Parlamentskorrespondenz Nr. 851 vom 13.07.2016

Geoblocking: Bundesrat schickt Rüge nach Brüssel

EU-Ausschuss der Länderkammer sieht Eingriff in Erwerbsfreiheit durch Kommissionsvorschlag

Wien (PK) – Ernste Bedenken hinsichtlich des Subsidiaritätsprinzips äußerten die Bundesrätinnen und Bundesräte heute gegen den Verordnungsvorschlag der EU-Kommission zur Vermeidung von ungerechtfertigtem Geoblocking, einer im Internet eingesetzten Technik zur regionalen Sperrung von Internetinhalten durch den Anbieter. Laut Vorschlag der Kommission soll künftig jeder Europäer und jede Europäerin in der EU digital überall zu gleichen Bedingungen kaufen können. Eine Diskriminierung von Kundinnen und Kunden, die Dienstleistungen oder Waren in einem anderen Mitgliedstaat online oder vor Ort erwerben wollen - sei es durch unterschiedliche Preise, Verkaufs- oder Zahlungsbedingungen – wäre demnach verboten.

Die ÖVP befürchtet vor allem, dass Unternehmen mit den angedachten Bestimmungen einem Kontrahierungszwang unterliegen, also der rechtlichen Verpflichtung zum Vertragsabschluss. Das widerspricht nach Aussage von Edgar Mayer (V/V) grundsätzlich der unternehmerischen Freiheit. Für die SPÖ ist das Kommissionsbestreben, Ungleichbehandlungen von VerbraucherInnen auszuräumen eher nachvollziehbar; allerdings bestehe beim vermehrten online-Handel die Gefahr, dass der Einzelhandel zugrunde geht, gab Stefan Schennach (S/W) zu bedenken.

Diskriminierungsverbot nicht für Unternehmen

Der EU-Ausschuss des Bundesrats schickte daher einstimmig eine diesbezügliche Subsidiaritätsrüge nach Brüssel, in der SPÖ und ÖVP festhalten, der Verordnungsvorschlag greife in überschießender und unverhältnismäßiger Weise in Selbstbestimmungsrechte ein. Jedem Unternehmen stehe es frei, sein Verkaufsgebiet selbst zu bestimmen, zumal das von der Kommission herangezogene Diskriminierungsverbot aufgrund des Wohnorts oder der Nationalität nur für die Mitgliedsstaaten und ihre Organe gelte, nicht aber für Private. Abgesehen davon gebe es innerhalb der Europäischen Union kaum harmonisierte Regelungen zu Gewährleistungsrecht oder Informationspflichten. Bundesrat Martin Preineder (V/N) und sein Fraktionskollege Eduard Köck (V/N) konnten vor diesem Hintergrund den Gedanken, für gleiche Produkte den gleichen Preis in der ganzen EU vorzusehen, nicht nachvollziehen. Köck führte wie Ingrid Winkler (S/N) außerdem die unterschiedlichen Lieferbedingungen bei online-Bestellungen ins Treffen und Gerd Krusche ((F/St) sorgte sich über die Auswirkungen auf Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen, besonders auf solche mit exklusivem Gebietsschutz, sollte die Verordnung kommen.

Die bestehenden Probleme, Produkte grenzüberschreitend anzubieten, widersprächen dem Binnenmarkt an sich, meinte die Salzburger Grünen-Mandatarin Heidelinde Reiter. Vorangegangen waren dieser Feststellung zum einen Berichte eines Vertreters des Europäischen Verbraucherschutzes über Beschwerdefälle, die zumeist auf unterschiedlichen Preisen für gleiche Waren angeboten auf verschiedenstaatlichen Websites einer Firma beruhten. Zum anderen kam von der Wirtschaftskammer (WKO) die Warnung, der grenzüberschreitende Handel werde durch verstärkte Klagsmöglichkeiten gegen Unternehmen gemäß Verbraucherstaatsrecht behindert. Tatsächlich habe aber noch kein enttäuschter Kunde ein ausländisches Unternehmen geklagt, relativierte der Verbraucherschutzexperte; Kosten und Komplexität der Rechtsmaterie würden dies verhindern. Überhaupt gehe es im Legislativentwurf nicht um einen unionsweit einheitlichen Preis, sondern um die Berechtigung, unabhängig vom Wohnstaat das günstigste Angebot in Anspruch zu nehmen.

Online-Handel Gefahr für Klein- und Mittelbetriebe

Dennoch – mit dem Verordnungsvorschlag der Kommission befinde man sich "in gefährlicher Nähe zum verordneten Preis", kritisierte der WKO-Sprecher. Ein derartiges Beharren auf einem Preis in der gesamten Union stehe den Prinzipien der Marktwirtschaft entgegen. Letztlich solle der Markt regeln, verwies er darauf, dass übervorteilte KonsumentInnen den Unternehmen von selbst abhandenkommen. Die Expertinnen von Sozialministerium (BMASK) und Wirtschaftsministerium (BMWFW) verdeutlichten im Ausschuss beide, nach wie vor bestehe viel Diskussionsbedarf in Bezug auf den Kommissionsentwurf. So sind dem BMASK zufolge online-Käufe, die nicht selbst abgeholt werden, nicht vom Verordnungsvorschlag erfasst. Aus dem BMWFW hieß es, der online-Handel gehe generell zu Lasten österreichischer Arbeitsplätze und des stationären Handels. Überdies bestünden Probleme bei der Steuerabwicklung und das hohe Transportaufkommen habe negative Umweltauswirkungen. Allerdings, betonte die Expertin, Vertragsfreiheit bedeute auch, dass Unternehmen sich ihre Vertragspartner, sprich KundInnen, aussuchen können. (Fortsetzung EU-Ausschuss) rei


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