Parlamentskorrespondenz Nr. 669 vom 14.06.2022

NPO-Fonds: Fördermittel für Seniorenbund sorgen auch im Parlament für Diskussion

Vizekanzler Kogler will Entscheidungen des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats abwarten

Wien (PK) – Die Inanspruchnahme von Fördermitteln des Corona-Unterstützungsfonds für Non-Profit-Organisationen durch den Oberösterreichischen Seniorenbund sorgt auch im Parlament für Diskussionen. In der heutigen Nationalratssitzung forderte die Opposition volle Aufklärung und Transparenz. Es müsse genau geprüft werden, ob Hilfszahlungen aus dem NPO-Fonds an politische Parteien bzw. deren Vorfeldorganisationen geflossen seien, hieß es etwa von Seiten der NEOS. Auch die anderen Fraktionen sehen in verschiedener Hinsicht Prüfbedarf. Allerdings pochte die ÖVP auf "mehr Ehrlichkeit" in der politischen Debatte und der medialen Diskussion, schließlich hätte nicht nur der Seniorenbund, sondern etwa auch ein Reisebüro des sozialdemokratischen Pensionistenverbandes Förderungen erhalten.

Vizekanzler und Sportminister Werner Kogler machte geltend, dass die Sache nicht so einfach sei. Die entscheidende Frage sei, ob der Verein Österreichischer Seniorenbund als Teilorganisation der ÖVP zu werten ist. Dazu gebe es zwar bereits eine Entscheidung des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats (UPTS) älteren Datums, ob diese für den gegenständlichen Fall angewendet werden könne, sei aber fraglich. Er beglückwünsche alle, die das Ergebnis schon wissen, meinte Kogler, er selbst werde sich aber hüten, den "Zwischenrichter" zu spielen und vor Abschluss der laufenden Prüfungen eine vorschnelle Entscheidung zu treffen. Auch wenn die Sachlage gewisse Tendenzen "insinuiert". Schließlich sei der UPTS die maßgebliche Stelle zur Auslegung des Parteiengesetzes.

Eine wichtige "Stütze" könnten laut Kogler die zu erwartenden Entscheidungen in Zusammenhang mit der laufenden Prüfung des Rechenschaftsberichts der ÖVP und der Wahlkampfkosten 2019 sein. Der Rechnungshof habe sich hier mit mehreren Fragestellungen an den UPTS gewendet, betonte er. Diese Bewertungen gelte es abzuwarten. "Die Geduld werden wir haben müssen."

Allgemein wies Kogler darauf hin, dass die Abwicklungsstelle für den NPO-Fonds die AWS sei. Diese habe zahlreiche Kontrollmechanismen eingebaut. Dazu gehören etwa automatisierte Abgleiche mit dem Vereinsregister und Finanzamtsdaten sowie Ex-post-Kontrollen. Nun habe man zusätzliche Unterlagen angefordert. "Wir gehen allem nach", versicherte Kogler. Wer zu Unrecht Mittel beantragt habe, werde diese zurückzahlen müssen. Von den Vereinen geltend gemacht werden können ihm zufolge etwa Zahlungen für Miete und Pacht, Energiekosten und Vorlaufkosten für abgesagte Veranstaltungen.

NPO-Fonds hat bis Ende April 2022 725 Mio. € ausgezahlt

Basis für die Diskussion bildete ein aktueller Bericht von Vizekanzler Kogler über die Gebarung des NPO-Unterstützungsfonds, der schließlich mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde. Demnach hat der Fonds bis Ende April 2022 Auszahlungen in der Höhe von 725 Mio. € getätigt, die an 23.195 gemeinnützige Vereine und Organisationen flossen. Die Durchschnittsförderung betrug 31.260 €. Spitzenreiter ist der Sportsektor mit 152,61 Mio. € (21% der Auszahlungssumme), danach folgen die Bereiche Gesundheit, Pflege, Soziales (17,4%), Kunst und Kultur (14,6%), Bildung und Wissenschaft (14,3%) sowie Religion und Kirche (13,3%).

Eingerichtet wurde der NPO-Fonds, um gemeinnützige Organisationen, die durch die Corona-Krise wirtschaftlich geschädigt wurden, zu unterstützen. Nicht nur Vereine aus den unterschiedlichsten Lebensbereichen, sondern auch kirchliche Organisationen und Freiwillige Feuerwehren können demnach Zuschüsse aus diesem Topf erhalten. Ziel der Förderungen ist es, dass die Vereine und Organisationen ihre Leistungen weiterhin erbringen können.

