Parlamentskorrespondenz Nr. 241 vom 08.03.2021

EU-Arbeitspolitik: Initiativen zum Ausbau sozialer Rechte und Bewältigung der Corona-Krise

Bundesminister Kocher legt Vorschau über europäische Vorhaben für das Jahr 2021 vor

Wien (PK) – Über aktuelle Vorhaben auf europäischer Ebene im Bereich Arbeit informiert ein Bericht, der von Bundesminister Martin Kocher dem Parlament zugeleitet wurde (III-240 d.B. und III-743-BR/2021 d.B.). Die Europäische Union verfügt immer noch über 27 Arbeitsmärkte und Wirtschaftssysteme, die unterschiedlichen Rahmenbedingungen unterworfen sind, erklärt der Ressortchef in seinem Vorwort. Die Mitgliedstaaten müssen daher Freiräume haben, um ihre Ökonomien eigenständig, also abhängig von nationalen Erfordernissen, gestalten zu können. Daher sei es wichtig, dass sich die Kommission weiterhin und gerade jetzt auf Bereiche konzentriert, die den Herausforderungen der Pandemie begegnen.

Rat: Vorsitzländer wollen Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte vorantreiben

Das 18-Monatsprogramm des Rates enthält ein Bekenntnis der drei Vorsitzländer Deutschland, Portugal und Slowenien zu einem europäischen Sozialmodell. Für die tatsächliche Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte könnte nach Auffassung des Rates mehr getan werden. Daher sei man entschlossen, diese Arbeit auf der Grundlage der derzeitigen Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der EU und den Mitgliedstaaten voranzubringen. Eines der Ziele bestehe darin, die Aufwärtskonvergenz in der EU zu fördern und den sozialen Zusammenhalt zu stärken. Das könnte insbesondere mithilfe des Vorschlags der Kommission für eine EU-Richtlinie über angemessene Mindestlöhne in der EU erreicht werden. Zudem soll dies auch mit Instrumenten zum Schutz von Arbeitsplätzen und Einkommen, durch den Zugang zu Sozialschutz für alle ArbeitnehmerInnen und Selbstständige sowie durch bessere soziale Inklusion (z.B. in Form einer EU-weiten Arbeitslosenrückversicherungsregelung) erreicht werden.

Der Fokus der beschäftigungs- und sozialpolitischen Aktivitäten ist pandemiebedingt auf die diversen Auswirkungen der COVID-19-Krise ausgerichtet. Dazu gehören auch die Themen Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Arbeitnehmerschutz bei prekären, insbesondere atypischen Beschäftigungsverhältnissen sowie der Einsatz von flexiblen Arbeitsformen wie Telearbeit. Die Arbeit und die Arbeitsbedingungen seien nicht zuletzt aufgrund der Digitalisierung und der Alterung der Bevölkerung einem Wandlungsprozess unterworfen. Man sehe den angekündigten Maßnahmen der Europäischen Kommission in diesem Bereich erwartungsvoll entgegen. Schließlich sei der Zugang zu Berufsbildung und lebenslangem Lernen eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass ArbeitnehmerInnen nachgefragte Kompetenzen erwerben und mit den Veränderungen Schritt halten können. Begrüßt werde zudem die neue Strategie der Kommission für die Gleichstellung der Geschlechter (2020-2025), in der unter anderem Fragen der geschlechtsspezifischen Gewalt und der Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt aufgegriffen werden. Auch der portugiesische Vorsitz stellt im ersten Halbjahr 2021 die soziale Dimension in den Mittelpunkt; ein entsprechender Gipfel soll dazu im Mai abgehalten werden.

Kommission will Aktionsplan für Ausbau der europäischen Säule sozialer Rechte vorlegen

Der Fokus des Arbeitsprogramms der Kommission liegt neben der Überarbeitung bestehender Rechtsvorschriften auf einigen neuen Initiativen, wie etwa der Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Menschen, die Dienstleistungen über Plattformen erbringen. Es soll ein Legislativvorschlag ausgearbeitet werden, um auch für diese Personengruppe faire Arbeitsbedingungen und einen angemessenen Sozialschutz zu gewährleisten. Damit sich die Gesundheits- und Wirtschaftskrise nicht zu einer sozialen Krise ausweitet, setzt die Kommission weiterhin auf das Programm SURE (Instrument zur vorübergehenden Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage), das betroffene Mitgliedstaaten in Anspruch nehmen können. Es soll dazu beitragen, dass die ArbeitnehmerInnen ihr Einkommen behalten und die Unternehmen ihre MitarbeiterInnen weiter beschäftigen können. Weiters forciert die Kommission die europäische Säule sozialer Rechte, zu der als zentrales Instrument ein Aktionsplan vorgelegt werden soll. Zudem werden auch ein neuer strategischer Rahmen der EU für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie ein Aktionsplan für die Sozialwirtschaft vorgeschlagen.

Konkrete Maßnahmen: Vorschlag für eine Richtlinie über angemessene Mindestlöhne, Verbesserungen für Plattformbeschäftigte

Bei der schon erwähnten Säule sozialer Rechte vertritt Österreich die Auffassung, dass sie als Kompass gesehen wird, um die Konvergenz innerhalb der EU voranzutreiben. Sie stelle jedoch kein legislatives Dokument dar, weshalb deren Bedeutung nicht überschätzt werden soll. Gerade die COVID-19-Pandemie habe aufgezeigt, dass die wirtschaftlichen Realitäten in jedem Mitgliedstaat anders seien und es keinen "One size fits all"-Ansatz geben könne. Außerdem würden auf europäischer Ebene bereits ausreichend Initiativen bzw. verfügbare Instrumente existieren, um die Säule mit Leben zu erfüllen. Bis dato keine Details liegen zu einer geplanten EU-Arbeitslosenrückversicherung vor, weshalb Österreich dazu noch nicht im Detail Stellung nehmen könne.

Was die Vorschläge zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit betrifft, bei denen es im Konkreten um die Leistungen bei Arbeitslosigkeit und im Pflegebereich sowie den Anspruch von wirtschaftlich nicht aktiven UnionsbürgerInnen auf bestimmte Sozialleistungen und Familienleistungen geht, so nimmt Österreich eine kritische Haltung ein. Es werden vor allem die bisher bekannten Pläne zu Änderungen im Bereich der Arbeitslosenleistungen für GrenzgängerInnen abgelehnt. Als problematisch werde insbesondere der Übergang der Zuständigkeit vom Wohnstaat auf den Beschäftigungsstaat und die Ausdehnung des Leistungsexportes von drei auf mindestens sechs Monate eingestuft.

Bezüglich des Vorschlags für eine Richtlinie über angemessene Mindestlöhne meldet Österreich rechtliche Bedenken an, da laut EU-Vertrag die Regelung des Entgelts ausdrücklich von der EU-Kompetenz ausgeschlossen sei. Zudem habe Österreich ein sehr gutes und bewährtes System zur Lohnfindung durch Kollektivvertrag, das respektiert werden müsse.

Ein weiteres Beispiel für ein aktuelles Vorhaben im Jahr 2021 ist die von der EU angestrebte Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten. Die Europäische Kommission hat angekündigt, die jeweiligen Sozialpartner zu konsultieren und einen Legislativvorschlag auszuarbeiten. Von österreichischer Seite wird darauf hingewiesen, dass es im Hinblick auf den schon bisher umfangreichen Rechtsbestand fraglich sei, ob es neue verbindliche Regelungen brauche. Wichtig sei es vor allem, eine effektive und effiziente Durchsetzung des bestehenden Rechts in der gesamten EU zu gewährleisten. (Schluss) sue