Parlamentskorrespondenz Nr. 1235 vom 15.12.2011

Hundstorfer drängt auf "soziale Symmetrie" im Steuersystem

Sozialminister in der Fragestunde im Bundesrat

Wien (PK) – Die heutige Sitzung des Bundesrats wurde mit einer Fragestunde mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer eröffnet. Insbesondere ging es dabei um die geplante Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters, die Zukunft des Pflegefonds, den bestehenden Fachkräftemangel, die Schuldenbremse, die Arbeitsmarktsituation und die Mindestsicherung. Hundstorfer versicherte dabei, dass er im Rahmen der derzeit diskutierten langfristigen Absicherung der Pflegefinanzierung nicht am siebenstufigen Pflegegeldsystem rütteln wolle. Zudem verwies er auf die gute Beschäftigungslage in Österreich, die zur Folge hat, dass die AMS-Ausgaben heuer um 400 Mio. € unter den geschätzten Werten liegen werden. Mit mehr als 3,4 Millionen unselbständig Beschäftigten wurde Hundstorfer zufolge im November 2011 ein neuer Rekordwert erreicht.

Das erste Sparpaket zur beschleunigten Schuldenreduktion in Österreich wird laut Hundstorfer Ende Jänner, Anfang Februar am Tisch liegen. Er selbst drängte auf mehr "soziale Symmetrie" im Steuersystem und sprach sich unter diesem Aspekt für eine Anhebung der Vermögensbesteuerung aus.

Frage des Bundesrats Reinhard TODT (S/W)

: Wie ist der Umsetzungsstand der heuer durchgeführten Änderungen in Bezug auf die Invaliditätspensionen?

Antwort:

Sozialminister Hundstorfer informierte die BundesrätInnen darüber, dass das neue Projekt "Fit to work" bereits in drei Bundesländern implementiert sei und bis 2013 österreichweit eingeführt werde. Die Umsetzung erfolge in Kooperation mit privaten Trägern, die vom Sozialministerium beauftragt würden. Es gehe darum, die Leute länger und gesund im Arbeitsleben zu halten. In diesem Zusammenhang würden unter dem Stichwort "Rehab vor Pension" auch Umschulungen angeboten. Parallel gebe es ein verstärktes Beratungsangebot für Betriebe. Hundstorfer will außerdem die Bevölkerung für dieses Thema stärker sensibilisieren und kündigte in diesem Sinn eine Öffentlichkeits-Kampagne ab dem Februar 2012 an.

Dem von Bundesrat Josef Saller (V/S) in einer Zusatzfrage angesprochenen Umstand, wonach mehr als die Hälfte der Anträge auf Invaliditätspension mittlerweile psychische Störungen betreffen, will Hundstorfer mit Präventionsmaßnahmen und frühzeitiger Beratung der Betroffenen begegnen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf erfolgreiche Modelle in Finnland, Schweden und den Niederlanden. Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (G/N) wurde von Hundstorfer darüber informiert, dass bisher "ein paar hundert" Personen am neuen Rehabilitations-Programm teilgenommen haben.

Frage des Bundesrats Gregor HAMMERL (V/St)

:Wie ist der Stand der Vorbereitungen für die Umsetzung des Pflegefondsgesetzes?

Antwort:

Sozialminister Hundstorfer hielt fest, mittlerweile hätten sämtliche Bundesländer die Pflege-Daten für das Jahr 2010 an das Sozialministerium übermittelt. Damit sei die Voraussetzung für die Auszahlung des Bundesbeitrags zum Pflegefonds für das heurige Jahr erfüllt. Die Auszahlung soll Anfang nächster Woche erfolgen. Die Aufteilung zwischen den Bundesländern erfolgt laut Hundstorfer nach dem Bevölkerungsschlüssel, das sei zwischen den Bundesländern so vereinbart worden.

