Parlamentskorrespondenz Nr. 781 vom 28.06.2022

EU-Ausschuss des Bundesrats unterstützt Produkt-Ökologisierung im Binnenmarkt

Brüssel propagiert legale Migration zur wirtschaftlichen Stärkung

Wien (PK) - Mit EU-weit gültigen nachhaltigen Produktstandards sollen negative Umweltauswirkungen von Produkten während ihres gesamten Lebenszyklus verringert und das Funktionieren des Binnenmarkts verbessert werden. Der Fokus liegt dabei auf der Wiederverwertbarkeit von Waren. Dieser sogenannte Ökodesign-Ansatz, den die EU-Kommission mit einer neuen Verordnung ausweitet, stand heute ebenso im EU-Ausschuss des Bundesrats zur Debatte wie eine Kommissionsmitteilung zur Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten.

Angesichts des bestehenden Fachkräftemangels in Österreich sprach sich im Ausschuss eine Expertin der Wirtschaftskammer generell für eine Ausweitung des Zuzugs von Arbeitskräften aus Drittstaaten aus. Nationale Regelungen zum Arbeitgeberwechsel seien dabei beizubehalten. Die FPÖ wiederum stellte sich vehement gegen Erleichterungen bei der legalen Migration, die zu erhöhter Konkurrenz am Arbeitsmarkt führe. Der entsprechende FPÖ-Antrag auf Stellungnahme fand jedoch keine Mehrheit im Ausschuss.

Ökologischer Fußabdruck bei Produkten

Von den Bundesrät:innen  gab es breite Unterstützung für ökologischere Produktstandards, seitens der ÖVP wurde zudem am Bespiel des Reparaturbonus auf heimische Erfolge in diesem Bereich hingewiesen. Der Kommissionsvorschlag eines Ökodesign-Ansatzes beruht im Sinne des Green Deal auf Nachhaltigkeits- und Kreislaufaspekten wie Haltbarkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten. In ihrem Verordnungsvorschlag erweitert die Kommission die bestehende Richtlinie zur umweltgerechten Produktion sowohl hinsichtlich der Produktarten als auch der Kriterien für einen ökologischen Fußabdruck. Bislang seien nur energieverbrauchsrelevante Produktgruppen umfasst gewesen, erklärte eine Expertin des Klimaschutzministeriums am Beispiel von Kühlschränken, nunmehr würden bis auf Lebens- und Futtermittel sowie Medizinprodukte so gut wie alle Warengruppen erfasst. Anhand eines digitalen Produktpasses könnten Verbraucher:innen Produktinformationen abrufen, etwa wie recyclebar eine Ware sei. In welchen Ländern eine Ware vertrieben wird, lasse sich daraus ebenfalls ablesen, erläuterte sie Michael Bernard (FPÖ/NÖ). Andreas Arthus Spanring (FPÖ/St) wies vor diesem Hintergrund auf das Problem langer Tiertransporte bei der Lebensmittelproduktion hin, die der Vorschlag nicht umfasst.

Mehr Produktinformationen für Konsument:innen

Von der Arbeiterkammer (AK) wird der vorliegende Verordnungsentwurf aufgrund seiner konsumenten- und umweltpolitischen Ausprägung unterstützt, wie eine AK-Vertreterin im Ausschuss sagte. Sie merkte allerdings an, dass die Regelungen zur Marktüberwachung noch verbessert werden sollten, vor allem mittels vermehrter physischer Produktüberprüfungen. Marco Schreuder (Grüne/W) trat überhaupt für die Einbindung von Konsumentenschutzorganisationen in die Verhandlungen ein. Letztendlich würden Konsument:innen Waren mit langer Haltbarkeit bevorzugen, stimmten die Expertinnen von Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer (WKO) überein. Zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Europa und Österreich sei ein einheitlicher Rahmen zur Produktregelung sinnvoll, merkte die WKO-Vertreterin an, wobei die Bürokratie in der Umsetzung überschaubar bleiben müsse. Dahingehend warb sie für eine freiwillige Selbstverpflichtung der Betriebe.

Binnenmarkt von Abhängigkeiten entkoppeln

Die wirtschaftliche Entwicklung im Binnenmarkt soll von der Nutzung natürlicher Ressourcen entkoppelt werden, setzt die Kommission auf die Verringerung von Materialabhängigkeiten, wodurch nicht zuletzt die strategische Autonomie und Widerstandsfähigkeit der EU gestärkt werde. Immerhin gebe es in globalen Lieferketten viele Schwachstellen. Entscheidend für den funktionierenden Warenverkehr in der EU und für die Zuverlässigkeit der Produktinformationen für die Verbraucher:innen sei, dass EU-weit einheitliche Regelungen zur Nachhaltigkeit von Produkten angewandt werden, heißt es im Entwurf.

