Parlamentskorrespondenz Nr. 558 vom 13.06.2014

Nationalrat nutzt die Arbeit seiner Kontrollorgane

Plenardebatte über Berichte von Rechnungshof und VolksanwältInnen

Wien (PK) - Mit einiger Zeitverzögerung – bedingt auch durch die Nationalratswahl im Herbst 2013 – nahm der Nationalrat Berichte des Rechnungshofes aus den Jahren 2011, 2012 und 2013 in Verhandlung und akzeptierte die vielfach überaus kritischen Befunde der RH-Prüfer nach lebhafter Debatte jeweils einstimmig. Hauptsächlich befassten sich die Abgeordneten mit der RH-Kritik an der der Privatisierung des Dorotheums, an der Öffentlichkeitsarbeit der ÖBB, der Überprüfung des Baumanagements der ASFINAG bei der Errichtung der zweiten Röhre des Tauerntunnels, der Burghauptmannschaft Österreich und dem Schulärztlichen und Schulpsychologischen Dienst. Einstimmig nahmen die Abgeordneten auch den Tätigkeitsbericht 2013 der Volksanwaltschaft zur Kenntnis. Detailliert schildern die VolksanwältInnen Günther Kräuter, Gertrude Brinek und Peter Fichtenbauer darin, wie die Ombudsstelle im Vorjahr ihre Aufgaben zur Verwaltungskontrolle und zum Schutz der Menschenrechte in Österreich erfüllt hat.

Die Privatisierung des Dorotheums – ein Sittenbild der Ära Grasser 

Im Mittelpunkt der Debatte über die Rechnungsberichte stand die Privatisierung des Dorotheums, die von der schwarz-blauen Regierung, wie Abgeordneter Elmar Mayer (S) erinnerte, gänzlich der ÖIAG überlassen wurde, deren Lenkungsausschuss in nicht protokollierten Sitzungen nicht nachvollziehbare Entscheidungen über den Ausschluss von Bietern zum Schaden der Republik traf. Mayer skizzierte – unterstützt von seiner Fraktionskollegin Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl - ein "Sittenbild der Ära Grasser" und machte darauf aufmerksam, dass trotz eines von einer Investmentbank auf viel höher geschätzten Substanzwerts der Bund aus der Privatisierung des Dorotheums insgesamt lediglich 50 Mio. € erlöste, obwohl allein der Verkehrswert der Immobilien des Auktionshauses 48 Mio. € ausmachte. Dazu kommen Verdachtsmomente auf illegale Provisionen und Geldtransporte nach Vaduz samt Einzahlungen auf Liechtensteiner Konten. "Nie wieder Freunderlwirtschaft, nie wieder Betrug zum Schaden der SteuerzahlerInnen, nie wieder Schwarz-Blau", schloss Abgeordneter Mayer. FPÖ-Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) schloss sich dem Urteil Mayers über die Privatisierung des Dorotheums an, hielt aber fest, für ihn sei Karlheinz Grasser nie ein "Blauer" gewesen. Der Verdacht krimineller Machenschaften liege auch für ihn nahe, überdies seien Ertrag- und Substanzwert überaus dilettantisch festgestellt worden.

Auch Abgeordneter Hermann Gahr (V) befasste sich schwerpunktmäßig mit dem kritischen Bericht des Rechnungshofs über die ungewöhnlich hohen Privatisierungskosten, den niedrigen Privatisierungserlös und die fehlende Dokumentation von Entscheidungen bei der Privatisierung des Dorotheums. Gahr hielt aber fest, dass dieses Haus seither eine positive Entwicklung nahm. Ausdrücklich positiv sah Gahr das gute Zeugnis des Rechnungshofes über das Baumanagement der ASFINAG beim Bau der zweiten Röhre des Tauerntunnels. Dort hat ein professionelles Projektmanagement die Baukosten unter den geplanten Betrag drücken können, lobte Gahr.