In Beantwortung einer Zusatzfrage von Bundesrat Peter Mitterer (F/K) hielt Hundstorfer fest, derzeit erarbeite eine Arbeitsgruppe ein Lösungspaket zur langfristigen Sicherung der Pflegefinanzierung über das Jahr 2014 hinaus. Das Ergebnis soll bis zum Jahresende 2012 vorliegen. Hundstorfer strebt dabei jedenfalls eine Beibehaltung des steuerfinanzierten Systems an. Die genaue Höhe der Einsparungen durch die Bündelung der Pflegegeldkompetenzen beim Bund konnte Hundstorfer Bundesrätin Adelheid Ebner (S/N) gegenüber nicht beziffern, er rechnet aufgrund der Reduktion der beteiligten Träger von 300 auf 8 aber mit deutlich niedrigeren Verwaltungskosten.

Frage der Bundesrätin Monika MÜHLWERTH (F/W):

Was gedenken Sie gegen den eklatanten Fachkräftemangel am österreichischen Arbeitsmarkt zu unternehmen?

Antwort:

Sozialminister Hundstorfer gab zu bedenken, dass es weltweit ein Problem mit Fachkräften gebe. Österreich habe aber ein bewährtes System der dualen Lehrlingsausbildung, betonte er. Derzeit stehen ihm zufolge 128.000 Lehrlinge in einem Lehrverhältnis, im ersten Lehrjahr konnte man ein kleines Plus von 1,9 Prozent verzeichnen. Um Defizite von SchülerInnen zu beseitigen und die Drop-out-Quote bei den Lehrlingen zu senken, seien zudem die Förderungen erweitert worden, nunmehr würden auch spezielle Angebote von Betrieben wie "Hauslehrer" oder SozialpädagogInnen unterstützt.

Abseits der Lehrlingsausbildung verwies Hundstorfer unter anderem auf die Schulungen für Arbeitslose, verschiedene Arbeitsstiftungen, spezielle Qualifizierungsangebote für arbeitslose Jugendliche, eine gezieltere Berufsberatung für SchülerInnen im Rahmen des Projekts "Jugendcoaching" und Programme, um mehr Frauen für handwerkliche und technische Berufe zu gewinnen. Um den Mangel an TechnikerInnen zu beseitigen, sieht er aber auch die Eltern gefordert.

Aufgrund des Umstands, dass die Zahl der Jugendlichen stetig sinkt und immer mehr Jugendliche eine weiterführende Schule besuchen, wird es nach Meinung von Hundstorfer aber auch weiterhin qualifizierter Zuwanderung nach Österreich bedürfen. In Wien strebten mittlerweile nur noch 25 Prozent eines Geburtsjahrgangs eine Lehre an, skizzierte der Minister. Selbst in Vorarlberg, wo das Verhältnis bisher 50 zu 50 betragen habe, komme es zu deutlichen Verschiebungen. Der Wintertourismus im Westen und im Süden sei ohne ausländische Arbeitskräfte nicht mehr zu bewerkstelligen, ist Hundstorfer überzeugt.

Frage der Bundesrätin Johanna KÖBERL (S/St):

Wie werden die Mittel des Pflegefonds 2012 auf die einzelnen Länder aufgeteilt?

Antwort:

Sozialminister Hundstorfer erklärte, es bleibe auch im Jahr 2012 dabei, dass die Pflegefondsmittel des Bundes nach dem Bevölkerungsschlüssel auf die Bundesländer aufgeteilt werden, auch wenn eine Altersgewichtung eine geringfügig geänderte Verteilung bewirkt hätte. Das Geld sei klar für Pflegeleistungen zweckgebunden.

Auf eine Zusatzfrage von Bundesrat Karl Petritz (V/K) präzisierte Hundstorfer die Pläne zur langfristigen Absicherung der Pflegefinanzierung. Er wies daraufhin, dass das Pflegesystem derzeit auf Basis von drei Säulen finanziert werde: Mittel der Städte und Gemeinden, Mittel des Bundes und Zahlungen der betroffenen Personen. Letztere leisten, wie er meinte, einen "ordentlichen Brocken" zu Pflegegeldfinanzierung. Allerdings gebe es für die Kostenbeiträge für die Betroffenen von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Regelungen, was dazu führe, dass die Bandbreite der Eigenfinanzierung von 19% bis 50% reiche.

