Parlamentskorrespondenz Nr. 1001 vom 07.10.2020

Europäisches Klimagesetz: Debatte im EU-Ausschuss des Bundesrats über EU-Vorhaben

Ausschuss beschäftigte sich außerdem mit EU-Vorschlag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet

Wien (PK) – Im EU-Ausschuss des Bundesrats stand heute der aktuelle Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission für ein Europäisches Klimagesetz zur Debatte, der das Klimaneutralitätsziel für 2050 rechtlich verankern soll. Es soll mit diesem Vorschlag auch das Ziel für 2030 zur Senkung der Nettotreibhausgasemissionen um mindestens 55% gegenüber dem Stand von 1990 angestrebt werden.

Darüber hinaus beschäftigte sich der Ausschuss mit einem EU-Vorschlag für eine rechtliche Überbrückungslösung zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet.

EK-Vorschlag, Treibhausgas bis 2030 um mindestens 55% gegenüber 1990 zu senken

Neben einer rechtlichen Verankerung des Klimaneutralitätsziels für 2050 soll mit dem aktuellen Vorschlag der Europäischen Kommission für ein Europäisches Klimagesetz als Ziel für 2030 die Senkung der Nettotreibhausgasemissionen, also die Emissionen nach Abzug des Abbaus, um mindestens 55% gegenüber dem Stand von 1990 anstrebt werden. Seitens des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMLRT) werde dieses aktualisierte 2030-Ziel unterstützt, heißt es von österreichischer Seite, wobei ein Experte des Ministeriums unterstrich, dass auf europäischer sowie auf österreichischer Ebene noch Diskussionen geführt werden. Abzuwarten bleibe auch die Abstimmung des Europäischen Parlaments über den Ansatz, die 55% auf 60% anzuheben. Vom Tisch sei mittlerweile hingegen das Thema delegierte Rechtsakte, so der Experte. Damit sei einer entsprechenden Stellungnahme des Bundesrats inhaltlich Rechnung getragen worden.

Eine Expertin der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) betonte, die WKO stehe voll hinter dem Ziel 2050, sehe aber das Ziel 2030 mit 55% sehr kritisch. Aus ihrer Sicht werde dabei zu wenig die Situation von Industrie, Wirtschaftsstandort und Arbeitsplätzen berücksichtigt. Die Ziele sollten ihr zufolge so gering wie möglich gehalten werden, unter anderem, um nicht Strafzahlungen zu riskieren. Es brauche darüber hinaus für die Industrie weiterhin Gratiszertifikate sowie Klimaschutz und eine Kooperation der Wirtschaftsräume auf internationaler Ebene.

"Mindestens 55%" bedeute, dass das Ziel auch übererfüllt werden könne, erläuterte der Experte des Umweltministeriums gegenüber Adi Gross (Grüne/V). Was Geldtransfers betreffe, werde es darum gehen, Belastungen für Mitgliedstaaten abzufedern, die bisher stark auf fossile Energieträger setzen und sich in Richtung erneuerbare Energie entwickeln. In Richtung Stefan Schennach (SPÖ/W) betonte er, was Atomkraft betreffe, bleibe Österreich bei einer "Safe-and-sustainable-Strategie". Er sehe auch keine Anzeichen, dass auf europäischer Ebene Atomkraft gegenüber anderen bevorzugt werde.

Zum Thema "Klimaschutz als Chance", das neben Adi Gross etwa auch Marlene Zeidler-Beck (ÖVP/N) und Sonja Zwazl (ÖVP/N) aufwarfen, sollte nach Meinung des Experten die Zukunft sein, eine Stärkung des Wirtschaftsstandorts und Klimaschutzmaßnahmen zu vereinen. Auch die WKO-Expertin sieht darin eine Chance, man müsse aber auch erkennen, dass es zur Entwicklung und Prozessumstellung für neue Technologien eine Übergangsphase brauche. Es brauche aus ihrer Sicht daher bis 2030 einen flacheren Zielpfad, um dann ab 2030 "wirklich" zu dekarbonisieren. Außerdem gelte es zu vermeiden, dass große Leitbetriebe, die KMUs "mitziehen", aus der EU abwandern. Wenn Österreich 2030 die Ziele nicht erreiche, würden zudem Strafzahlungen anfallen, sagte sie etwa gegenüber Bernd Saurer (FPÖ/W).