Grüne verlangen Änderung des ÖIAG-Gesetzes

Den Bericht über die Privatisierung des Dorotheum haben die Grünen verlangt, erinnerte Abgeordnete Gabriela Moser, weil ihre Fraktion  schon frühzeitig vermutet hatte, dass sich bei Privatisierungen zur Zeit der schwarz-blauen Regierung Einzelpersonen zum Schaden der Republik bereichert haben. Ein US-Bieter bot zunächst 84 Mio. €, wurde aber vom Management des Dorotheums abgeschreckt, das vom tatsächlichen Käufer Prämien erhielt. Eine Umgründung wurde vorgenommen, die den Steuerzahler 16,9 Mio. € kostete. Dank einer raffinierten Vorgangsweise beim Verkauf und Rückkauf habe das Käuferkonsortium das Dorotheum letztlich um kaum mehr als 10% seines tatsächlichen Preises erworben, rechnete Moser vor. "Das war kein Schnäppchen, sondern ein Jackpot", sagte die Obfrau des Rechnungshofausschusses und wies besorgt darauf hin, dass die ÖIAG auch heute noch so agieren könnte, etwa bei der Verwertung von Hypo-Vermögen. Daher verlangen die Grünen eine Änderung des ÖIAG-Gesetzes, eine Forderung, der sich Abgeordnete Martina Schenk (T) anschloss. Schenk befasste sich mit verwaltungsintensiven Begünstigungen im Körperschaftssteuerrecht, bei denen es dem Finanzministerium an Entscheidungsgrundlagen, an einem umfassenden Konzept und an klaren Kriterien fehle. "So entstehen Budgetlöcher", lautete die Kritik der Abgeordneten, die an SPÖ und ÖVP appellierte, die Kritik des Rechnungshofs im Interesse der SteuerzahlerInnen ernst zu nehmen.

Wozu brauchen Ministerien Inserate?

Abgeordneter Rainer Hable (N) sprach im Hinblick auf die völlig intransparente Privatisierung des Dorotheums von systematischem Missmanagement und von Verschleuderung öffentlichen Vermögens. Die ÖBB-Inseratenaffäre veranlasste den Mandatar zu der Frage, wozu Ministerien überhaupt Inserate brauchen. Pressekonferenzen genügten zur Information der Öffentlichkeit, meinte Hable, so könnte man viel Steuergeld sparen. Österreich brauche frischen politischen Wind, um die strukturelle Korruption zu überwinden. – Demgegenüber wies Abgeordneter Johann Hell (S) darauf hin, dass die Öffentlichkeitsarbeit der ÖBB sehr komplexe Aufgaben außerhalb klassischer Werbung umfasse. Dazu gehöre das Beschwerdemanagement und die Informationsaufgaben eines Unternehmens mit tausenden Mitarbeitern, Millionen von Kunden und Investitionen in Milliardenhöhe. Viele Rechnungshof-Empfehlungen wurden von der ÖBB bereits umgesetzt, erinnerte Johann Hell und zeigte sich überzeugt, dass die nächst RH-Überprüfung der ÖBB positiv ausfallen wird.

Weniger Doppelgleisigkeiten beim Schulärztlichen Dienst

Abgeordneter Johann Singer (V) ortete Verbesserungsbedarf beim Schulärztlichen Dienst, wo zersplitterte Kompetenzen zwischen Unterrichts- und Gesundheitsressort die Effizienz beeinträchtigten. "Mehr Kooperation statt Doppelgleisigkeiten", forderte Singer und verlangte, Gesundheitsdaten der SchülerInnen anonymisiert zu erfassen und gesundheitspolitisch zu nutzen. Positiv bewertete Singer die Bereitschaft der beiden Ressorts, RH-Empfehlungen umzusetzen.

Abschließend ging Abgeordneter Josef Lettenbichler (V) auf den RH-Bericht zur Burghauptmannschaft ein, die historische Gebäude des Bundes verwaltet, darunter zahlreiche Palais und die Wiener Hofburg, den größten zivilen Baukomplex Europas - insgesamt 550 Einzelobjekte mit mehr als 1000 NutzerInnen. Die Burghauptmannschaft hat bereits 19 von 22 RH-Empfehlungen umgesetzt, lobte Lettenbichler – "das kulturelle Bauerbe Österreichs ist bei der Burghauptmannschaft in sehr guten Händen".