Man müsse sich überlegen, inwieweit es hier Möglichkeiten der Vereinheitlichung gebe, sagte Hundstorfer. Am generellen System will er allerdings nicht rütteln. Die Beibehaltung des siebenstufigen Pflegegeldsystem per se sei, so der Sozialminister, kein Thema. In diesem Zusammenhang machte er auch darauf aufmerksam, dass 58% der PflegegeldbezieherInnen keine professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, sondern mit Hilfe von Angehörigen oder NachbarInnen betreut würden.

Frage der Bundesrätin Bettina RAUSCH (V/N):

Was planen Sie ganz konkret, um das faktische Pensionsantrittsalter bis 2020 um die unbestreitbar notwendigen 4 Jahre im Durchschnitt zu erhöhen?

Antwort:

Sozialminister Hundstorfer wertete es als illusorisch, das faktische Pensionsantrittsalter in den nächsten zehn Jahren um vier Jahre anheben zu können. Das habe bisher kein Land geschafft, argumentierte er. Selbst bei "progressiver" Vorgangsweise sei das Antrittsalter nur um zwei Jahre gestiegen. Das müsse auch Österreich anstreben. Es zähle allerdings jedes halbe Jahr, unterstrich der Minister, schließlich bringe jedes Jahr, das die ÖsterreicherInnen länger arbeiteten, inklusive BeamtInnen, Minderausgaben von 1,3 Mrd. €.

"Hauptsorgekind" bleibt laut Hundstorfer die Invaliditätspension. Ohne Invaliditätspensionen würde das durchschnittliche Pensionsantrittsalter bei Frauen bereits jetzt bei 59,3 Jahren, jenes der Männer bei 62,6 Jahren liegen, womit Österreich international im Mittelfeld sei. Lediglich bei Invaliditätspensionen ab dem fünfzigsten Lebensjahr sei Österreich, so Hundstorfer, "Weltmeister". Allerdings betrage die durchschnittliche Invaliditätspension von Frauen lediglich 590 € pro Monat. Hundstorfer wies auch darauf hin, dass 30 Prozent aller Pensionen aus der Arbeitslosigkeit angetreten würden. In diesem Sinn sieht er auch die Wirtschaft gefordert, adäquate Arbeitsplätze für ältere Beschäftigte zur Verfügung zu stellen.

In einer Zusatzfrage von Bundesrätin Rausch auf die ÖBB angesprochen, führte Hundstorfer aus, es gebe bei den ÖBB nur noch 5.000 MitarbeiterInnen im "Uraltpensionsrecht", die bis zum Jahr 2014 in Pension gehen können und in deren Einzelverträge nur durch ein Verfassungsgesetz eingegriffen werden könnte. Für alle anderen Beschäftigten gelte das normale ASVG-Pensionsrecht.

Zu den von Bundesrat Reinhard Pisec (F/W) angeschnittenen hohen Lohnnebenkosten merkte Hundstorfer an, bei älteren Beschäftigten entfalle der Arbeitslosenversicherungsbeitrag, ohne dass dies dazu geführt hätte, dass ältere Arbeitslose einen Arbeitsplatz bekommen hätten.

Frage des Bundesrats Stefan ZANGERL (Liste FRITZ/T):

Wie wird sich die Schuldenbremse auf die Bevölkerung, insbesondere auf die Familien, den Mittelstand, die ArbeitnehmerInnen, vor allem aber auf die Ärmsten auswirken?

Antwort:

Sozialminister Hundstorfer drängte darauf, bei den geplanten Sparmaßnahmen ausgewogen vorzugehen, auch wenn, wie er meinte, alle Bevölkerungsgruppen einen Beitrag werden leisten müssen. Jemandem, der lediglich über 800 € verfüge, könne man aber nicht 100 € wegnehmen, erklärte er. Hundstorfer setzt auf einen Mix von einnahmen- und ausgabenseitigen Maßnahmen, wobei seiner Ansicht nach ein sozial gerechteres Steuersystem notwendig ist. In diesem Sinn befürwortete er höhere Vermögenssteuern.

