Parlamentskorrespondenz Nr. 870 vom 14.07.2016

Bundesrat: Ausbildungspflicht als Zukunftschance für die Jugend

Jugendausbildungsgesetz erhält endgültige Zustimmung im Parlament - Auch Neuregelungen für Bauarbeiter passieren Länderkammer

Wien (PK) - Die Ausbildungspflicht bestand heute auch im Bundesrat. Wie im Nationalrat stimmten SPÖ, ÖVP und Grüne mit der nötigen Zweidrittelmehrheit für das Gesetz, das Eltern dazu verpflichtet, auf eine weitergehende Ausbildung ihrer Kinder bis zum 18. Lebensjahr zu achten. Die ursprüngliche Forderung der Grünen, auch jugendlichen AsylwerberInnen eine Ausbildung zu ermöglichen, bestehe weiterhin, machte David Stögmüller (G/O) klar, wiewohl er die gesetzliche Einbeziehung von AsylwerberInnen in das Jugendcoaching lobte. Jedes Kind verdiene eine Chance auf Ausbildung. Immerhin stellten Zugewanderte ein Drittel der Jugendliche ohne Ausbildung und Beschäftigung dar, so der Grünen-Mandatar.

In Vertretung von Sozialminister Alois Stöger meinte Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, viele sozialdemokratische SozialministerInnen der letzten Jahrzehnten sei es ein großes Anliegen gewesen, die Chancen für Jugendliche zu verbessern. Mit dem vorliegenden Gesetz werde dieser Wunsch nun realisiert: SchulabbrecherInnen würden aufgefangen und ins Bildungs- bzw. Arbeitsleben zurückgeführt. Als optimale Bildungsform stellte Oberhauser dabei die Ganztagsschule mit verschränktem Unterricht dar.

Abgerundet wurde der Sozialblock durch einstimmig befürwortete Neuerungen für Bauarbeiter. Mit einer Novelle zum Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) wird unter anderem die rückwirkende Einbeziehung von Unternehmen in das BUAG-System praktikabler gestaltet und die Kosten für die ArbeitgeberInnen im Zusammenhang mit dem Urlaubszuschlag für Lehrlinge werden gesenkt. Das Schlechtwetterentschädigungssystem für BauarbeiterInnen gilt nunmehr auch für Brunnenmeisterbetriebe und gewerbliche Lehrlinge.

Ausbildung als Grundlage für Erfolg

Einzig die FPÖ wandte sich heute gegen die geplante Ausbildungspflicht. Monika Mühlwerth (F/W) hält zwar die Absicht, Jugendliche in Ausbildung zu halten, grundsätzlich für gut. Der nun gesetzlich vorgezeichnete Weg dorthin löst ihrer Meinung nach die eigentlichen Probleme aber nicht. Tatsächlich müsse schon in den ersten Schuljahren begonnen werden, junge Menschen hinreichend für die weitere Laufbahn auszubilden. Generell wandte sich die Freiheitliche gegen den Zwang zur Bildung, der nach ihren Worten durch die Gesetzesbestimmungen entsteht.

SPÖ und ÖVP hingegen lobten das Ausbildungspflichtgesetz, das 2017 in Kraft tritt, als große Zukunftschance für die Jugend. Renate Anderl (S/W) und Marianne Hackl (V/B) verteidigten die Maßnahmen als Mittel gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Die Regierung verpflichtet sich laut Anderl dazu, jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zu ermöglichen, was wiederum Unternehmen helfe, die gut ausgebildete Fachkräfte suchen. Hackl ergänzte, inzwischen gebe es immer weniger Hilfsarbeiterjobs, in denen etwa lernschwache Menschen ihr Auskommen finden könnten. Daher sei die Unterstützung durch das Jugendausbildungsgesetz eine sozialpolitisch wichtige Maßnahme, gerade auch für Menschen mit Behinderung. Seitens der Grünen trat Stögmüller (G/O) schließlich dafür ein, das Gesetz nicht schlechtzureden: jungen Menschen werde "eine helfende Hand" gegen Arbeitslosigkeit geboten.

