und das weit verbreitete Burnout-Phänomen geradezu erzwungen, sagte der Redner. Bei den BeamtInnen herrsche ein massiver Vertrauensverlust gegenüber der Bundesregierung. Von den tausend zusätzlichen ExekutivbeamtInnen, die man versprochen habe, sei in den Dienststellen noch kein/e Einzige/r gesehen worden. Der Versuch, ehemalige Postbedienstete mit Prämien in das Innenressort zu locken, habe in einem Flop der Sonderklasse geendet, erinnerte Windholz. Auch die Kasernen seien in einem katastrophalen Zustand und der Verteidigungsminister mit Sicherheit der schlechteste Ressortleiter der Zweiten Republik, kritisierte der Abgeordnete. Das BZÖ stehe für eine Reform des öffentlichen Dienstes als Partner zur Verfügung, sofern es darum gehe, die Verwaltung zu entbürokratisieren, schlanker und flexibler zu gestalten und ein gerechtes Besoldungssystem mit höheren Einstiegsgehältern und einer flacheren Kurve herbeizuführen.

Abgeordneter Otto PENDL (S) hielt das heute diskutierte Thema für ein wichtiges, um das es sich ernsthaft anzunehmen gelte. Wer in Regierungsverantwortung für Einsparungen bei der Polizei gesorgt habe, dürfe jetzt nicht über mangelnde personelle Ausstattung der Exekutive klagen, hielt der S-Mandatar in Richtung der Opposition fest. Der derzeitigen Bundesregierung sei es hingegen gelungen, 1.000 zusätzliche Planstellen in diesem Bereich zu schaffen. Den öffentlichen Dienst ausschließlich als Kostenfaktor zu betrachten, hielt der S-Mandatar für verfehlt: Er sei schließlich ein wichtiger Garant für die Rechtssicherheit und den Wirtschaftsstandort Österreich, gab der Abgeordnete zu bedenken, und seine MitarbeiterInnen leisteten hervorragende Arbeit. Was es brauche, sei eine moderne, zeitgemäße öffentliche Verwaltung auf allen Ebenen: Um diesem Ziel näherzukommen, müsse man mit allen Gebietskörperschaft in Dialog treten und in einem nächsten Schritt ausloten, wie man die Dienstleistungen, die man anbieten wolle, auch umsetzen könne, hielt Pendl fest.

V-Mandatar Johann SINGER hielt fest, dem Öffentlichen Dienst, dem in Österreich 350.000 Menschen angehörten, werde international ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt: Er sei "entschlankt" und weise ein hohes Niveau auf, durch das es etwa auch möglich sei, Herausforderungen im Bereich e-Governance anzunehmen. Um den öffentlichen Dienst aber für jüngere ArbeitnehmerInnen attraktiv zu gestalten, gelte es, über ein besoldungsrechtliches System nachzudenken, dass höhere Einstiegsgehälter und einen flacheren Gehaltsanstieg vorsieht, meinte Singer. Auf die demografische Entwicklung müsse man außerdem mit neuen Konzepten reagieren. Der öffentliche Dienst brauche schließlich Durchlässigkeit und höhere Flexibilität, um ihn als Arbeitgeber attraktiv zu halten, schloss Singer.

F-Abgeordneter Walter ROSENKRANZ meinte, die Koalition solle sich überlegen, welche Richtung sie einschlagen wolle: Wenn einer den Vorwärts- und der andere den Rückwärtsgang einlege, komme man schließlich nicht von der Stelle. Was den öffentlichen Dienst anbelange, wage Bundesministerin Schmied nicht einmal kleine Reformschritte. Dabei wäre die Frage des Lehrerdienstrechts dringend zu klären, um einem Mangel an Lehrpersonal wirksam entgegenzuwirken, stand für Rosenkranz fest. In Angriff zu nehmen gelte es auch das Problem des Proporzes, doch scheuten sich die Großparteien davor. Sein Aufruf an die Bundesregierung laute deshalb schlicht: "Tun Sie etwas!"