Genauere Details wollte Hundstorfer angesichts laufender Verhandlungen nicht nennen. Ein erstes Sparpaket muss ihm zufolge aber Ende Jänner, Anfang Februar am Tisch liegen, die "Deadline" für den Beschluss sei durch das im Frühjahr zu verabschiedende Bundesfinanzrahmengesetz vorgegeben.

Frage des Bundesrats Michael LAMPEL (S/B):

Welche Auswirkungen auf die Arbeitsmarktsituation, insbesondere im Tourismus, hatte die Ostöffnung des Arbeitsmarktes?

Antwort:

Sozialminister Hundstorfer betonte, es seien nach der Ostöffnung genauso viele ausländische Arbeitskräfte nach Österreich gekommen wie ursprünglich prognostiziert. Zur Stunde sind es ihm zufolge rund 22.000 Personen. Gleichzeitig sei das Saisonierkontingent gesenkt worden, wobei "punktuelle Probleme" in der Landwirtschaft im heurigen Sommer seiner Darstellung nach mittlerweile beseitigt sind.

Auf eine Zusatzfrage von Bundesrat Ferdinand Tiefnig (V/O) räumte Hundstorfer ein, dass die Arbeitslosenrate zuletzt wieder leicht gestiegen sei. Gleichzeitig habe man allerdings mit 3,4 Millionen unselbständigen Erwerbstätigen im November 2011 einen Rekordstand bei der Beschäftigung erzielen können, bekräftigte er. Gegenüber November 2010 ist das laut Hundstorfer ein Plus von 61.000 Beschäftigten. Durch die gute Beschäftigungslage komme es im Bereich des AMS auch zu Minderausgaben von 400 Mio. €.

Frage des Bundesrats Friedrich HENSLER (V/N):

Wo sehen Sie Schwachstellen bzw. Verbesserungsbedarf bei der Mindestsicherung, um die Entwicklung wirksam kontrollieren und Missbrauch zuverlässig vermeiden zu können?

Antwort:

Sozialminister Hundstorfer will die bedarfsorientierte Mindestsicherung wie vereinbart im Frühjahr 2012 unter Einbeziehung aller Bundesländer evaluieren. Dann werde sich auch zeigen, ob es Fehlentwicklungen gebe, denen man entgegensteuern müsse, meinte er. Hundstorfer verwahrte sich aber gegen die Darstellung, dass in Wien ein unverhältnismäßig hoher Aufwand bei der Mindestsicherung zu verzeichnen sei.

Bereits in der Vergangenheit habe es in Wien mit einem Verhältnis 6:1 deutlich mehr SozialhilfebezieherInnen gegeben als in Niederösterreich, umriss der Minister. Das Armutsgefährdungsrisiko liege im Großraum Wien bei rund 17 Prozent, in Niederösterreich bei 10 Prozent. Allerdings seien nur ein Viertel der MindestsicherungsbezieherInnen in Wien VollbezieherInnen, erläuterte Hundstorfer, drei Viertel erhielten eine Aufstockung ihres Einkommens, wobei es zum Teil nur um 30, 40 oder 50 € gehe. In Niederösterreich seien demgegenüber zwei Drittel VollbezieherInnen und nur ein Drittel "Aufstocker".

Bundesrat Ewald Lindinger (S/O) wurde vom Sozialminister darüber informiert, dass seit September 2010 15.900 MindestsicherungsbezieherInnen in den Arbeitsmarkt integriert werden konnten, davon 4.800 VollbezieherInnen. Im gleichen Zeitraum haben rund 32.000 BezieherInnen an einer Schulungsmaßnahme teilgenommen. Gegenüber Bundesrat Gerd Krusche (F/St) versicherte Hundstorfer, die Behörden würden bei einem Antrag auf Mindestsicherung auch prüfen, ob es Vermögenswerte im Ausland gebe. (Fortsetzung Bundesrat)


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