Parlamentskorrespondenz Nr. 670 vom 14.06.2022

Nationalrat: Höhere Kurzarbeitshilfen sowie Sonderfreistellung für Schwangere per Verordnung bis Ende des Jahres möglich

Bundesminister Kocher spricht von sachgerechten und sinnvollen Anpassungen bewährter Instrumente

Wien (PK) – Noch bis Ende 2022 soll es großzügigere Kurzarbeitsbeihilfen für Betriebe geben, die sich in nicht-saisonbedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Die dafür notwendigen Änderungen im  Arbeitsmarktservicegesetz und im Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetz wurden heute mit den Stimmen der Regierungsfraktionen sowie von SPÖ und FPÖ im Nationalrat beschlossen. Die NEOS zeigten kein Verständnis für die Maßnahme, weil damit Strukturprobleme zugedeckt und Arbeitskräfte gebunden werden, die anderswo dringend gebraucht würden. Bundesminister Martin Kocher sprach von einer sachgerechten und sinnvollen Anpassung der Kurzarbeit, die auch verpflichtende Beratungsgespräche für die Unternehmen umfasse.

Weiters wird durch eine von ÖVP, Grünen und FPÖ unterstützte Novellierung des Mutterschutzgesetzes der Arbeitsminister bis Ende 2022 ermächtigt, coronabedingte Sonderfreistellungen von Schwangeren künftig per Verordnung zu regeln, wobei es das Einvernehmen mit dem Gesundheitsminister braucht. Als Begründung wird angeführt, dass dadurch eine raschere Reaktion auf neue Virusvarianten ermöglicht werde.

Verlängerung der Kurzarbeitshilfen sowie Änderungen im Mutterschutzgesetz

Konkret sieht der Initiativantrag vor, dass die Beihilfenhöhe wie in der Phase 5 der Corona-Kurzarbeit um 15% weniger betragen soll als die ursprünglich COVID-bedingt gewährte Kurzarbeitsbeihilfe. Eine Verordnungsermächtigung für den Arbeitsminister wird insofern erweitert, als er nun auch zur Bewältigung von besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Obergrenze für Kurzarbeit von 1 Mrd. € für die Jahre 2020 bis 2022 anpassen darf. Bisher galt dies nur für die Bewältigung der COVID-19-Krise.

Durch die Änderungen im Mutterschutzgesetz wird der Arbeitsminister ermächtigt, coronabedingte Sonderfreistellungen von Schwangeren künftig per Verordnung zu regeln. Im Einvernehmen mit dem Gesundheitsminister soll dieser ab 1. Juli 2022 durch eine Verordnung festlegen können, für welchen Zeitraum und unter welchen Voraussetzungen werdende Mütter ab der 14. Schwangerschaftswoche freigestellt werden dürfen. Dadurch soll auf etwaige neue Varianten des Coronavirus rascher reagiert werden können. Gelten soll die Verordnungsermächtigung bis Ende Dezember 2022.

ÖVP und Grüne sprechen von gerechtfertigter Maßnahme angesichts der weltpolitischen Lage und der Lieferprobleme

Markus Koza von den Grünen stellte nochmals klar, dass es sich um keine Verlängerung der spezifischen Corona-Kurzarbeit handle, sondern um die Fortführung eines bewährten Instruments für Unternehmen, die aufgrund kurzfristiger wirtschaftlicher Probleme Unterstützung brauchen. Das Ziel dabei sei, die Beschäftigten in den Betrieben zu halten und gleichzeitig eine entsprechend Einkommensersatzleistung zu gewähren. Außerdem habe die Arbeitgeberseite den großen Vorteil, dass nach Überwindung der Krise nicht wieder neue Mitarbeiter:innen gesucht werden müssen. Laurenz Pöttinger von der ÖVP führte als Gründe für die Maßnahme aktuelle Lieferprobleme sowie die allgemeine weltpolitische Lage an. Es sei einfach nicht wahr, dass die Betriebe selbst daran Schuld seien, wie es manche Kritiker:innen der Maßnahme behaupten würden. Außerdem müssen auch die Betriebe einen Teil der Kosten tragen.

