Parlamentskorrespondenz Nr. 412 vom 27.04.2022

Teuerung: FPÖ verlangt Eingreifen der Regierung

Hitzige Debatte im Nationalrat über Maßnahmen zur Entlastung der Bevölkerung

Wien (PK) - "Kostenlawine stoppen: Entlastung für Österreich - Jetzt, Herr Bundeskanzler!" lautete der Aufruf, den die FPÖ in der Aktuellen Stunde im Nationalrat heute an Regierungschef Karl Nehammer richtete. FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl hielt der Regierung vor, sich nicht um die finanziellen Nöte der Bevölkerung zu kümmern, die der rapide Anstieg der Lebenserhaltungskosten aufgrund der hohen Inflation verursache. Anstatt Maßnahmen wie einen Preisdeckel auf Grundnahrungsmittel zu setzen, verwende die Regierung ihre Energien lieber auf die Lösung internationaler Konflikte und Pressetermine. In ihrer Replik wies in Vertretung von Bundeskanzler Nehammer Staatssekretärin Claudia Plakolm darauf hin, dass Österreich dank der Entlastungsmaßnahmen der Regierung viel rascher als andere Länder auf die Teuerungswelle reagiert habe. Zusätzlich zu den 4 Mrd. € für die Abfederung der Preissteigerung bei Energie, Treibstoffen und Lebensmittel kämen durch die ökosoziale Steuerreform auch nachhaltige Entlastungen der BürgerInnen von insgesamt 18 Mrd. €.

ÖVP und Grüne sprachen vor dem Hintergrund der Regierungsmaßnahmen den Vorschlägen der Opposition ab, die Lage langfristig zu verbessern. Die SPÖ forderte nachdrücklich eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, die NEOS pochen auf die Abschaffung der kalten Progression.

Kickl: Regierung lässt Menschen alleine

Den Umfang der aktuellen Teuerung in Österreich verbildlichte FPÖ-Obmann Kickl anhand der Situation einer Wiener Pensionistin, die ihn kontaktiert habe, weil sie aufgrund der kleinen Pension bei Grundnahrungsmitteln sparen müsse. Speziell Bundeskanzler Nehammer hielt er vor, sich nicht der Debatte über die finanziell prekäre Situation vieler Menschen im Land zu stellen und sich lieber mit der Flüchtlingshilfe zu befassen. Dabei solle Nehammer sich eher um die heimischen Probleme kümmern als um internationale Politik, rügte Kickl unter anderem die Reisen des Kanzlers nach Kiew und Moskau. "Die Strom- und Gaspreise gehen durch die Decke, kein Ende in Sicht", prangerte er an, und Lebensmittel würden immer mehr zu "Luxusartikeln". Die Entlastungsprojekte der Regierung kämen nicht bei der notleidenden Bevölkerung an, dabei gebe es sinnvolle Maßnahmen, die Kostensteigerung, von der nur die Energieunternehmen profitierten, abzumildern. Die Steuern auf Benzin und Diesel sowie auf Grundnahrungsmittel seien zu streichen beziehungsweise zu deckeln, regte Kickl an und appellierte, den Weg für eine neue Regierung mit der FPÖ freizumachen.

Plakolm: Regierung hat rasch auf Teuerung reagiert

Die Belastung der ÖsterreicherInnen durch die stark steigenden Preise bei Treibstoffen, Energie und Grundnahrungsmitteln beschäftige die Regierung außerordentlich, entgegnete Staatssekretärin Plakolm. Gemeinsam mit ExpertInnen würde die Inflationsentwicklung täglich beobachtet. Immerhin habe die Inflation mit knapp 7% ein neues Rekordhoch erreicht, die Negativspirale werde durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine angekurbelt. "Wir können nicht jede Teuerung ausgleichen", erinnerte Plakolm, aber die Regierung lasse mit ihrer nachhaltigen Budgetpolitik die Menschen mit der Teuerung nicht alleine, diesbezügliche Entlastungen von insgesamt 4 Mrd. € würden bereits ausbezahlt. Gleichzeitig beachte man mögliche Folgekosten für junge Generationen. Gut durchdachte, nachhaltige und treffsichere Maßnahmen seien nötig anstatt populistischer Forderungen, verwies die Staatssekretärin auf das Entlastungsvolumen von 18 Mrd. € der ökosozialen Steuerreform, die besonders mittleren und kleinen Einkommen sowie Familien zugutekomme, etwa durch Einkommenssteuersenkungen und die Erhöhung der Familienbeihilfe. Österreich sei das einzige Land der EU, das trotz Corona-Pandemie eine derartige Steuerreform beschlossen habe.

ÖVP: Entlastung muss treffsicher sein

ÖVP-Abgeordnete Carmen Jeitler-Cincelli befand wie August Wöginger, Obmann des ÖVP-Parlamentsklubs, volkswirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen habe die Opposition nicht vorzuweisen "Ein Preisdeckel ist kommunistisch", sah sich Jeitler-Cincelli bei der entsprechenden FPÖ-Forderung an die DDR erinnert. Eine Abschaffung der kalten Progression, das Anliegen der NEOS, unterstütze gerade die kleinsten Einkommen nicht ausreichend. Die Regierung entlaste hingegen die Menschen aktuell "für 14 Monate", bis Mitte 2023, hob Wöginger die Wirkung der Regierungsmaßnahmen hervor, die treffsicher seien. Man sehe sich mit einem globalen Wirtschaftseinbruch konfrontiert, sagte Jeitler-Concelli in Hinblick auf die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs und hielt fest, der Staat könne Wohlstandsverlust nicht völlig abwehren. Die Politik solle aber Menschen in Notsituationen helfen und die Wirtschaft wieder ankurbeln, etwa durch Initiativen zur Standortsicherung wie die Beschleunigung der UVP-Verfahren und den Zuzug von Arbeitskräften.