Plenum würdigt Volksanwaltschaft als Pfeiler der Rechtsstaatlichkeit

Unisono drückten die RednerInnen des Debattenteils zur Volksanwaltschaft ihre Wertschätzung für die Ombudseinrichtung aus. In den Augen der Abgeordneten stellt die Volksanwaltschaft als unbürokratische Anlaufstelle für BürgerInnen mit Behördenproblemen einen wesentlichen Bestandteil des heimischen Rechtsschutzsystems dar. Ihr Tätigkeitsbericht aus dem Vorjahr zeige deutlich die hohe Akzeptanz der Volksanwaltschaft bei der Bevölkerung, hieß es mehrmals, nicht zuletzt an der im Vergleich zu 2012 um 23% gestiegenen Zahl an Individualbeschwerden über Schwierigkeiten mit Verwaltungskörpern.

Einen Höchststand an Beschwerden über die öffentliche Verwaltung, insgesamt 19.249, erhielt die Volksanwaltschaft (VA) 2013, geht aus ihrem vom Nationalrat heute einstimmig angenommenen Bericht hervor. 8.003 Beschwerden veranlassten die Ombudsstelle im Vorjahr zu formellen Prüfverfahren. Spitzenreiter war der Bereich Innere Sicherheit mit 27% der Nachprüfungen, rund ein Viertel entfiel auf den Sozialbereich, gefolgt von Justiz mit 18% des gesamten weiterverfolgten Beschwerdeaufkommens. 9.161 Prüffälle wurden 2013 abgeschlossen und dabei 1.444 Missstände in der Verwaltung aufgedeckt.

Unangekündigte Besuche in Einrichtungen, wo Menschen die Freiheit zumindest potentiell entzogen wird, und die Beobachtung von Polizeieinsätzen seien zudem seit 2012 Aufgaben der Volksanwaltschaft, skizzierte Johann Hell das neue Tätigkeitsfeld der VA. In ihrer Funktion als Nationaler Präventionsmechanismus zum Schutz der Menschenrechte führten die jeweils zuständigen VA-Kommissionen im Vorjahr 530 Kontrollen durch. Österreich trägt damit den UN-Fakultativprotokollen gegen Folter und andere unmenschliche Behandlungen (OPCAT) sowie der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung, denn mit der präventiven Prüfung sollen Menschenrechtsverletzungen verhindert bzw. Strategien zur Risikominderung erarbeitet werden. Beratend steht der Menschenrechtsbeirat aus VertreterInnen von NGOs und Ministerien der Volksanwaltschaft zur Seite. Der Bericht bilde zur Gänze eine Erfolgsbilanz der guten Arbeit in der Volksanwaltschaft, resümierte Johann Hechtl (S). Sein Parteikollege Michael Ehmann ergänzte, außerdem arbeite die Volksanwaltschaft gemeinsam mit der Regierung derzeit an einem Nationalen Aktionsplan Menschenrechte, der 2015 zu erwarten sei.

In der Debatte behandelten die Abgeordneten auch mehrere von der Volksanwaltschaft überprüfte bzw. aufgedeckte Missstände in verschiedenen gesellschaftlichen Feldern – vom Gesundheitsbereich bis zum Asylwesen. Martina Schenk (T) wertete die vielfach ernüchternden Prüfergebnisse der Volksanwaltschaft, etwa bei der Pflege, als eindeutigen Arbeitsauftrag, vor allem in Richtung Regierungsparteien. Ein häufiges Hemmnis für die Bundesregierung, Verbesserungen in der Verwaltung umzusetzen sei, meinte Christoph Vavrik (T), ein falsches Föderalismusverständnis, mit dem beispielsweise bei der Einhaltung von Grundversorgungsstandards für Asylwerbende den Bundesländern zu viel Freiraum gelassen werde. Personalmangel sieht Christian Lausch (F) vielfach als Ursache für Verfehlungen, wie sie in Jugendwohnheimen, Justizanstalten, Polizeieinrichtungen oder in medizinischen Institutionen von der Volksanwaltschaft beanstandet worden seien. Die Regierung solle daher die nötigen Mittel in die Hand nehmen, um hier Abhilfe zu schaffen.

