Parlamentskorrespondenz Nr. 288 vom 16.03.2017

Debatte im Bundesrat über Chancen und Risiken der Digitalisierung

Leichtfried: Bereits mehr als eine halbe Million ÖsterreicherInnen profitieren vom Breitbandausbau

Wien (PK) – Österreich gehöre im Bereich Industrie 4.0 zu den Vorreitern in Europa, erklärte heute Bundesminister Jörg Leichtfried im Bundesrat, wo eine Aktuelle Stunde zum Thema "Digitalisierung: Chancen und Herausforderungen für die Regionen" stattfand. Der übereinstimmende Tenor aller RednerInnen war, dass der zunehmende Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen nicht aufzuhalten ist. Es müsse aber eine politische Debatte darüber geführt werden, in welche Richtung die Gesellschaft gehen will, da der digitale Wandel nicht nur Chancen, sondern auch Risiken mit sich bringt. Die Bundesregierung wolle vor allem dort investieren, wo sich der Ausbau für die privaten Anbieter alleine nicht lohnt, betonte der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie. Dadurch soll die digitale Kluft zwischen Stadt und Land geschlossen werden.

SPÖ: Digitalisierung bietet große Chance für strukturschwache Regionen

Die Digitalisierung schreitet mit einem enormen Tempo voran, meinte Bundesrat Günther Novak (S/K), das Vorhandensein eines gut ausgebauten Breitbandnetzes ist eine essentielle Voraussetzung für einen modernen Wirtschaftsstandort. Sehr deutlich sei aber auch, dass es in dieser Frage eine Kluft zwischen Stadt und Land gibt und vor allem strukturschwache Regionen benachteiligt sind. Aus diesem Grund begrüßte es Novak ausdrücklich, dass der Bund nun im Zuge der Breitbandstrategie 2020 gerade in die weniger dicht besiedelten Regionen investieren will. Nun liege es aber an den politisch Verantwortlichen vor Ort, diese Mittel auch abzurufen, unterstrich Novak. Es sollten alle Instrumente genutzt werden, um die Abwanderung aus dem ländlichen Raum zu stoppen, merkte Stefan Schennach (S/W) an. Gleichzeitig müsse man darauf achten, dass die Digitalisierung nicht zu einer totalen Automatisierung führt und auf die Bedürfnisse der Menschen vergessen wird. Da die Entwicklung rasend schnell gehe, müsse die Politik rechtzeitig reagieren und entsprechende rechtliche Parameter setzen.

ÖVP: Aus- und Weiterbildung sind die Schlüsselfaktoren für die Zukunft

Die Entwicklung der Regionen ist ganz entscheidend davon abhängig, wie gut und wie schnell auf die aktuellen Herausforderungen reagiert werden kann, konstatierte Sonja Zwazl (V/N). Die Digitalisierung habe bereits zu enormen Veränderungen im Leben der Menschen geführt, dies reiche vom Konsumbereich, wo Onlinedienste mittlerweile selbstverständlich sind, bis hin zum Handwerk und zur Vermarktung regionaler Produkte. Da der Umsetzungsstand in den einzelnen Branchen und Betrieben noch sehr unterschiedlich ist, freue sie sich besonders über das Förderprogramm KMU-Digital, für das 10 Mio. € vorgesehen sind. Positiv bewertete Zwazl, dass nun auch in den Schulen verstärkt Tablets und Computer eingesetzt werden, weil die technischen Kompetenzen der jungen Menschen ausgebaut werden müssten. Damit die heimische Wirtschaft in Zukunft erfolgreich ist, braucht es hochqualifizierte Arbeitskräfte, betonte die Bundesrätin, die zudem auf den neuen Lehrberuf im Online-Handel hinwies. Gleichzeitig müsse man einen Schwerpunkt auf die Weiterbildung der Arbeitskräfte legen und das Thema Datensicherheit verstärkt im Auge behalten. Christian Poglitsch (V/K) rechnete in diesem Zusammenhang vor, dass es im Jahr 2020 bereits dreimal so viele digitale Endgeräte geben werde wie Menschen auf der Welt.

FPÖ warnt vor Machtmonopolen im digitalen Sektor und sieht die Politik gefordert

Hans-Jörg Jenewein (F/W) hielt es für unbestritten, dass in manchen Teilen des ländlichen Raums noch Nachholbedarf in Sachen digitale Infrastruktur besteht. Im Großen und Ganzen sei aber der Breitbandausbau, vor allem durch die tragfähigen Funknetzwerke, in den vergangenen Jahren sehr weit fortgeschritten. Für ihn stelle sich vor allem die zentrale Frage, wie sich die Gesellschaft und die Wirtschaft in den nächsten 20 bis 30 Jahren weiterentwickeln wird bzw. soll. Der digitale Wandel bringe natürlich viele Vorteile mit sich, räumte er ein, dennoch sei vor einem naiven Umgang damit zu warnen. Für problematisch hielt Jenewein vor allem die Entstehung von Machtmonopolen, die durch Firmen wie Google (Google Chrome, Youtube, Gmail, Android etc.), Apple, Facebook, Amazon etc. sehr deutlich werde. Die umfassende Verknüpfung und Vernetzung von Daten berge auch Risiken, warnte der freiheitliche Ländervertreter, deshalb sei die Politik in dieser Frage ganz besonders gefordert. Als Beispiel führte er den digitalen Supermarkt an, der wohl in ein paar Jahren Realität sein und zu "gläsernen KonsumentInnen" führen wird. Zu befürchten sei auch, dass durch die Digitalisierung in Zukunft sehr viele Jobs verloren gehen, konstatierte Fraktionskollege Gerd Krusche (F/St). Investitionen in die Aus- und Weiterbildung seien vor diesem Hintergrund von noch größerer Bedeutung.