Lob für NPO-Fonds und Kritik an mutmaßlichem "Fördermissbrauch"

Im Rahmen der Debatte gab es grundsätzlich viel Lob für den Fonds. So hoben etwa die Abgeordneten Maximilian Köllner (SPÖ), Agnes Sirkka Prammer (Grüne) und Christoph Zarits (ÖVP) die Bedeutung der Hilfszahlungen für Sport- und andere Vereine hervor. Der Fonds sei "ein echtes Erfolgsprojekt" hielt Prammer fest. Durch ihn sei die ehrenamtliche Arbeit gut durch die Krise gebracht worden, ergänzte Zarits. Köllner hob die unkomplizierte Beantragung von Förderungen und die rasche Auszahlung der Gelder hervor. Er kenne keine einzige negative Rückmeldung eines Vereins, stimmte auch ÖVP-Abgeordneter Klaus Lindinger in das Lob ein.

Als problematisch werteten viele Redner:innen allerdings die Inanspruchnahme von Fördermitteln durch den österreichischen Seniorenbund und andere politische Vorfeldorganisationen. So wie es ausschaue, habe der Seniorenbund unrechtmäßig Mittel erhalten, hielt etwa SPÖ-Abgeordneter Köllner fest und verwies in diesem Zusammenhang auf eine frühere Entscheidung des Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senats, der den Verein klar der ÖVP zugerechnet hat. Sein Parteikollege Jörg Leichtfried sprach vor diesem Hintergrund von einer "rechtswidrigen und korrupten" Vorgangsweise der ÖVP, die sich in andere Vorkommnisse einreihe. Die SPÖ rief den Vizekanzler in diesem Sinn auf, rasch Licht in die Causa zu bringen und unrechtmäßige Förderungen zurückzuverlangen.

Keine Mehrheit für NEOS-Entschließungsantrag

Seitens der NEOS übten Katharina Werner und Nikolaus Scherak Kritik am Seniorenbund. Kaum gibt es einen Fördertopf, würden sich die Parteien überlegen, wie sie möglichst viele Geld "in die eigenen Parteitaschen stopfen können", um die Mittel anschließend an ihre Klientel zu verteilen, sagte Werner. Perfektioniert habe das die ÖVP: Mit "Gratis-Schnitzerln", Blumensträußen und anderen Aufmerksamkeiten würden "Wähler angefüttert". Das sei das Geld, das dann für kostenlose Kinderbetreuung, den Kampf gegen die Klimakrise und den Ausbau des öffentlichen Verkehrs fehle.

"Damit muss Schluss sein", bekräftigte Werner und forderte gemeinsam mit Scherak nicht nur eine lückenlose Aufklärung des Sachverhalts und eine Änderung des Parteiengesetzes, sondern auch eine Haltungsänderung. Die ÖVP dürfe die Bevölkerung nicht länger "an der Nase herumführen", so Scherak. Ein von den NEOS eingebrachter Entschließungsantrag zur lückenlosen Prüfung von NPO-Hilfszahlungen an Vorfeldorganisationen sämtlicher Parteien fand bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit.

Kritisch äußerte sich auch FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker. Er forderte von der ÖVP ein Eingeständnis des "Fehlers" und eine Entschuldigung. Der Seniorenbund habe sich "schamlos an Geldern bedient", die für ehrenamtliche Vereine gedacht gewesen seien, und sei von der Parteispitze dazu ermutigt worden, meinte er. Auch an andere ÖVP-Organisationen wie die Jungbauern seien beträchtliche Förderungen geflossen. Hafenecker wertete es zudem als fragwürdig, dass die nunmehr kritisierten Förderungen nicht schon bei der Beantragung hinterfragt wurden, und nahm in diesem Zusammenhang Vizekanzler Kogler als zuständigen Minister für den Fonds in die Pflicht. "Der Anstand ist auf der Flucht", folgert der Abgeordnete.

ÖVP: Seniorenbund leistet wichtige ehrenamtliche Arbeit

Die ÖVP-Abgeordneten Christoph Zarits und Lukas Brandweiner hielten den Kritiker:innen entgegen, dass der Österreichische Seniorenbund seit 70 Jahren bestehe und auch in der Pandemie "tolle ehrenamtliche Arbeit" geleistet habe. So seien etwa Einkaufsdienste und Beratungen für Pensionist:innen angeboten worden. Es sei nichts Verwerfliches dran, wenn Politiker:innen ehrenamtlich tätig seien, sagte Brandweiner, und die ÖVP sei schließlich die Partei der Freiwilligen und der Vereine.