Dass bislang kein Gesetzesentwurf zur Kostenübernahme für das Aufsuchen von Kriegsmaterial auf Privatgrundstücken erstellt worden ist, obwohl die Volksanwaltschaft fortwährend auf die bestehende Problematik mit Bombenblindgängern hinweise, hielt Susanne Winter (F) der Regierung vor. Katharina Kucharowits (S) schnitt vorherrschende Problemfelder junger Menschen in Österreich an. Konkret kritisierte sie, an Fachhochschulen hätten Studierende unzureichende Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung, wenn sie fälschlich negativ benotet worden sind und in vielen Bundesländern könnten über 18-Jährige nicht sicher sein, ob sie in Jugendwohnheimen verbleiben dürfen.

In einigen Bereichen, wo Probleme eminent sind, gebe es bereits Fortschritte, schilderte Volksanwältin Gertrude Brinek anhand der Sachwalterschaft, die Norbert Sieber (V) als oftmaligen Problemfall thematisierte. So beschäftige sich eine Arbeitsgruppe im Justizministerium intensiv mit den VA-Vorschlägen zur Sachwalterschaft. Speziell bezugnehmend auf ihr Zuständigkeitsgebiet Justiz ging Brinek weiters auf bestehende Missstände im Strafvollzug näher ein, wobei Fälle wie die kürzlich bekannt gewordene grobe Vernachlässigung eines Häftling auch nicht mit Personalmangel in Gefängnissen zu rechtefertigen seien, wie sie betonte. Volksanwalt Günther Kräuter empfahl dem Plenum, die Inhalte des Berichts nicht nur als Anleitungen zur Verbesserung in Politik und Verwaltung zu sehen, sondern insbesondere auch als Weckruf zur Sicherstellung der Menschenrechte. Franz Kirchgatterer (S) pflichtete dieser Sichtweise vollständig bei, es gelte nicht zuletzt, die gesellschaftliche Bewusstseinsbildung über die Bedeutung der Menschenrechte zu stärken.

Ausweitung der Prüfkompetenzen für Volksanwaltschaft unumgänglich

Volksanwalt Peter Fichtenbauer nutzte die Gelegenheit im Plenum, erneut einen verbalen Vorstoß für erweiterte Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft analog zu jenen des Rechnungshofs zu tätigen. Nur wenn der VA die Kontrolle von ausgegliederten Rechtsträgern, an denen die Öffentliche Hand beteiligt ist, eingeräumt wird, könne sie ihren Auftrag der Beschwerdeprüfung lückenlos erfüllen, ohne dafür zusätzliche Ressourcen zu benötigen. Eindringlich regte Fichtenbauer einen Initiativantrag zu diesem Zweck an, er habe einen diesbezüglichen Erstentwurf als Beratungsgrundlage schon an alle Fraktionen verschickt. Ihre Unterstützung der Kompetenzausweitung bei der VA artikulierten unter anderem Carmen Gartelgruber (F) und Wolfgang Zinggl (G) deutlich, Letzterer mit dem Hinweis, dass die Volksanwaltschaft mit ihrem präventiven Menschenrechtsschutz immerhin ein klares Zeichen für ein ausgeprägtes Demokratieverständnis des Staates sei. Gartelgruber wies dazu auf Überlegungen hin, im Herbst bei einer gemeinsamen Sitzung von Volksanwaltschaftsausschuss und Verfassungsausschuss die legislative Fassung der neuen Kompetenz auf den Weg zu bringen. Maria Fekter (V) fügte an, weil sowohl Rechnungshof als auch Volksanwaltschaft Kontrollorgane des Nationalrats seien, müssten sie auch über gleichwertige Kontrollrechte verfügen. (Fortsetzung Nationalrat) fru/rei