Grüne: Klimaschutz zur Absicherung vor Krisen

Die Teuerung ist aus Sicht von Grünen-Mandatarin Elisabeth Götze ein Symptom für den "Krisenmodus", in dem die Welt aufgrund der Klimakrise stecke. Zur Symptombehandlung habe die österreichische Regierung mit Entlastungspaketen für Haushalte rasch für Teuerungsabfederung gesorgt. Unternehmen würden mit Abgabensenkungen ebenfalls unterstützt, sodass Arbeitsplätze erhalten bleiben und sie durch Transformation der Klimakrise gewachsen seien. Letztendlich ist Abgeordnetem Hermann Weratschnig (Grüne) zufolge "Klimaschutz die Überlebensversicherung" in Zeiten wie diesen, die von vielen Unsicherheiten geprägt seien, und Volkswirtschaften wie Haushalte massiv belasteten. Auf die aktuelle globale Teuerungswelle reagiere die Regierung "rasch, wirksam und sozial gerecht" mit Maßnahmen wie Teuerungs- und Energiekostenausgleich, dem Aussetzen des Ökobonus und der Senkung von Erdgas- und Elektrizitätsabgabe. Langfristig setze man auf eine Ökologisierung, gerade in der Mobilität, verwies Weratschnig auf das Klimaticket, das bereits gut angenommen werde, sowie auf Pläne zum Ausbau des leistbaren öffentlichen Verkehrs.

SPÖ: Mehrwertsteuer auf Lebensmittel senken

Das Fehlen sozialer Gerechtigkeit bei den Regierungshilfen rügte SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner. Anstatt beispielsweise den rasanten Anstieg der Sprit- und Energiepreise einzudämmen, dränge der Finanzminister die Gewerkschaft, bei den Lohnverhandlungen nicht zu hohe Forderungen zu stellen. Und der Kanzler orte in Zusammenhang mit der Teuerungsdebatte "Hysterie", so Rendi-Wagner in Richtung der abwesenden Regierungsspitze: "Offenbar haben Sie komplett den Kontakt mit den Menschen verloren". Speziell an die Grünen appellierte sie, dem SPÖ-Antrag auf Steuersenkung bei Lebensmitteln, der heute in der Sitzung eingebracht werde, zuzustimmen. "Es braucht entschlossene Politik", zog Sozialdemokrat Jörg Leichtfried nach, "und zwar jetzt". Keine der angekündigten Regierungsmaßnahmen habe die Menschen bislang erreicht.

NEOS: Zinswende und Abschaffung der kalten Progression

NEOS-Mandatar Gerald Loacker räumte ein, der aktuelle Inflationsanstieg an sich sei nicht der österreichischen Regierung anzulasten, eher der Europäischen Zentralbank (EZB), die den Markt seit Jahren "mit Geld flute". Die Eurostaaten hätten nämlich "Abermilliarden an Schulen angehäuft", befand er im Einklang mit seiner Fraktionskollegin Karin Doppelbauer, die eine "Zinswende" seitens der EZB forderte. Das sei eine Konsequenz der ÖVP-Budgetpolitik, zog Loacker den Kreis zur Innenpolitik. Die Zinsen müssten aus Sicht des Finanzministers niedrig bleiben, da sonst mehr für die Staatsschulden zu zahlen sei. Anders als die FPÖ sehen die NEOS eine Preisbremse nicht als Lösung des Problems, genauswenig stimmen sie mit der SPÖ in Bezug auf Lebensmittel-Steuersenkungen überein. Ab einem Jahreseinkommen von 11.000 € sollte vielmehr die kalte Progression gestoppt werden, beschrieb Loacker die aus NEOS-Sicht einzig richtige Maßnahme zur raschen Entlastung. Die Senkung der Lohnnebenkosten führte Doppelbauer als weiteren wichtigen Schritt ins Treffen, um die Inflationsspirale zu stoppen und Arbeitsplätze zu sichern. An den steigenden Preisen verdiene nämlich nur der Finanzminister.

FPÖ: Regierung belastet BürgerInnen

Die Freiheitlichen Dagmar Belakowitsch und Christian Hafenecker sprachen sich wie eingangs ihr Klubobmann dafür aus, sofort spürbare Teuerungsentlastungen wie Steuersenkungen in Angriff zu nehmen. Die jüngste Steuerreform der Regierung belaste die einfachen BürgerInnen und helfe mit niedrigen Körperschaftssteuern lediglich den Konzernen, nannte Hafenecker den Verweis Plakolms auf den Nutzen der Steuerreform "zynisch". Von der Teuerungsentlastung der Regierung spüre die Bevölkerung tatsächlich nichts, meinte Belakowitsch und berichtete über Nachzahlungsforderungen von Energieanbietern an Haushalte. Nicht zuletzt mit ihrer Corona-Politik habe die Regierung "das Land an die Wand gefahren", folgerte die FPÖ-Mandatarin, nur Großunternehmen hätten von den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung profitiert. (Fortsetzung Nationalrat) rei

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