Nach Meinung von Brandweiner ist es außerdem "unredlich", die ÖVP und den Seniorenbund "anzupatzen", statt die laufenden Prüfung abzuwarten. Es dürfe keine pauschalen Vorverurteilungen geben, mahnte er. Auch sein Parteikollege Andreas Ottenschläger rief dazu auf, Prüfergebnissen nicht vorzugreifen. Wenn man prüfe, müsse man sich auch das Reisebüro des sozialdemokratischen Pensionistenverbandes anschauen, hielt Abgeordneter Zarits fest, dieses habe mehr als 100.000 € an Förderungen erhalten.

Namens der Grünen unterstrich Agnes Sirkka Prammer, es werde sich im Zuge der laufenden Prüfungen herausstellen, ob Gelder zurückzuzahlen sind oder nicht. Für sie ist aber auch klar, dass das, was rechtlich gerade noch möglich ist, nicht unbedingt "anständig" sein müsse. Um ähnliche Diskussionen in Zukunft zu vermeiden, erachtet es Prammer für notwendig, künftig genau zu definieren, wann eine Organisation gemeinnützig ist und was Vorfeldorganisationen von Parteien sind.

FPÖ lehnt coronabedingte Einschränkungen im Sportbereich ab

Mit dem NPO-Bericht mitverhandelt wurde ein Entschließungsantrag der FPÖ, der darauf abzielt, etwaigen künftigen coronabedingten Einschränkungen im Sportbereich vorbeugend einen Riegel vorzuschieben. Sport müsse auch im kommenden Herbst und Winter uneingeschränkt erlaubt bleiben, ebenso der Besuch sportlicher Wettkämpfe, hatten FPÖ-Sportsprecherin Petra Steger und ihre Parteikolleg:innen gefordert und sich in diesem Sinn etwa gegen 2G- oder 3G-Regelungen sowohl für Sportler:innen als auch für Zuschauer:innen, Funktionär:innen und Betreuer:innen gewandt. Auch dürfe niemand zu einer Impfung oder zum Tragen einer Maske in Sportvereinen und Sportverbänden gezwungen werden. Corona-Maßnahmen würden im Sport mehr schaden als nützen, ist Steger überzeugt und sprach von einem "gesundheitspolitischen Skandal der Sonderklasse". Der Antrag hatte allerdings bereits im Sportausschuss über die eigene Fraktion hinaus keine Zustimmung gefunden und wurde auch im Plenum abgelehnt.

Bericht zum Thema E-Sport zur Kenntnis genommen

Mit breiter Mehrheit vom Nationalrat zur Kenntnis genommen wurde ein Bericht von Sportminister Werner Kogler zum Thema E-Sport, also dem sportlichen Wettkampf mit Videospielen. Wie aus dem Bericht hervorgeht, messen sich in Österreich bereits mehr als eine Million Menschen in E-Sport-Wettkämpfen; Profisportler:innen und Vereine stehen aber vor vielerlei Problemen. Das beginnt mit der Anerkennung der Gemeinnützigkeit von E-Sport-Vereinen und reicht über steuerrechtliche Fragen bis hin zum grundsätzlichen Arbeitsverbot für Jugendliche zwischen 20.00 Uhr und 6.00 Uhr. Dabei ist E-Sport nach Meinung der dazu eingerichteten Arbeitsgruppe durchaus geeignet, die kognitiven und motorische Fähigkeiten sowie soziale Kontakte zu fördern, wenn bestimmte Maßnahmen zur Gesundheitsförderung wie regelmäßige körperlicher Bewegungs- und Sporteinheiten im Training eingehalten werden sowie auf Suchtprävention geachtet wird.

Die Arbeitsgruppe empfiehlt daher die politische Integration von E-Sport, etwa durch eine interministerielle Stelle. Damit könnten ihr zufolge nicht nur die bestehenden Probleme fokussiert angegangen, sondern etwa auch Projekte zur Nachwuchsarbeit gefördert werden. Zudem wäre es möglich, den bereits erarbeiteten Jugendschutzkodex mittels Grundsatzerlass zu festigen. Einige Abgeordnete sind allerdings skeptisch, was die volle Anerkennung von E-Sport als Sport und die Gewährung von Sportförderung betrifft. (Fortsetzung Nationalrat) gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.