Parlamentskorrespondenz Nr. 491 vom 14.06.2012

Diskussion um Abwahlmöglichkeit von NationalratspräsidentInnen

Vorschläge liegen am Tisch, Fristsetzungsantrag der Grünen abgelehnt

Wien (PK) – Einen weiteren Anlauf, auch NationalratspräsidentInnen abberufen zu können, unternahmen heute im Plenum des Nationalrats die Grünen. Sie hatten am Vortag einen Antrag zum Bundes-Verfassungsgesetz eingebracht, wonach die PräsidentInnen des Nationalrats durch Beschluss des Plenums bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen abberufen werden können. Dazu forderten sie heute mittels eines weiteren Antrags auf, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung darüber eine Frist bis zum 3. Juli 2012 zu setzen. Der Antrag fand jedoch nicht die erforderliche Mehrheit.

Klubobfrau Eva GLAWISCHNIG-PIESCZEK (G) begründete den Vorstoß ihrer Fraktion damit, dass es aus ihrer Sicht einen Präsidenten gibt, der sich "für das Amt disqualifiziert" habe und der "Würde des Hauses nicht entspricht". Derzeit habe man jedoch keinerlei Möglichkeit, diesen wieder abzuwählen. Glawischnig-Piesczek formulierte gegenüber SPÖ und ÖVP den Vorwurf, Martin Graf zum Dritten Präsidenten gewählt zu haben, obwohl sein Gedankengut und jenes der Burschenschaft Olympia genau bekannt gewesen sei. Als dieser den damaligen Präsidenten der israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, beschimpft hat, sei es der Mehrheit des Hauses klar gewesen, dass mit dieser Wahl ein Fehler passiert ist. Dennoch habe man daraus keine gesetzlichen Konsequenzen gezogen, bedauerte Glawischnig-Piesczek. Nunmehr sei bekannt geworden, dass er eine 90-jährige Frau hintergangen hat, sich selbst aber zum Opfer der alten Dame erkläre. Die G-Mandatarin übte auch heftige Kritik am Versuch Grafs, den Beitrag in der Sendung "Report" mit einer einstweiligen Verfügung zu stoppen. Besonderen Anstoß nahm sie daran, dass Graf dieses Vorgehen damit begründet hat, dass er von 109 Abgeordneten in die Funktion des Dritten Nationalratspräsidenten wegen seines "untadeligen Rufs" gewählt worden sei. Glawischnig-Piesczek sprach weiters die falsche Berufsbezeichnung Grafs auf dem Wahlzettel an und hielt es für unangebracht, dass sich dieser auf die Bürokratie ausrede. Das sei eine Umdrehung der Tatsachen, stellte sie fest.

Aus all diesen Gründen sei es notwendig, die Abwahl von NationalratspräsidentInnen möglich zu machen, bekräftigte Glawischnig-Piesczek, zumal auch der Bundespräsident, die Regierungsmitglieder, die Landeshauptleute oder der Rechnungshofpräsident abberufen werden können. Sie wies darauf hin, dass auch die SPÖ ein Abwahlmodell vorgeschlagen hat, das sie unterstütze, den Vorschlag der ÖVP, wonach eine Abwahl nur bei Verfassungsbruch und bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe möglich sein soll, hielt sie für unzureichend. "Meine Standards sind etwas höher", betonte Glawischnig-Piesczek.

Klubobmann Josef CAP (S) bestätigte, dass auch die SPÖ für eine Abwahlmöglichkeit von NationalratspräsidentInnen eintritt. Nach seinen Vorstellungen soll ein Drittel der Abgeordneten eine wohlbegründete Initiative starten, die Abwahl soll mit Zweidrittel-Mehrheit erfolgen können. Cap appellierte an alle Abgeordneten, sich zusammenzusetzen, ein gemeinsames Modell auszuverhandeln und dann, wie er sagte, "zur Tat zu schreiten". Den Fristsetzungsantrag hielt er in diesem Zusammenhang für nicht hilfreich.