Auch die internationale Ebene sei im Klimaschutz von Bedeutung, bestätigte der Experte des Umweltministeriums etwa in Richtung Sonja Zwazl (ÖVP/N), die vorbrachte, dass Emissionsminderungen in der EU das Weltklima nicht retten würden. Monika Mühlwerth (FPÖ/W) bezweifelte, dass ambitionierte Ziele der EU viel nützen werden, wenn man nicht international handle. Wichtig sei hier aber, so der Vertreter des Ministeriums, dass die EU mit gutem Beispiel und einem ambitionierten Ziel vorangehe, vor allem auch im Hinblick auf die beunruhigenden Wetterextremereignisse, vor denen auch Günther Novak (SPÖ/K) warnte. Der vorliegende Vorschlag stelle ein solches ambitioniertes Ziel dar.

Das Regierungsprogramm enthalte darüber hinaus viele Ansätze zum Ausbau bzw. zur Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs, reagierte der Experte auf entsprechende Kritik von Monika Mühlwerth (FPÖ/W). Auch das Thema Reindustrialisierung und Kernproduktion in Europa sei wichtig, wie sich etwa im Zusammenhang mit der Coronakrise anhand der Abhängigkeit von Masken aus China gezeigt habe. Aus seiner Sicht müsse das Klimaziel der Emissionsreduktion mit den Zielen für erneuerbare Energie und Energieeffizienz Hand in Hand gehen. Ausschussvorsitzender Christian Buchmann (ÖVP/St) vermisst in diesem Zusammenhang etwa im Hinblick auf Reindustrialisierung auch eine Gesamtdebatte über die Kongruenz aller Ziele.  

EU-Vorschlag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet

Der jüngste EU-Vorschlag zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet enthält eine eng abgesteckte und gezielt ausgerichtete rechtliche "Zwischenlösung", deren Zweck es ist, eine befristete und streng begrenzte Ausnahme von der Anwendbarkeit einzelner Passagen der E-Datenschutz-Richtlinie, in denen der Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation und der Verkehrsdaten geregelt ist, zu schaffen. Grund dafür sei, so ein Experte des Ministeriums im Ausschuss, dass von "nummernunabhängigen interpersonellen Kommunikationsdiensten" eingesetzte Verfahren zur Aufdeckung sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet im Hinblick auf die Vorschriften der E-Datenschutz-Richtlinie ermöglicht werden sollen, welche ab 21. Dezember 2020 für diesen Bereich anwendbar werde.

Den Anbietern solcher Kommunikationsdienste soll ermöglicht werden, bis zur Annahme von angekündigten langfristigen Rechtsvorschriften weiter bestimmte Techniken einzusetzen und ihre Tätigkeiten in dem Umfang fortzusetzen, der erforderlich ist, um sexuellen Missbrauch von Kindern im Internet aufzudecken, zu melden und Material über sexuellen Kindesmissbrauch aus ihren Diensten zu entfernen.

Stefan Schennach (SPÖ/W), Marlene Zeidler-Beck (ÖVP/N) sowie Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S) begrüßten, dass zumindest diese Zwischenlösung geschaffen werde, um Täter auszuforschen und zu bestrafen. Auf eine entsprechende Frage erläuterte der Experte, der Zeitplan zum Inkrafttreten sei straff, weil am 21. Dezember das neue Regelwerk anwendbar werde. Er zeigte sich aber optimistisch, dass es möglich sein sollte, den Vorschlag bis dahin umzusetzen. (Fortsetzung EU-Ausschuss des Bundesrats) mbu


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