Parlamentskorrespondenz Nr. 499 vom 12.05.2022

Service-Karte für Bauarbeiter:innen soll bestehende Identitätskarte ergänzen

Einhellige Zustimmung im Sozialausschuss für Änderung des Bauarbeiter- Urlaubs- und Abfertigungsgesetzes

Wien (PK) – Die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) kann Bauarbeiter:innen, die Ansprüche gegenüber der BUAK haben und über keine Bau-Identitätskarte (Bau-ID) verfügen, künftig eine Service-Karte ausstellen. Der Sozialausschuss des Nationalrats hat in seiner heutigen Sitzung einstimmig die dafür notwendigen gesetzlichen Grundlagen beschlossen. Zudem erhalten arbeitslos gewordene Bauarbeiter:innen mit der Novelle die Möglichkeit, eine vorzeitige Auszahlung von Ansprüchen aus der "Abfertigung Alt" zu beantragen. Wie SPÖ und ÖVP im Ausschuss betonten, handelt es sich um eine Sozialpartnereinigung, für Ausschussvorsitzenden Josef Muchitsch wird damit außerdem ein weiterer Schritt zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping gesetzt.

Vertagt hat der Ausschuss hingegen verschiedene Oppositionsanträge. Zur Debatte standen etwa Forderungen nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes und nach spezifischen Förderungen für Langzeitarbeitslose. Zudem ging es um die Einführung einer Rot-Weiß-Rot-Karte für Lehrlinge, Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt für Nicht-Österreicher:innen sowie einen Rechtsanspruch auf Freistellung für Einsatzkräfte im Katastrophenschutz.

Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher betonte, dass es derzeit weniger Langzeitarbeitslose als vor der Pandemie gebe. An der Reform der Arbeitslosenversicherung wird ihm zufolge nach wie vor gearbeitet, ein Gesamtkonzept soll noch vor dem Sommer vorliegen. Genaueres könne er dazu noch nicht sagen, erklärte Kocher.

Neue Service-Karte für Bauarbeiter:innen

Die neue Service-Karte kann laut Gesetzentwurf (2411/A) sowohl aktiven als auch arbeitslosen Bauarbeiter:innen ausgestellt werden, sofern sie Ansprüche gegenüber der BUAK haben. Das gilt auch für aus dem Ausland entsendete bzw. überlassene Beschäftigte. Damit will man nicht nur das Service für die Betroffenen verbessern, sondern auch Identitätsfeststellungen im Kundenverkehr der BUAK und bei Baustellenkontrollen erleichtern, wie es in den Erläuterungen heißt. Außerdem soll es jederzeit möglich sein, die Service-Karte auf Wunsch mit den Funktionen einer Bau-ID-Karte auszustatten. Die Bau-ID-Karte war erst im vergangenen Jahr eingeführt worden, mit dem Ziel, illegale Beschäftigung am Bau zu verhindern. Allerdings ist die Teilnahme am System sowohl von Seiten der Unternehmen als auch von Seiten der Beschäftigten freiwillig.

Weitere Punkte der BUAG-Novelle betreffen die Auszahlung einer Ersatzleistung für Bauarbeiter:innen, die nach dem 58. Lebensjahr invalid geworden sind, sowie klarere Vorgaben in Bezug auf die Überweisung von Abfertigungsbeiträgen an die Betriebliche Vorsorgekasse durch die BUAK. Zudem soll es bei der Auszahlung von Urlaubsentgelt sowie beim Datenaustausch zwischen der BUAK und dem AMS zu bürokratischen Vereinfachungen kommen. Die Möglichkeit für Bauarbeiter:innen, im Falle von Arbeitslosigkeit eine vorzeitige Auszahlung von Ansprüchen aus der "Abfertigung Alt" zu beantragen, hat es bereits zu Beginn der Corona-Pandemie gegeben, nun wird diese Regelung wiederbelebt und ins Dauerrecht übernommen.