Zur Person Graf selbst meinte Cap, diesmal ziehe die "Märtyrernummer" und die "Verfolgungsnummer" nicht. Wenn man mit dem Geld einer älteren Dame eine Stiftung gründet und die Mittel für ein Haus aufwendet, in dem der eigene Bruder ein Restaurant betreibt, dann sei das eine Optik, die für den Rücktritt reicht, stellte Cap fest. Dass Graf versuche, die Berichterstattung darüber zu verhindern, "setze dem Ganzen eine Krone auf".

"Für die ÖVP besteht kein Zweifel daran, dass die fehlende Abberufungsmöglichkeit bei den drei PräsidentInnen des Nationalrats ein Manko und ein Fehler ist", konstatierte eingangs seiner Stellungnahme V-Klubobmann Karlheinz KOPF. Man könne sogar den Bundespräsidenten unter bestimmten Umständen und unter Einbindung des Verfassungsgerichtshofs abberufen, erinnerte er. Daher trete die ÖVP dafür ein, bei den NationalratspräsidentInnen analog zur höchsten Funktion im Staat vorzugehen. Seine Skepsis gegenüber den Vorschlägen der Grünen und der SPÖ begründete Kopf mit der Notwendigkeit, diesen Ämtern einen besonderen Schutz vor politischer Willkür zukommen zu lassen. Bewertungen wie "disqualifiziert" oder "unwürdig" seien objektiv schwer fassbare Gründe, argumentierte er.

Was den Anlassfall betrifft, so besetze Martin Graf immer wieder extreme rechte politische Positionen, die nicht seine, Kopfs, Sache seien. Graf sei nun auch Vorwürfen ausgesetzt, die bis heute nicht bewiesen seien. Es passiere aber häufig, dass Vorwürfe als politische Instrumente eingesetzt werden, warnte Kopf. Er selbst würde Graf nicht mehr wählen, dennoch müsse das Amt der NationalratspräsidentInnen vor politischer Willkür geschützt bleiben, wiederholte er abschließend mit Nachdruck.

Klubobmann Heinz-Christian STRACHE (F) sprach von einem "Trauma der Grünen", nachdem Abgeordnete Eva Glawischnig-Piesczek nach der letzten Wahl nicht mehr zur dritten Nationalratspräsidentin gewählt worden ist. Seit damals gingen die Grünen permanent mit Diffamierungen und Kampagnen gegen Martin Graf vor. Strache betonte ausdrücklich, dass die FPÖ weder mit Antisemitismus noch mit dem Nationalsozialismus etwas gemein habe. Dies lasse man sich nicht von "linksextremistischer Diktion" vorwerfen. "Wir leben den demokratischen Grundkonsens", so Strache weiter.

Die Vorwürfe gegen den dritten Nationalratspräsidenten wies Strache mit Entschiedenheit zurück. Die Dame habe vor Jahren eine Stiftung begründet und sei von einem unabhängigen Gericht umfassend informiert worden. Sie habe ihre Motivation und ihre Gründe geändert, das sei zu respektieren und werde von Graf auch respektiert, sagte Strache. Deshalb habe sich Graf auch aus dem Vorstand der Stiftung zurückgezogen. Die Vorgangsweise einer Art Polit- und Mediengerichtshof sei jedoch nicht zu akzeptieren. Graf habe auch immer in Lebensläufen und Formularen richtige Berufsangaben gemacht, der Fehler auf dem Wahlzettel sei in der Landesgeschäftsstelle passiert.

Als letzter Redner zu diesem Thema griff Abgeordneter Karl ÖLLINGER (G) die medienrechtliche Seite nochmals auf. Seit den 60iger Jahren sei es unvorstellbar, dass ein Nationalratspräsident einen Zensurversuch gegenüber einem demokratischen Medium startet, konstatierte Öllinger und kritisierte nochmals scharf dessen Begründung für die einstweilige Verfügung, mit der er 109 Abgeordnete in Geiselhaft nehme. Diese Vorgangsweise sei "unerhört", wetterte Öllinger. Der Gang in die Öffentlichkeit sei die einzige Chance der älteren Dame gewesen, sich zur Wehr zu setzen, bemerkte der Redner, denn Graf habe versucht, "die Frau auszunehmen", und dafür gehöre er "in die Wüste geschickt". (Ende Kurzdebatte/Fortsetzung Nationalrat)