Parlamentskorrespondenz Nr. 744 vom 17.06.2021

Nationalrat verlängert Corona-Kurzarbeit mit neuen Kriterien

Für besonders von der Krise betroffene Betriebe bleibt das Modell bis Jahresende unverändert

Wien (PK) – Im Nationalrat wurde heute mehrheitlich das Corona-Kurzarbeitsmodell mit teilweise neuen Kriterien verlängert. Betriebe können noch ein Jahr höhere Kurzarbeitsbeihilfen erhalten, allerdings mit einem Abschlag von 15% gegenüber der derzeitigen Beihilfenhöhe. Für besonders stark von der Krise betroffene Betriebe gelten die bisherigen Regelungen noch bis Ende des Jahres unverändert. Mit weiteren mehrheitlich beschlossenen Gesetzesänderungen wird sichergestellt, dass auch Lehrlinge Kurzarbeit in Anspruch nehmen können und dass Finanzämter die Verwendung von Kurzarbeitsbeihilfen auch außerhalb allgemeiner Lohnsteuerprüfungen kontrollieren können.

Keine Mehrheit konnte die FPÖ für ihren Antrag auf eine "Aktion 100.000" und die NEOS für ausgeweitete Eingliederungsbeihilfen finden.

Ein von der SPÖ im Zuge der Debatte eingebrachter Entschließungsantrag zur Unterstützung des Arbeitsministers bei der Beschäftigung von 50.000 Langzeitarbeitslosen blieb ebenfalls in der Minderheit.

Verlängerung des Corona-Kurzarbeitsmodells mit teilweise neuen Kriterien

Die mehrheitlich beschlossene Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz und zum Arbeitsmarktservicegesetz betrifft zwei unterschiedliche Bereiche. Zum einen wird damit das Corona-Kurzarbeitsmodell - mit teilweise neuen Kriterien – verlängert. Betriebe, die von der Corona-Krise betroffen sind, können ein weiteres Jahr, konkret bis Mitte Juni 2022, höhere Kurzarbeitsbeihilfen erhalten. Sie müssen allerdings einen Abschlag von 15% gegenüber der derzeitigen Beihilfenhöhe in Kauf nehmen. Zudem sollen Urlaubsansprüche aliquot verbraucht werden müssen. Details dazu sind nicht im Gesetz selbst festgelegt, sondern der vom AMS-Verwaltungsrat zu erlassenden Kurzarbeits-Richtlinie vorbehalten. Das betrifft auch die geplante Festlegung des maximalen Arbeitszeitentfalls von 50%, wobei die Richtlinie der Zustimmung dreier Ministerien – Arbeits-, Wirtschafts- und Finanzministerium – bedarf.

Eine Sonderbestimmung gibt es für von der Krise besonders stark betroffene Betriebe. Für sie gelten die bisherigen Regelungen noch bis Ende Dezember 2021 unverändert. Dabei geht es etwa um die Stadthotellerie, die Nachtgastronomie und die Eventbranche. Als Kriterium ist ein Umsatzeinbruch von 50% im 3. Quartal 2020 gegenüber dem 3. Quartal 2019 vorgesehen, auch das wird allerdings erst in der Richtlinie verankert.

Mit einem Abänderungsantrag ergänzten die Koalitionsfraktionen in der Sitzung noch, dass der Finanzminister für die Identifizierung von diesen besonders betroffenen Betrieben dem AMS Daten über die Umsätze von ansuchenden Unternehmen übermitteln muss. Außerdem soll die Möglichkeit, vom Urlaubsgesetz abweichende Regelungen zu treffen, um Urlaubsansprüche aliquot zu verbrauchen, Ende Juni 2022 wieder außer Kraft treten. Ab 1. Juli 2022 soll wieder die davor gültige Regelung gelten. Der Abänderungsantrag beinhaltete zudem eine redaktionelle Klarstellung bezüglich eines Datums.

Zweiter Punkt des Antrags ist die Verlängerung zweier coronabedingter Sonderregelungen im Arbeitslosenversicherungsgesetz. Damit sollen Nachteile für selbstständig Erwerbstätige, die von Betriebsschließungen betroffen sind, und von Personen in Altersteilzeit vermieden werden.

Begleitend wurden auf Initiative von ÖVP und Grünen außerdem weitere Gesetzesänderungen mehrheitlich beschlossen. So soll eine Änderung des Berufsausbildungsgesetzes sicherstellen, dass das Instrument der Kurzarbeit auch weiterhin für Lehrlinge in Anspruch genommen werden kann. Außerdem wird es den Finanzämtern ermöglicht, die ordnungsgemäße Verwendung von Kurzarbeitsbeihilfen auch außerhalb allgemeiner Lohnsteuerprüfungen zu überprüfen.

