Parlamentskorrespondenz Nr. 1081 vom 25.10.2017

Bundesrat: Mehrheit für Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten

ÖVP beklagt Rechtsunsicherheit und vermisst einheitlichen Arbeitnehmerbegriff

Wien (PK) – Mit Stimmenmehrheit machte nun auch die Länderkammer den Weg frei für die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten. Große Unterschiede gab es zwar nicht mehr, Verbesserungsbedarf sah man jedoch noch beim Kündigungsschutz für ArbeiterInnen und bei der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Dieser Beschluss wurde im Rahmen einer namentlichen Abstimmung (36 Ja-Stimmen, 18 Nein-Stimmen) von allen anwesenden BundesrätInnen der SPÖ, der FPÖ, der Grünen sowie der fraktionslosen Jutta Arztmann mitgetragen.

Die vorgesehenen längeren Kündigungsfristen für ArbeiterInnen werden aber erst ab dem Jahr 2021 gelten. Außerdem dürfen Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen (z.B. Bausektor oder Tourismus), über das Jahr 2021 hinaus abweichende Regelungen durch Kollektivvertrag festlegen.

Gegen das Gesetzespaket stimmte die ÖVP. Bundesrätin Sonja Zwazl (V/N) sprach von einer "Hauruck-Aktion". Ihrer Ansicht nach wären noch ausführlichere Beratungen notwendig gewesen; außerdem fehle ein einheitlicher Arbeitnehmerbegriff.

SPÖ froh über Abschaffung einer jahrzehntelangen Diskriminierung

Gegen den Vorwurf des "Husch-Pfusch" verwahrten sich die BundesrätInnen der SPÖ. In der Vergangenheit sei die Angleichung von arbeitsrechtlichen Bestimmungen von Arbeitern und Angestellten immer wieder am Widerstand der Wirtschaft und der ÖVP gescheitert, erinnerte René Pfister (S/N). Es sei daher sehr erfreulich, dass es nach jahrzehntelangen Verhandlungen endlich gelungen ist, noch bestehende Diskriminierungen zwischen zwei Gruppen von Beschäftigten zu beseitigen, unterstrich Bundesrätin Renate Anderl (S/W). Im 21. Jahrhundert gebe es keine Rechtfertigung mehr dafür, dass manche ArbeiterInnen von einem Tag auf den anderen auf die Straße gesetzt werden können, während bei Angestellten Kündigungsfristen zwischen sechs Wochen und fünf Monaten vorgesehen sind. Außerdem haben ExpertInnen bestätigt, dass etwa die Änderungen bei der Entgeltfortzahlung kostenneutral sind. Das Verschieben des Inkrafttretens von 2018 auf 2021 soll es den Betrieben zudem ermöglichen, sich auf die verlängerten Kündigungsfristen einzustellen.

ÖVP: Zahlreiche offene Fragen führen zu Rechtsunsicherheit

Kritik an der Vorgehensweise kam von Bundesrätin Sonja Zwazl (V/N), die vor allem die mangelnde Einbindung der Sozialpartner beklagte. Auch die Volkspartei strebe einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff an, dieses Ziel müsse jedoch schrittweise und mit entsprechenden Übergangsfristen verfolgt werden. In einer Hauruck-Aktion sei nun bedauerlicherweise ein Gesetzesantrag vorgelegt worden, der sehr unbestimmt ist und wohl auch verfassungswidrige Bestimmungen enthält, urteilte Zwazl. So wies sie etwa darauf hin, dass kurzfristig in tausende Dienstverträge eingegriffen wird, zumal geringfügig beschäftigte Angestellte derzeit von langen Kündigungsfristen ausgenommen sind. Außerdem finde man keine Definition darüber, was genau unter Saisonbetrieben zu verstehen ist. Als fahrlässig bezeichnete sie zudem die Regelung, wonach es einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung auch dann gibt, wenn eine einvernehmliche Lösung im Hinblick auf die Dienstverhinderung erfolgt. Aus all diesen Gründen plädierte sie für einen Beharrungsbeschluss von Seiten des Bundesrates. Dieser Forderung schloss sich auch Bundesrat Andreas Köll (V/T) an. Bei dem seiner Meinung nach nicht ausgereiftem Entwurf handle es sich um einen Wahlkampfgag, der offensichtlich nicht sehr erfolgreich war. 