Rund 5000 Jugendliche verlassen nach Schätzung des Sozialministeriums jedes Jahr das Bildungs- und Ausbildungssystem in Österreich ohne einen über die Pflichtschule hinausgehenden Abschluss. Sie haben ein besonders hohes Arbeitslosigkeitsrisiko und landen häufig in schlecht bezahlten Hilfsjobs, etliche sind armutsgefährdet bzw. von Sozialleistungen abhängig. Das Ausbildungspflichtgesetz soll diesem Trend entgegenwirken, sodass Jugendliche bis zur Volljährigkeit entweder eine Schule besuchen, eine Lehre absolvieren oder eine sonstige Ausbildung, etwa ein Praktikum, machen. Zur rechtlichen Absicherung wird ein neuer Kompetenztatbestand "Ausbildungspflicht für Jugendliche" in der Verfassung verankert, wobei sowohl die Gesetzgebung als auch die Vollziehung beim Bund liegen.

Die Erziehungsberechtigten werden bei Verstößen gegen die Ausbildungspflicht mit Geldstrafen zwischen 100 € und 500 € belangt, allerdings erst ab Juli 2018. Bis dahin will das Sozialministerium eigene Koordinierungsstellen einrichten, um ein ausreichendes Unterstützungsangebot für Jugendliche sicherzustellen. Das bestehenden Auffangnetz für Jugendliche ohne Lehrstelle soll ausgeweitet werden. Für Jugendliche ohne Schul- bzw. Ausbildungsplatz hat das Sozialministeriumservice (SMS) bzw. das Arbeitsmarktservice (AMS) einen Perspektiven- und Betreuungsplan zu erstellen. Finanziert werden Aufwendungen im Zusammenhang mit der Ausbildungspflicht aus dem Budgettopf für Arbeitsmarktpolitik.

Arbeitnehmerrechte am Bau gewährleisten

Notwendig wurde die BUAG-Novelle, weil im Zuge von verstärkten Baustellenkontrollen die Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) vermehrt Kenntnis von Unternehmen erlangt, die dem Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (BUAG) unterliegen, ihrer Meldepflicht aber oft seit Jahren nicht nachgekommen sind und damit nicht im System erfasst sind. Die betroffenen ArbeitnehmerInnen werden in solchen Fällen rückwirkend in die BUAK aufgenommen, was für weit zurückliegende Zeiten allerdings zu einem erheblichen Verwaltungsaufwand führt, zumal die Arbeitgeber meist schon Leistungen nach dem allgemeinen Urlaubsrecht und anderen gesetzlichen Vorgaben erbracht haben. Nunmehr wird daher die rückwirkende Einbeziehung beschränkt, wobei für die einzelnen Bereiche wie Urlaubsregelung, Abfertigung, Winterfeiertagsregelung und Überbrückungsgeld jeweils unterschiedliche Fristen zwischen wenigen Monaten und sieben Jahren gelten. Ab dem Zeitpunkt der Einbeziehung sind vom Unternehmen jedenfalls die gesetzlich vorgesehenen Zuschläge zu entrichten.

Geringere Urlaubszuschläge für Lehrlinge wiederum sollen die Unternehmen um rund 5 Mio. € jährlich entlasten. Als Ausgleich für Einkommenseinbußen wurde allerdings in einigen Kollektivverträgen eine außerordentliche Erhöhung der Lehrlingsentschädigung verankert. Außerdem erhalten Lehrlinge ebenfalls Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung.

Grundsätzlich positive Rückmeldungen zur Gesetzesänderung kamen von allen Fraktionen der Länderkammer. Renate Anderl (S/W), Sandra Kern (V/N), Bernhard Rösch (F/W) und David Stögmüller (G/O) betonten, Arbeitsverhältnisse ab Bau benötigten besondere Umsicht durch den Gesetzgeber. Anderl bezog sich dabei auf die extremen Wetterbedingungen, denen Bauarbeiter ausgesetzt sind, aber auch auf geschaffene Vorkehrungen gegen Lohn- und Sozialdumping. Wie Stögmüller unterstrich sie, vorangegangen sei dem Gesetzwerdungsprozess eine sozialpartnerschaftliche Einigung. Mit der branchenspezifischen Novelle erhielten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer klare Regelungen in praktikabler Form, hob Kern hervor und Rösch sieht mit der Gesetzesänderung mehr Gerechtigkeit erzielt. Unmut äußerte er allerdings darüber, dass Angestellte und Arbeiter rechtlich noch nicht gleichgestellt sind, worin ihm Bundesministerin Oberhauser in gewisser Weise beipflichtete: derartige Lücken zu schließen, dazu brauche es die Sozialpartnerschaft. (Fortsetzung Bundesrat) rei


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