Parlamentskorrespondenz Nr. 778 vom 28.06.2022

Gesundheitsdaten: EU regt grenzüberschreitenden Austausch an

EU-Ausschuss des Bundesrats hat datenschutzrechtliche Vorbehalte

Wien (PK) – In seiner heutigen Sitzung debattierte der EU-Ausschuss des Bundesrats den Plan der Europäischen Kommission, Gesundheitsdaten im Binnenmarkt zwischenstaatlich übermitteln zu können. Die dazu nötige formale Vereinheitlichung der Datensätze hießen zwar alle Fraktionen gut. ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS äußerten allerdings in unterschiedlichem Ausmaß Datenschutzbedenken, wobei die Freiheitlichen grundsätzlich dafür eintraten, gesundheitspolitische Steuerungsfragen einzig den Nationalstaaten zu überlassen. Die COVID-19-Pandemie habe die Notwendigkeit einer digitalen Handhabung von Gesundheitsdaten sowie der Interoperabilität der Datensysteme über Ländergrenzen hinweg gezeigt, gab im Ausschuss wiederum ein Experte aus dem Gesundheitsministerium (BMSGK) zu bedenken. Bei der Pandemiebekämpfung lasse sich manches einfach besser zentral steuern, etwa die Impfstoffbeschaffung oder Reisebeschränkungen.

Österreich unterstütze daher grundsätzlich die vorgeschlagenen Maßnahmen zur verbesserten grenzüberschreitenden Interoperabilität und Nutzbarkeit von Gesundheitsdaten, heißt es weiters aus dem Gesundheitsressort. Das sei auch zum Erfahrungs- und Best-Practice-Austausch sinnvoll. Zentrales Anliegen des Ministeriums ist es dabei jedoch, datenschutzrechtliche Fragen zu klären. Gesundheitsdaten als besonders schützenswerte Daten müssten bei der Verarbeitung vor irregulären Zugriffen abgesichert werden. Auf Unionsebene sei überdies eine Opt-Out-Möglichkeit zu schaffen, so der BMSGK-Experte im Ausschuss. Mit dem Justizministerium fänden regelmäßig Abstimmungen für die Verhandlungsrunden statt, um die geplanten Bestimmungen auf ihre Vereinbarkeit mit der Datenschutzgrundverordnung zu prüfen. Ein weiterer Experte aus dem Gesundheitsministerium hielt fest, die Gesundheitsdaten aus den Mitgliedsländern würden nicht auf einem zentralen Rechner der EU gespeichert, sondern bei der jeweiligen dafür vorgesehenen Gesundheitsbehörde im EU-Mitgliedstaat.

EU-Raum für Gesundheitsdaten soll Versorgung verbessern

Mit dem Europäische Raum für Gesundheitsdaten (European Health Data Space – EHDS) will die EU-Kommission die Versorgung, die Forschung und die Infrastruktur der nationalen Gesundheitssysteme verbessern, geht aus dem Vorschlag dazu hervor. Unionsbüger:innen sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Gesundheitsdaten sowohl in ihrem Heimatland als auch in anderen Mitgliedstaaten unkompliziert und kostenlos über spezielle Zugriffspunkte abzurufen (Primärnutzung). Angehörige der Gesundheitsberufe könnten diese Daten ebenfalls problemlos untereinander in und zwischen den Mitgliedstaaten austauschen. Bürgerinnen und Bürger hätten dabei die vollständige Kontrolle über ihre Daten, könnten Informationen hinzuzufügen, falsche Daten berichtigen, den Zugang für andere beschränken und Informationen darüber erhalten, wie und zu welchem Zweck ihre Daten verwendet werden. Inwieweit letztlich die Pharmaindustrie für kommerzielle Zwecke aggregierte Gesundheitsdaten nutze und wie diese freigegeben würden, hinterfragten in der Debatte Christian Buchmann (ÖVP/St), Stefan Schennach (SPÖ/W), Marco Schreuder (Grüne/W) sowie Johannes Hübner (FPÖ/W). Schreuder wies ungeachtet dessen auf den großen Nutzen einheitlicher Bestimmungen für Gesundheitsdaten in der EU hin, das ergäbe sich schon durch die Arbeitskräftemobilität im Binnenmarkt.

