Parlamentskorrespondenz Nr. 818 vom 04.07.2022

Parlament: TOP im Nationalrat am 6. Juli 2022

Volksbegehren, Verbraucher:innenschutz, Rot-Weiß-Rot-Karte, Energiekostenzuschüsse für Unternehmen, Hochwasserschutz

Wien (PK) – Mehr als 40 Gesetzesbeschlüsse sind an den drei Plenartagen des Nationalrats vor Tagungsende zu erwarten. Am Mittwoch stehen unter anderem Regierungsvorlagen zu Unternehmens-Energiekostenzuschüssen von bis zu 450 Mio. €, zur Förderung des Ausstiegs aus russischem Gas, für einen erleichterten Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte, für den Verbraucher:innenschutz bei Online-Einkäufen sowie zur Finanzierung weiterer Hochwasserschutzprojekte entlang der Donau durch Bund und Länder auf dem Sitzungsprogramm.

Neben dem Volksbegehren "Kauf Regional" verhandelt wird auch die Erhöhung des Haftungsrahmens im KMU-Förderungsgesetz auf 1 Mrd. €, Anpassungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes an neue EU-Vorgaben, die Einrichtung eines neuen arbeitsmedizinischen Fachdiensts sowie eine Kostenfreistellung bei Führerschein-Verlängerungen. Zudem soll die Straßenverkehrsordnung rad- und fußgängerfreundlicher werden.

Entschließungen sind zum Gedenken an den Völkermord in Srebrenica sowie zur Stärkung der Partnerschaft mit den USA zu erwarten, ebenso wie eine Vier-Parteien-Initiative gegen den Bau des AKW Paks II.

Aktuelle Stunde

Die Sitzung beginnt um 9.00 Uhr mit einer Aktuellen Stunde, in der die ÖVP über die aktuellen Entlastungsmaßnahmen für die Bevölkerung diskutieren will. "Rasche und wirkungsvolle Entlastung für die Menschen in schwierigen Zeiten!" lautet der genaue Titel.

Volksbegehren "Kauf Regional"

Nach einem Expert:innen-Hearing im Wirtschaftsausschuss steht das mit 146.295 Unterschriften unterstützte Volksbegehren "Kauf Regional" neuerlich auf der Tagesordnung im Plenum, nachdem es dort bereits einer Ersten Lesung unterzogen worden war. Der Wettbewerbsnachteil regionaler Wirtschaftsbetriebe gegenüber dem "niederlassungslosen" Onlinehandel soll durch gesetzliche Änderungen ausgeglichen werden, so die Forderung der Unterzeichner:innen. Beispiele dafür seien eine zweckgebundene Regionaltransferabgabe des Onlinehandels oder die Senkung der Mehrwertsteuer des stationären Handels. Im Ausschuss begrüßten alle Fraktionen die Anliegen des Volksbegehrens, waren sich jedoch über die zu treffenden Maßnahmen uneinig.

KMU-Förderungsgesetz: Haftungsrahmen wird auf 1 Mrd. € erhöht

Der im KMU-Förderungsgesetz vorgesehene Haftungsrahmen von 750 Mio. € soll auf 1 Mrd. € ausgeweitet werden. Für den Antrag von ÖVP und Grünen zur Änderung des KMU-Förderungsgesetzes hat der Wirtschaftsausschuss einstimmig grünes Licht gegeben. Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie habe die Nachfrage nach Garantien der Austria Wirtschaftsservice (aws) zugenommen, begründen die Abgeordneten der Koalition die vorgeschlagene Erhöhung. Daher sei der im KMU-Förderungsgesetz definierte Haftungsrahmen bereits ausgeschöpft und soll aufgestockt werden.

Verlängerung von COVID-19-Regelungen für Wirtschaftsberufe und Kammern

Mit einem Initiativantrag der Koalitionsparteien sollen Regelungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie neuerlich verlängert werden, und zwar bis Ende 2022. Die im Bilanzbuchhaltungsgesetz, Wirtschaftskammergesetz, Wirtschaftstreuhandberufsgesetz, Ziviltechnikergesetz und Arbeiterkammergesetz eingeführten Bestimmungen zur Pandemie sind mit 30. Juni 2022 ausgelaufen. Es sei davon auszugehen, dass die Regelungen auch für den Rest des Jahres 2022 benötigt werden. Dabei geht es im Bereich der Bilanzbuchhalter:innen und im Wirtschaftstreuhandberufsgesetz etwa um die Hemmung von Fristen, beispielsweise zur Ablegung der Fachprüfung. Neben der Hemmung solcher Fristen betreffen die Regelungen im Ziviltechnikergesetz, aber auch für die Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer unter anderem die Online-Durchführung von Sitzungen und Versammlungen.