Auch Abgeordneter Harald WALSER (G) sprach in Anlehnung an seinen Vorredner von einer "Themenverfehlung" der Aktuellen Stunde. Davon, dass sich die Bundesregierung bei den BeamtInnen bedanke, könnten sich diese schließlich "nichts kaufen": Die notwendigen Strukturreformen, die man etwa im Schulbereich zur Diskussion gestellt habe, ließen weiterhin auf sich warten. Dass Bundesministerin Schmied die großen Würfe, die im Bildungsbereich dringend erforderlich wären, in dieser Legislaturperiode nicht mehr in Angriff nehmen wolle, bedeute, so Walser, einen "Kniefall vor den Landesfürsten". Das österreichische Schulsystem sei keineswegs serviceorientiert oder kostengünstig, sondern veraltet und überteuert: Angesichts dieser Tatsache eine Aktuelle Stunde unter den Schlagworten "Modern, serviceorientiert, sparsam" durchzuführen, hielt der G-Mandatar für "puren Hohn".

B-Mandatar Christoph HAGEN warf Bundesministerin Heinisch-Hosek vor, "Privilegienrittertum" zu betreiben und meinte, man habe bereits genug für den "rot-schwarzen Proporz" gezahlt. Er forderte vor diesem Hintergrund die Schaffung eines einheitlichen Pensionssystems für BeamtInnen und ASVG-Bedienstete mit einem Lebensarbeitszeitmodell, das besondere Erschwernisse und geleistete Überstunden berücksichtige, sodass sich Leistung wieder lohne. Das von seiner Fraktion entwickelte transparente Pensionskonto gelte es umzusetzen und die Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger anzustreben, um die Verwaltung zu verschlanken und eine Kostenreduktion herbeizuführen, zeigte sich Hagen überzeugt.

Debatte zur Geschäftsbehandlung und Ankündigung einer Kurzdebatte

Vor Eingang in die Tagesordnung gab Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bekannt, dass um 15.00 Uhr eine Kurzdebatte über die Beantwortung der schriftlichen Anfrage betreffend "Vergabe von Aufträgen durch das BMI unter Bundesminister Ernst Strasser sowie unter seinen NachfolgerInnen an Unternehmen, mit denen Ernst Strasser nach Ablauf seiner Ministertätigkeit eine direkte oder indirekte Geschäftsverbindung einging" zum Aufruf gelangen wird. Diese findet auf Verlangen der FPÖ statt. 

Im Rahmen einer Debatte zur Geschäftsbehandlung verwies Abgeordneter Ewald STADLER (B) auf die seiner Ansicht nach "antiquierte Regelung" der tagungsfreien Zeit im Hohen Haus, die bei der Bevölkerung "zu Recht auf Empörung stoße". Er stellte daher die Anträge, alle Ausschüsse des Nationalrats zu beauftragen, ihre Arbeit auch in der tagungsfreien Zeit fortzusetzen, und eine Debatte über ebendiese Forderung abzuhalten. Stadler kündigte überdies an, dass seine Fraktion einen Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung einbringen wolle, da es in der tagungsfreien Zeit nicht einmal möglich sei, schriftliche Anfragen an Mitglieder der Bundesregierung zu richten. Damit könnten Abgeordnete ihre Interpellations- und Kontrollrechte nicht wahrnehmen, selbst wenn sie es wollten.

Abgeordneter Norbert HOFER (F) meinte, man könne dem Vorschlag des BZÖ inhaltlich durchaus nähertreten. Bei der Präsidialkonferenz hätte aber der B-Klubobmann keinen Einwand gegen das Ende der Tagung vorgebracht. Stadler falle ihm nunmehr mit seinem Antrag "brutal in den Rücken".

Der Antrag des BZÖ wurde von Nationalratspräsidentin Prammer unter Hinweis auf die Beschlussfassung über das Ende der Tagung im Rahmen der Plenarsitzung am Freitag nicht zugelassen. Abgeordneter Ewald Stadler kündigte jedoch an, ihn am passenden Plenartag nochmals einbringen zu wollen.

Maria Rauch-Kallat wieder im Nationalrat

Vor Eingang in die Tagesordnung nahm Präsidentin Barbara Prammer die Angelobung der ÖVP-Abgeordneten Maria Rauch-Kallat vor. Sie rückt auf das Mandat von Wilhelm Molterer nach, der kürzlich aus dem Nationalrat ausgeschieden ist. 

(Schluss Aktuelle Stunde/Fortsetzung Nationalrat)