Lob und Kritik für Kurzarbeitsverlängerung

Die Kurzarbeit habe mehr als eine Million Arbeitsplätze nachhaltig gesichert, hob Arbeitsminister Kocher positiv hervor. Sie sei aber ein Instrument für die Krise. Jetzt, wo sich die Situation aufwärts entwickle, brauche es deshalb ein neues Modell. Mit der Kurzarbeit Phase 5 habe man einerseits eine Variante geschaffen, die noch stark betroffenen Betrieben Sicherheit gebe, und andererseits eine Variante ermöglicht, die mehr Anreize für Beschäftigung biete und einen Übergang zu einer permanenten Kurzarbeitslösung ermögliche. Kocher zeigte sich erfreut über den "guten Kompromiss".

Michael Hammer (ÖVP) bezeichnete die Kurzarbeit in Österreich als "Erfolgsgeschichte", die wesentlich dazu beigetragen habe, dass das Land besser durch die Krise gekommen sei als andere Staaten. Nun zeige sich eine positive Entwicklung am Arbeitsmarkt. Daher sorge das vorgelegte Modell mit den zwei Varianten dafür, dass Kurzarbeit nur dort genutzt werde, wo sie nötig sei. Auch Ernst Gödl (ÖVP) ortete eine positive Stimmung unter den UnternehmerInnen. Rebecca Kirchbaumer (ÖVP) bezeichnete die Kurzarbeit insbesondere für die Gruppe der Lehrlinge als wichtiges Instrument, für die nun die Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Markus Koza (Grüne) betonte, es brauche ein gesundes Verhältnis zwischen dem Überwasserhalten von Betrieben und der Ermöglichung eines Strukturwandels in der Wirtschaft. Das Kurzarbeitsmodell sei hierfür ein guter Kompromiss. Er zeigte sich offen für eine Übernahme als Standardmodell einer zukünftigen Kurzarbeit.

Für Verena Nussbaum (SPÖ) ist die Prüfmöglichkeit der Finanzämter außerhalb der Lohnsteuerprüfungen ein wichtiger Punkt. Zudem bezeichnete sie es als positiv, dass mit dem Abänderungsantrag die Urlaubsregelung befristet wurde und nicht dauerhaft in ein "unabdingbares Recht der ArbeitnehmerInnen" eingegriffen werde. Josef Muchitsch (SPÖ) zufolge ist es gut, dass viele Unternehmen die Kurzarbeit nicht mehr benötigen, weil die wirtschaftliche Situation sich verbessere. Dennoch seien die ArbeitnehmerInnen die VerliererInnen der Krise. Viele seien heute noch aufgrund der Lockdowns langzeitarbeitslos. Er brachte deshalb im Zuge der Debatte einen Entschließungsantrag ein, mit dem die SPÖ die Regierung auffordern wollte, den Arbeitsminister bei seinem arbeitsmarktpolitischen Ziel der Beschäftigung von 50.000 Langzeitarbeitslosen bis Ende 2022 zu unterstützen. Der Antrag fand jedoch keine Mehrheit.

Gerald Loacker (NEOS) kritisierte die Verlängerung der Kurzarbeit scharf. Es sei nicht Aufgabe des Staates, den Unternehmen die Stammbelegschaft zu sichern. Menschen würden mit Steuergeld fürs Nichtstun bezahlt, so Loacker. Er warf der Regierung vor, keinen wirtschaftlichen Umgang mit Steuergeld zu beherrschen.

Ebenfalls Kritik an den Regierungsfraktionen kam von Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Sie bemängelte, dass so viele Anträge der Opposition in den Ausschüssen vertagt würden und damit nie ins Plenum kämen.

Oppositionsanträge für "Aktion 100.000" und Ausweitung der Eingliederungsbeihilfen abgelehnt

Bereits zum zweiten Mal im Plenum war eine Initiative der FPÖ, die darauf abzielt, 100.000 Arbeitslose aus schützenswerten bzw. unterstützenswerten Gruppen wieder in Beschäftigung zu bringen. Erreicht werden soll das etwa durch einen Ausbau bestehender arbeitsmarktpolitischer Instrumente wie Kombilohnhilfen, Eingliederungsbeihilfen, der Weiterbildung 50+ und dem Fachkräftestipendium. Zudem tritt die FPÖ dafür ein, neue Instrumente zu entwickeln und die öffentliche Hand als Arbeitgeberin stärker in die Pflicht zu nehmen. Der Antrag blieb in der Minderheit.

Auch ein Entschließungsantrag der NEOS zur Ausweitung der Eingliederungsbeihilfen fand keine Mehrheit. Konkret plädieren die NEOS dafür, den Kreis der förderungswürdigen Personengruppen zu erweitern, die Förderhöhe je nach Alter und Dauer der Arbeitslosigkeit zu staffeln und die Förderdauer auf bis zu 365 Tage zu verlängern. Auch die Aufstockung des Budgets für Eingliederungsbeihilfen auf 425 Mio. € ist ihnen ein Anliegen. (Fortsetzung Nationalrat) kar

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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