Verbraucher:innenschutz bei Online-Einkäufen

Für zwei Gesetze zur Stärkung des Verbraucher:innenschutzes angesichts der zunehmenden Digitalisierung des Handels hat der Wirtschaftsausschuss mit Mehrheit, ohne die Stimmen der NEOS, grünes Licht gegeben. Hintergrund ist die so genannte Modernisierungsrichtlinie der EU, mit der vier Richtlinien der EU zum Verbraucher:innenschutz aktualisiert wurden. Die neue EU-Richtlinie wird nun in Form von zwei Umsetzungsgesetzen in österreichisches Recht gegossen. Die Regelungen richten sich gegen missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen und gegen unlautere Geschäftspraktiken. Dabei geht es etwa um mehr Transparenz auf Online-Marktplätzen. Weitere Themen sind Preisangaben sowie die bessere Durchsetzbarkeit von Verbraucher:innenrechten. Die Strafen bei Verstößen sollen deutlich angehoben werden.

Beispielsweise sollen Preisermäßigungen künftig so zu ergänzen sein, dass bei Rabatten auch der vorherige niedrigste Preis, der zumindest einmal innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen vor der Anwendung der Preisermäßigung in demselben Vertriebskanal angewendet wurde, anzugeben ist. Unter dem Stichwort "Dual Quality" geht es um eine Regelung, wonach die idente Vermarktung einer Ware in mehreren Mitgliedstaaten trotz wesentlicher Unterschiede in ihrer Zusammensetzung oder ihren wesentlichen Merkmalen als irreführende Geschäftspraktik gelten soll. Verboten werden soll etwa die Anzeige von Suchergebnissen ohne Offenlegung etwaiger bezahlter Werbung oder spezieller Zahlungen, die zur Erreichung eines höheren Rankings dienen. Darüber hinaus enthalten die Änderungen etwa neue Verbotstatbestände im Zusammenhang mit Verbraucher:innenbewertungen sowie dem Wiederverkauf von Eintrittskarten für Veranstaltungen, insbesondere Kultur- und Sportveranstaltungen.

Die Kritik der NEOS im Ausschuss bezog sich auf Befürchtungen im Begutachtungsverfahren, wonach es entgegen der Intention der EU-Richtlinie geradezu zu einem Abbau des Verbraucher:innenschutzes kommen könnte.

Beendigung des Investitionsschutzabkommens mit Ungarn

Zur Umsetzung eines EuGH-Urteils betreffend bilaterale Investitionsschiedsklauseln liegt dem Nationalrat ein weiteres Beendigungsabkommen zu bilateralen Abkommen Österreichs über die Förderung und den Schutz von Investitionen zur Genehmigung vor, und zwar mit Ungarn.

Von dem EuGH-Urteil sind sämtliche in bilateralen Abkommen über die Förderung und den Schutz von Investitionen zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union enthaltenen Bestimmungen zur Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit betroffen, so die Erläuterungen. Die bisher dazu vorgelegten Beendigungsabkommen betreffen die Slowakei, Kroatien, Slowenien, Malta, die Tschechische Republik, Rumänien, Bulgarien, Estland, Litauen, Polen und Lettland.

Neuer arbeitsmedizinischer Fachdienst

Mit der Einrichtung eines arbeitsmedizinischen Fachdienstes (aFA) will die Politik dem bestehenden Mangel an Arbeitsmedizinerinnen und Arbeitsmedizinern entgegentreten. Manche Unternehmen hätten wegen dieses Mangels bereits Schwierigkeiten, ihre gesetzlichen Verpflichtungen im Bereich der arbeitsmedizinischen Präventivversorgung zu erfüllen, wird in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage hingewiesen.

Gemäß dem Gesetzentwurf sollen künftig Angehörige anderer Gesundheitsberurfe wie diplomierte Krankenpfleger:innen oder Physiotherapeut:innen die Arbeitsmediziner:innen unterstützen und bestimmte Aufgaben wie die regelmäßige Begehung von Büroarbeitsplätzen übernehmen können. Voraussetzung ist eine mindestens zweijährige Berufserfahrung und eine arbeitsmedizinische Spezialausbildung im Ausmaß von mindestens 208 Stunden. Zudem hat die Tätigkeit grundsätzlich unter der Fachaufsicht von Arbeitsmediziner:innen zu erfolgen, um die Qualität der Präventionsmaßnahmen sicherzustellen.

Die Regierungsvorlage erhielt im Sozialausschuss die Zustimmung von ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS. Die SPÖ wertete das Vorhaben hingegen als "falschen Zugang" zur Lösung des Problems und verwies auf den ebenfalls bestehenden Personalmangel im Pflegebereich.