Zum Mutterschutzgesetz nahm Barbara Neßler (Grüne) Stellung. Da eine Corona-Infektion für Schwangere besonders gefährlich sein könne, brauche es eine Verlängerung der Maßnahme. Angela Baumgartner (ÖVP) erläuterte, dass der Dienstgeber oder die Dienstgeberin vor einer Freistellung prüfen müsse, ob die Arbeitsbedingungen für die Schwangere geändert werden können, etwa durch Homeoffice.

SPÖ kritisiert die Zuweisung des Antrags an den "falschen" Fachausschuss und fordert Rechtsanspruch auf Freistellung für schwangere Frauen

Alois Stöger (SPÖ) erneuerte seine schon im Ausschuss getätigte Kritik, dass die zur Debatte stehenden Anträge eigentlich dem Sozialausschuss zugewiesen hätte werden sollen. Was die Inhalte des Antrags anbelangt, so sei er überzeugt davon, dass sich das Instrument der Kurzarbeit in Krisenzeiten bewährt habe. Dafür hätten sich vor allem die Sozialpartner eingesetzt, rief der Redner in Erinnerung. Die Änderungen im Mutterschutzgesetz waren für Elisabeth Feichtinger (SPÖ) nicht nachvollziehbar, da die schwangeren Frauen nun ihren Rechtsanspruch auf Freistellung verlieren. Sie ortete eine Verschlechterung für die Arbeitnehmerinnen und Verunsicherung auf beiden Seiten.

FPÖ beklagt Umgang der Regierungsparteien mit dem Parlament

Dagmar Belakowitsch (FPÖ) bezeichnete den Umgang der Regierungsfraktionen mit dem Parlament als respektlos, da Anträge einfach in Ausschüsse zugewiesen werden, die dafür gar nicht zuständig seien. Dies führe dazu, dass sich Abgeordnete oder auch Minister mit Materien befassen müssten, in die sie gar nicht eingearbeitet sind. Was die Kurzarbeit betrifft, so rechnete sie mit einem zunehmenden Bedarf, da sich viele Betriebe die Energiekosten nicht mehr leisten können. Ihre Fraktion werde daher dieser Maßnahme zustimmen.

NEOS lehnen "Sponsoring" von Lieferkettenproblemen ab

Der Grund für die Zuweisung der Anträge an den Gesundheitsausschuss liege wohl darin, dass man im Arbeitsministerium keinen Kalender führen könne und daher auf das Auslaufen der Kurzarbeitsregelung vergessen habe, mutmaßte Gerald Loacker (NEOS). Wie bei jedem guten Medikament, das länger angewandt werde, müsse man auch im Fall der Kurzarbeit mit Nebenwirkungen rechnen, gab er zu bedenken. Seiner Einschätzung nach würden damit nicht nur Strukturprobleme zugedeckt, sondern auch Beschäftigte dort gehortet, wo sie nicht mehr gebraucht werden. Außerdem bestehe Missbrauchsgefahr, da die Umsetzung der Kurzarbeit, die in Österreich im internationalen Vergleich sehr großzügig eingesetzt wurde, sehr schwer zu kontrollieren sei. Der NEOS-Mandatar sah es auch nicht ein, dass die Steuerzahler:innen nun dafür aufkommen sollen, dass einzelne Verarbeitungsbetriebe ihre Lieferketten "nicht im Griff haben". Nicht nachvollziehbar sei auch die Tatsache, dass derzeit sogar Beschäftigte im Tourismus in Kurzarbeit seien, obwohl dort händeringend nach Personal gesucht werde. Es handle sich de facto um eine Angebotsverknappung, die der Staat produziere, resümierte Loacker. Auch Julia Seidl (NEOS) zeigte kein Verständnis für die Maßnahme, denn die Kurzarbeit binde Arbeitskräfte, die anderswo dringend gebraucht würden. (Fortsetzung Nationalrat) sue

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