Einheitliches Datenmanagement soll Forschung vorantreiben

Überdies fördere der EHDS den Vertrieb von digitalen Gesundheitsdiensten und –produkten im Binnenmarkt, geht aus dem Kommissionsvorschlag hervor. Das diene der Entwicklung von lebensrettenden Behandlungen, Impfstoffen oder Medizinprodukten, was gerade bei Gesundheitskrisen wie der COVID-19-Pandemie von großer Bedeutung sei. Die Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschung, Innovation, Politikgestaltung und Regulierungstätigkeiten soll aber nur unter Einhaltung der hohen Datenschutzstandards der EU erfolgen, hält die Kommission fest. Für diese Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten will Brüssel eine neue und dezentrale EU-Infrastruktur (HealthData@EU) implementieren, welche die in allen Mitgliedstaaten einzurichtenden Zugangsstellen für Gesundheitsdaten miteinander verbindet. Freilich könne Datenmissbrauch nie völlig ausgeschlossen werden, räumte der BMSGK-Vertreter ein, doch das sei auch jetzt der Fall. Sowohl bei der primären als auch der sekundären Nutzung der Gesundheitsdaten habe die Kommission umfangreiche Zugriffsbeschränkungen eingeplant. Daten für die Forschung dürften beispielsweise nur in genau definiertem Umfang an bestimmten gesicherten Orten abgerufen werden, wodurch die Forschungstätigkeiten transparenter würden. Auf die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung der weitergebenen Daten im EU-Ausland hatte Andreas Arthur Spanring (FPÖ/St) aufmerksam gemacht.

Mangelhafte innerstaatliche Datenübermittlung

Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) wies im Zusammenhang mit der elektronischen Übermittlung von Gesundheitsdaten auf die Herausforderungen hin, die schon innerhalb Österreichs auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene bestünden. Vielfach mangle es an der Interoperabilität der innerstaatlichen Systeme, eine Realisierung der gesamteuropäischen Datenübermittlung könne er sich daher schwer vorstellen. Ein grenzüberschreitender Verkehr elektronischer Gesundheitsdaten sei mit beträchtlichen finanziellen und administrativen Kosten verbunden, die nicht allein von den Mitgliedstaaten übernommen werden könnten, bestätigt das Gesundheitsministerium. Österreich fordere aus diesem Grund eine Kostenbeteiligung der EU ein, so ein Ministeriumsvertreter. Mit Verweis auf die Übersetzungsservices zur Bereitstellung der Daten in der jeweiligen Landessprache meinte dieser, derartige Dienste müssten in der Zuständigkeit der Kommission sein und sollten nicht über private Anbieter abgewickelt werden.

Digitale Gesundheitsbehörde

Zur Realisierung des EHDS sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, vorrangige Datenkategorien – etwa Patientenkurzakte, elektronische Verschreibungen, medizinische Bilddaten, Laborergebnisse und Entlassungsberichte in einem einheitlichen Format zur Verfügung zu stellen. Von den EU-Ländern benannte digitale Gesundheitsbehörden müssten sicherstellen, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger gewahrt bleiben. Diese Behörden würden sich an der grenzüberschreitenden digitalen Infrastruktur (MyHealth@EU) beteiligen, die Patientinnen und Patienten beim grenzüberschreitenden Austausch ihrer Daten unterstützen soll. Als Seniorensprecherin ihrer Fraktion appellierte Andrea Eder-Gitschthaler (ÖVP/S), Personen ohne ausreichende digitale Kompetenzen auch in analoger Form den Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten zu ermöglichen. Der Verordnungsvorschlag befinde sich derzeit am Anfang des EU-Gesetzgebungsprozesses, so der Experte des Gesundheitsministeriums mit Verweis auf die Gespräche in der Ratsarbeitsgruppe "Öffentliche Gesundheit". Mit einem Abschluss werde nicht vor Ende 2023 gerechnet. Die spezielle Bedachtnahme auf Senior:innen werde von österreichischer Seite dabei eingebracht. (Fortsetzung EU-Ausschuss) rei


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