In der Debatte wiesen Alois Stöger (SPÖ), Josef Muchitsch (SPÖ) und Tanja Graf (ÖVP) darauf hin, dass es sich um die Umsetzung eines Sozialpartnervorschlags handle. Der Antrag bringe sowohl Verbesserungen für Arbeitgeber:innen als auch für Arbeitnehmer:innen, sagte Muchitsch. Zudem wird ihm zufolge damit auch ein weiterer Schritt gegen Lohn- und Sozialdumping gesetzt. Verbesserungen gegenüber dem status quo ortet auch Gerald Loacker (NEOS): Dass seine Partei den Antrag dieses Mal mittrage, heiße aber nicht, dass sie das System in allen Punkten gut finde, stellte er klar. Positiv ist für ihn auch, dass durch die Maßnahmen zu keinen Budgetbelastungen kommt.

Reform der Arbeitslosenversicherung: Kocher stellt Gesamtkonzept bis zum Sommer in Aussicht

Vertagt hat der Sozialausschuss – wie auch weitere Oppositionsanträge - einen Entschließungsantrag der SPÖ (2242/A(E)), der darauf abzielt, das Arbeitslosengeld auf 70% des letzten Einkommens zu erhöhen, es jährlich zu valorisieren und den Familienzuschlag zu verdreifachen. Der größte Hebel in der Armutsbekämpfung sei die Erhöhung des Arbeitslosengeldes, hatte Alois Stöger die Initiative mit Verweis auf Studienergebnisse begründet. Er urgierte außerdem die Wiedereinführung einer regelmäßigen Valorisierung des Arbeitslosengeldes, die ihm zufolge abgeschafft wurde, als es mit Martin Bartenstein einen Arbeits- und Wirtschaftsminister in Personalunion gab.

Skeptisch in Bezug auf eine Erhöhung des Arbeitslosengelds äußerte sich hingegen Bettina Zopf (ÖVP). Sie verwies aber auf derzeit laufende Gespräche über eine generelle Neugestaltung. Laut Arbeitsminister Martin Kocher soll das Gesamtkonzept für die Arbeitslosenversicherungsreform noch vor dem Sommer vorliegen, genaueres wollte der Minister dazu nicht sagen.

Generell hob Kocher hervor, dass es in Bezug auf die Arbeitsmarktentwicklung große Unsicherheitsfaktoren gibt. "Wir müssen vorsichtig sein, was den Herbst betrifft", meinte er. Erwartet wird von Kocher "eine leichte Abkühlung" der Konjunktur im Bereich der Industrie und des Baus, während es im Dienstleistungsbereich weiterhin gut laufen sollte, sofern die Konsumlaune erhalten bleibt. Die derzeitigen Arbeitsmarktdaten bezeichnete der Minister als "relativ gut", so gebe es weniger langzeitarbeitslose Menschen in Österreich als vor der Pandemie. Durch die "Aktion Sprungbrett" sollte es ihm zufolge zu einer weiteren Verbesserung der Lage kommen.

Der größte Hebel zur Bekämpfung von Armut sei nicht eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes, sondern Menschen in Arbeit zu bringen und Beschäftigung zu schaffen, widersprach Kocher Abgeordnetem Stöger und verwies in diesem Zusammenhang auf Kombilohnmodelle und Wiedereingliederungsbeihilfen. Die Gefahr, dass es durch seine Doppelfunktion als Wirtschafts- und Arbeitsminister zu einer "Imbalance" zwischen den beiden Bereichen kommen wird, sieht Kocher nicht. Er werde für einen Interessenausgleich sorgen, versicherte er.

FPÖ fordert mehr Unterstützung für Langzeitarbeitslose

Von Seiten der FPÖ erneuerte Peter Wurm die Forderung, mehr gegen die infolge der Corona-Pandemie gestiegene Langzeitarbeitslosigkeit zu unternehmen (1826/A(E)). Durch die Bündelung und den Ausbau arbeitsmarktpolitischer Instrumente wie Kombilohnbeihilfen, Eingliederungsbeihilfen und Facharbeiterstipendien wollen die Freiheitlichen vor allem Arbeitslose unterstützen, die gesundheitliche Einschränkungen oder Behinderungen haben, älter als 50 Jahre sind oder maximal über einen Pflichtschulabschluss verfügen. Dabei könnten ihrer Meinung nach die öffentliche Hand und staatsnahe Unternehmen durch eine Einstellungsoffensive für Langzeitarbeitslose mit gutem Beispiel vorangehen.