FPÖ und Grüne begrüßen Gleichstellung

Bundesrat Bernhard Rösch (F/W) sprach im Zusammenhang mit der Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten von einem sozialen Meilenstein, für den sich die FPÖ immer stark eingesetzt habe. Gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung, die schon seit langem Realität sei, brauche es Gleichberechtigung in der Arbeit. Gefordert seien dabei auch die Sozialpartner, die sich auf die neuen Bedingungen einstellen müssen.

Es sei eigentlich unfassbar, dass sich die angesprochenen Minimalkündigungsfristen in manchen Bereichen so lange gehalten habe, konstatierte auch Bundesrat David Stögmüller (G/O). Besonders positiv beurteilte er, dass es für die Lehrlinge zu Verbesserungen kommt. Im Nationalrat angenommen wurde auch ein Entschließungsantrag der Grünen, der auf einen besseren arbeits- und sozialrechtlichen Schutz für atypisch beschäftigte Personen sowie freie DienstnehmerInnen und neue Selbständige sowie die Überführung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen der Gewerbeordnung in ein modernes Arbeitsrecht abzielt.   

Stöger: Guter Tag für österreichische ArbeitnehmerInnen

Von einem guten Tag für die österreichischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sprach Sozialminister Alois Stöger. Endlich komme es zu einer Gleichstellung in Bezug auf die Kündigungs- und Entgeltfortzahlungsrechte. Der nun auf dem Tisch liegende Vorschlag sei zudem nicht neu, sondern sei in zahlreichen Sitzungen zwischen den Sozialpartnern ausverhandelt worden. Im Sinne der Gerechtigkeit ersuche er daher um Zustimmung zu dem Gesetz.

Paket bringt Gleichstellung bei Kündigungsschutz und Entgeltfortzahlung

Gemäß dem Gesetzesbeschluss wird auch für ArbeiterInnen künftig eine zumindest sechswöchige Kündigungsfrist gelten, wobei das Dienstverhältnis nur mit Ablauf jedes Kalendervierteljahres gelöst werden kann. Danach steigt die Kündigungsfrist stufenweise an – bis zu einer Dauer von fünf Monaten nach dem vollendeten 25. Dienstjahr. Für Angestellte ist neu, dass die Kündigungsregelungen auch für Beschäftigte mit nur wenigen Wochenstunden (weniger als ein Fünftel der kollektivvertraglichen Normarbeitszeit) gelten.

Vereinheitlicht wird auch die Systematik für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall oder nach einem Unfall, bei gleichzeitiger Verankerung einzelner Verbesserungen. So ist das Gehalt bzw. der Lohn künftig bereits nach einem Dienstjahr – statt wie derzeit erst nach fünf – acht Wochen lang weiterzuzahlen. An der Grundstufe (sechs Wochen) und den weiteren Steigerungsstufen (zehn Wochen nach fünfzehn Dienstjahren, zwölf Wochen nach fünfundzwanzig Dienstjahren) ändert sich hingegen nichts. Bei wiederholtem Krankenstand innerhalb eines Arbeitsjahres ist eine Zusammenrechnung der Anspruchszeiten vorgesehen, außer es handelt sich um einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit. Günstigere Regelungen in Kollektivverträgen sollen beibehalten werden.

Nicht mehr möglich sein wird es, den grundsätzlichen Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei unverschuldeten kurzzeitigen Dienstverhinderungen aufgrund wichtiger persönlicher Gründe kollektivvertraglich einzuschränken. Bei Arbeitern ist das derzeit zulässig. Lehrlinge werden künftig im Krankheitsfall acht – statt bisher vier – Wochen lang die volle Lehrlingsentschädigung und weitere vier Wochen (statt zwei) ein Teilentgelt erhalten.

In Kraft treten werden die Änderungen im Entgeltfortzahlungsrecht mit 1. Juli 2018, der verbesserte Kündigungsschutz für ArbeiterInnen wird ab 2021 gelten. Zur Umsetzung der Gleichstellung müssen nicht nur das Angestelltengesetz, das ABGB und das Entgeltfortzahlungsgesetz geändert werden, sondern auch das Gutangestelltengesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz und das Landarbeitsgesetz. (Fortsetzung Bundesrat) sue


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