Wiewohl Österreich den Nachhaltigkeitsansatz bei Produkten schon zur Erreichung der Klima- und Energieziele befürworte, sehe man am konkreten Kommissionsvorschlag noch einigen Nachbesserungsbedarf, so die Vertreterin des Klimaministeriums. Nahezu alle Detailaspekte der Vorlage würden von der Kommission selbständig in delegierten Rechtsakten geregelt, äußerte sie ähnliche Kritik wie Sonja Zwazl (ÖVP/N), die vor einer Benachteiligung von kleinen und mittelgroßen Unternehmen durch eine Vielzahl von Detailregelungen warnte. Besser wären hier aus Sicht des Klimaministeriums Durchführungsrechtsakte. Dabei muss die EU-Kommission zunächst alle Mitgliedstaaten in einem Ausschuss konsultieren, bevor die Regelungen festgelegt werden.

Mehr Ambition erwarte man sich von der EU-Kommission außerdem beim Vorgehen gegen die Zerstörung funktionierender Produkte, führte die Expertin weiter aus, etwa bei unverkauften oder zurückgegebenen Waren, worin ihr Günther Novak (SPÖ/K) zustimmte. Immerhin habe Ressourcenvernichtung erheblich Umweltauswirkungen. Das Ausmaß des CO2-Ausstoßes ist neben der Energieeffizienz bei Produktion und Nutzung ein zentrales Kriterium in der ökologischen Produktbewertung, erfuhr Novak überdies von der BMK-Expertin.

EU will raschere Aufnahmen für Arbeitskräfte aus Drittstaaten

In ihrer Mitteilung zum Migrations- und Asylpaket der EU bezeichnet die EU-Kommission legale Migration als potentielle Investition in die Wirtschaft und die Gesellschaft der Union. Angesichts der alternden und schrumpfenden Bevölkerung in Europa fehle es vielfach an Arbeitskräften, die den ökologischen und digitalen Wandel der EU unterstützen. Das aktuelle Migrations- und Asylpaket der Union biete daher einen Rahmen, um schneller auf legalem Weg in die EU zu kommen, etwa über Talentepartnerschaften mit Partnerländern. Gleichzeitig würden die Vorschriften zur Anwerbung von Arbeitskräften aus Drittstaaten modernisiert, sowohl von hochqualifizierten Fachkräften – etwa für die Pflege – als auch von Personen mit niedriger oder mittlerer Qualifikation, vor allem junge Menschen. Mit zeitlich begrenzten Mobilitätsprogrammen für junge Drittstaatsangehörige und der Förderung von Start-up-Gründer:innen aus Drittstaaten im Binnenmarkt will die Kommission die arbeitsmarktpolitische und wirtschaftliche Attraktivität der EU weltweit heben. Im dritten Quartal 2022 soll in diesem Zusammenhang eine EU-Plattform für Arbeitsmigration ins Leben gerufen werden.  

Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Anwerbung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten stellte eine Expertin aus dem Innenministerium (BMI) dem Ausschuss detailliert vor, listete dabei aber einige Kritikpunkte auf. So werde die im Migrationspaket angedachte Stärkung des Rechts langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger, in andere Mitgliedstaaten zu ziehen und dort zu arbeiten, abgelehnt. Zentral sei, dass weiterhin die Mitgliedstaaten Zulassungen für auf ihrem Staatsgebiet Erwerbstätige ausstellen. Grundsätzlich halte Österreich die vorhandenen Migrationsregelungen auf EU-Ebene für ausreichend, unterstreicht das BMI, diese müssten lediglich vollständig umgesetzt werden. Keinesfalls befürworte man eine Herabsetzung der Wartefrist auf ein Daueraufenthaltsrecht für Asylberechtigte von fünf auf drei Jahre, wie das von der EU in ihrem Asyl- und Migrationspaket überlegt werde.

Aus Freiheitlicher Sicht richtet sich die EU-Migrationspolitik gänzlich gegen nationalstaatliche Interessen. Johannes Hübner (FPÖ/W) verwehrte sich vehement gegen eine weitere Kompetenzverschiebung im Bereich der Migrationspolitik zugunsten der Europäischen Union, bewirkt durch eine Harmonisierung der Einwanderungsgesetze. In diesem Sinne brachte er einen Antrag auf Stellungnahme seiner Fraktion gegen allfällige Erleichterungen bei der legalen Migration in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein. Außer den FPÖ-Bundesräten stimmte dem Antrag kein Ausschussmitglied zu. (Schluss EU-Ausschuss) rei


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