Grüne: Chancen nutzen, aber klare Rahmenbedingungen für die neue Arbeitswelt erforderlich

Auf die Auswirkungen der Digitalisierung in der Arbeitswelt konzentrierte sich Bundesrätin Nicole Schreyer (G/T). Ebenso wie ihre VorrednerInnen war sie fest davon überzeugt, dass sich nicht die Frage stellt, ob die Digitalisierung kommt; diese sei unaufhaltbar. Damit verbunden seien ja auch ganz viele Vorteile und Chancen, gerade für Frauen im ländlichen Raum. Durch die Möglichkeit vor Ort bzw. von zu Hause aus zu arbeiten, könne die Vereinbarkeit von Familie und Beruf deutlich verbessert werden. Außerdem erwartete sie sich, dass die Landflucht eingedämmt wird und nicht mehr so viele junge, gut ausgebildete Frauen in die Städte ziehen.

Aber wo viel Licht, da ist auch viel Schatten, gab Schreyer zu bedenken. Die neuen Technologien bringen auch zahlreiche Probleme mit sich, die u.a. auf die ständige Erreich- und Verfügbarkeit zurückzuführen sind. Die Grenzen zwischen Job und Freizeit verschwimmen immer mehr, die psychischen und physischen Belastungen nehmen kontinuierlich zu. Flexibilität dürfe nicht heißen, dass es überhaupt keine Planbarkeit mehr gibt, dass man krank mit dem Laptop im Bett liegt oder dass die Mütter mit dem Computer am Küchentisch sitzen und ihre Kinder um sie herumwuseln. Dies wäre ein Rückschritt in eine Zeit, in der die Bäuerinnen mit ihren Kindern am Rücken auf den Feldern gearbeitet haben. "Bisherige Errungenschaften im ArbeitnehmerInnenschutz dürfen durch die Digitalisierung der Arbeitswelt nicht ausgehöhlt werden", betonte sie.

Leichtfried appelliert, die Chancen der Digitalisierung zu nützen

Der digitale Sektor gehe einher mit einer faszinierenden und rasanten Entwicklung, die so nicht absehbar war, räumte Bundesminister Jörg Leichtfried ein. Wer hätte vor 15 Jahren geglaubt, dass man mit einem kleinen Tablet, das die Größe eines Jausenbretts hat, mit der ganzen Welt verbunden sein könne? Digitalisierung findet statt, ob man es will oder nicht, war der Minister überzeugt, deshalb gelte es, die damit verbundenen Chancen zu nutzen und die Risken zu verhindern. Der ländliche Raum sei gerade prädestiniert dafür, von den zahlreichen Vorteilen, die sich aus den neuen Kommunikationstechnologien ergeben, zu profitieren. Basis dafür sei der notwendige Ausbau der Breitbandinfrastruktur, für den die Bundesregierung eine Milliarde Euro zur Verfügung stellt. Man befinde sich dabei auf einem guten Weg, bis dato gebe es Förderzusagen in der Höhe von 200 Mio. €. Ausschreibungen für die zweite Phase der Programme "Access, Backhaul und Leerrohr" seien bereits am Laufen. Außerdem werden die Mittel aus der Breitbandmilliarde von den privaten Netzbetreibern mit Investitionen in derselben Höhe verdoppelt. Insgesamt profitieren 560.000 ÖsterreicherInnen von den bisherigen Förderzuschlägen, informierte der Minister. Neben dem Breitbandausbau liegt der Fokus des Infrastrukturministeriums darauf, im Rahmen der digitalen Offensive eine nationale Strategie zum neuen Mobilfunkstandard 5G zu erarbeiten.

Sein Ressort fördere sowohl Wirtschaft als auch Wissenschaft dabei, innovative Produktionsprozesse und -verfahren zu entwickeln und einzusetzen. So fließen etwa jährlich 200 Mio. € in die industrienahe Forschung, informierte Leichtfried, in speziellen Pilotfabriken werden die neuen Anwendungen dann gleich getestet. Überdies werde durch Stiftungsprofessuren eine gute Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlicher Hand sichergestellt. Leichtfried hielt es auch für unabdingbar, dass massiv in die Qualifizierung der Menschen investiert wird. Durch die Initiative "Silicon Austria" soll zudem ein Mikroelektronik-Cluster in Österreich geschaffen werden. (Fortsetzung Bundesrat) sue


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