Dazu hielt Kocher fest, dass es noch nie ein so großes Budget zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit gab wie zuletzt. Der Bestand an Langzeitarbeitslosen habe innerhalb eines Jahres um 50.000 reduziert werden können.

Auch mit einem weiteren Antrag (611/A(E)) hatte die FPÖ keinen Erfolg: Die Forderung, den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt im Falle hoher Arbeitslosigkeit auch für EU-Bürger:innen sektoral zu beschränken, ist nach Meinung von Bettina Zopf (ÖVP) mit EU-Recht nicht vereinbar.

Ausstellung einer Rot-Weiß-Rot-Karte soll beschleunigt werden

Ein weiterer Debattengegenstand im Ausschuss war die Rot-Weiß-Rot-Karte. Den Abgeordneten lag dazu ein Antrag der NEOS vor (2392/A(E)), der darauf abzielt, die Rot-Weiß-Rot-Karte für Lehrlinge zu öffnen, um dem Lehrlingsmangel in Österreich zu begegnen. Warum solle man jemandem aus Bosnien und Herzegowina, der Verwandte in Österreich hat und hier eine Ausbildung machen will, nicht die Möglichkeit dazu geben, hielt Gerald Loacker dazu fest.

Bettina Zopf (ÖVP) sprach sich dafür aus, die laufenden Verhandlungen über Verbesserungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte abzuwarten. Die Gesetzesnovelle sei bereits in Begutachtung, hob Arbeitsminister Kocher hervor. Er erwartet sich unter anderem eine massive Beschleunigung bei der Ausstellung der Karte durch die Zulassung paralleler Verfahren. Zudem verwies er auf ein Pilotprojekt in Wien zur besseren Zusammenarbeit der zuständigen Behörden.

NEOS-Abgeordneter Loacker sprach hingegen von einer "kafkaesken" Situation. Derzeit würden sich zwei Behörden um die Rot-Weiß-Rot-Karte kümmern und der Akt zwischen diesen hin- und herwandern. Da helfe es auch nichts, eine dritte Einheit des Staates einzurichten, die den Unternehmen bei der Bewältigung der Bürokratie helfen soll.

Vor zu weitreichenden Lockerungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte warnte Peter Wurm (FPÖ). Er plädierte demgegenüber dafür, Maßnahmen zu setzen, um die Mobilität der Arbeitnehmer:innen innerhalb der EU zu erhöhen. Das wäre eine zentrale Aufgabe der EU, zumal es in vielen Ländern höhere Arbeitslosenraten gebe. So könnte etwa ein griechischer Koch im Winter in Österreich arbeiten. Laut Kocher gibt es bereits einige entsprechende Initiativen und Kooperationen.

SPÖ urgiert Rechtsanspruch auf Freistellung für Einsatzkräfte im Katastrophenschutz

Zur Diskussion im Ausschuss stand auch ein Entschließungsantrag der SPÖ (2042/A(E)), der darauf abzielt, Arbeitnehmer:innen im Katastrophenfall einen Rechtsanspruch auf Freistellung inklusive Entgeltfortzahlung zu gewähren, wenn sie für Katastrophenhilfsorganisationen, Rettungsdienste oder freiwillige Feuerwehren im Einsatz sind. Selbständige sollen gleichzeitig eine pauschale Abgeltung für etwaige Verdienstausfälle aufgrund ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit erhalten. Die SPÖ will damit die Bedeutung von Hilfseinsätzen unterstreichen. Ohne Rechtsanspruch gebe es immer wieder Streitfälle, hielt SPÖ-Abgeordneter Christian Drobits fest.

Rebecca Kirchbaumer (ÖVP) hielt der SPÖ entgegen, dass es hier um Freiwilligenarbeit gehe, die seit Jahrzehnten bestens funktioniere. Ehrenämter seien eine maßgebliche Säule in der Gesellschaft, man müsse nicht immer alles pekuniär abgelten. Auch Markus Koza (Grüne) ist, was die Realisierbarkeit einzelner Forderungen im SPÖ-Antrag betrifft, skeptisch. (Fortsetzung Sozialausschuss) gs