Personalsituation beim Arbeitsinspektorat

Mitverhandelt mit der Regierungsvorlage wird ein bereits im vergangenen Jahr eingebrachter Entschließungsantrag der SPÖ, mit dem diese eine deutliche Personalaufstockung beim Arbeitsinspektorat fordert. Die im Außendienst tätigen Arbeitsinspektor:innen sind nach Meinung der SPÖ wegen Personalmangels überlastet, außerdem werde nicht einmal die Mindestvorgabe der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) – ein Aufsichtsbeamter bzw. eine Aufsichtsbeamtin pro 10.000 Beschäftigten – erfüllt.

Der Antrag hat allerdings geringe Erfolgschancen. Der Sozialausschuss hat ihn nämlich abgelehnt und dazu – mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und NEOS - eine Ausschussfeststellung gefasst. In der Stellungnahme wird darauf hingewiesen, dass das Arbeitsministerium seit seinem Bestehen umfangreiche Maßnahmen zur Erhöhung des Personalstandes der Arbeitsinspektion gesetzt und auch weitere Schritte unternommen habe, um die Erfüllung der Aufgaben der Arbeitsinspektion auch bei steigender Beschäftigung garantieren zu können. Angesichts weiterer mit Arbeitnehmerschutz befassten Institutionen und Kontrollbehörden geht der Sozialauschuss überdies davon aus, dass internationale Vorgaben eingehalten werden.

Interne Revision im Arbeitsministerium, "Hygiene Austria"

Ebenfalls vom Plenum abgelehnt werden dürften zwei Anträgen der FPÖ, die im gleichen Diskussionsblock in Verhandlung stehen. Die Freiheitlichen vermissen eine funktionierende interne Revision im Arbeitsministerium und pochen auf die Übermittlung von Akten und Unterlagen an den Nationalrat, um nachvollziehen zu können, ob es in Zusammenhang mit der Causa "Hygiene Austria" politische Interventionen gegeben hat. Auch für in diesem Zusammenhang erfolgte Beschaffungsvorgänge und Behördenkontrollen interessiert sie sich.

Arbeitsminister Martin Kocher hielt zu den beiden FPÖ-Anträgen im Sozialausschuss fest, dass man der Auskunftspflicht in Sachen "Hygiene Austria" bereits "lückenlos" nachgekommen sei und die interne Revision im März 2022 ihre Arbeit aufgenommen habe. Zweiteres hätte schneller passieren können, räumte er ein, doch hätten erst entsprechende Planstellen geschaffen werden müssen.

Anpassung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes an neue EU-Vorgaben

Mit der von der Regierung vorgelegten Novelle zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz wird eine neue EU-Richtlinie und eine darauf basierende Vereinbarung mit dem Vereinigten Königreich in Bezug auf grenzüberschreitende Transporte im Straßenverkehr und damit verbundene Entsendungen von Berufskraftfahrer:innen umgesetzt. Ziel der Richtlinie ist es, bestehende Diskrepanzen bei der Auslegung von Entsendevorschriften in den einzelnen EU-Staaten zu beseitigen und damit Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Zudem soll die Durchsetzung von Sanktionen durch verpflichtende Amtshilfe zwischen den EU-Staaten erleichtert und der Verwaltungsaufwand für Verkehrsunternehmen reduziert werden. Die neuen Sonderbestimmungen gelten grundsätzlich sowohl für den Güter- als auch für den Personenverkehr, lediglich für Großbritannien und Nordirland beschränkt sich der Geltungsbereich auf Gütertransporte.

Gegen die Gesetzesnovelle stimmten im Sozialausschuss die SPÖ und die NEOS. Die EU-Richtlinie sei "verunglückt" und "zahnlos", zumal es keine Mindeststrafen und keine Sanktionsmöglichkeiten über Grenzen hinweg gebe, argumentierte etwa die SPÖ. Zudem sind ihrer Meinung nach die neuen Bestimmungen noch aufwendiger für Unternehmen und Kontrollpersonal. Die NEOS bezweifeln, dass die "schikanösen" Vorgaben für das Mitführen von Unterlagen der EU-Richtlinie entsprechen. Dem widersprach allerdings Arbeitsminister Martin Kocher.

Auflagen für die Kammern

Die NEOS haben die finanzielle Unterstützung des aus ihrer Sicht "prononciert linken" Momentum-Instituts durch die Arbeiterkammer zum Anlass genommen, um strenge Auflagen für die Kammern zur Verhinderung etwaiger indirekter Parteienfinanzierung zu fordern. Demnach soll die jährliche Fördersumme von Kammern an Institute und Think Tanks, die nicht im Bundesstatistikgesetz als wissenschaftliche Einrichtung definiert sind, auf 7.500 € pro Jahr begrenzt werden. Im Sozialausschuss fand sich für diese Initiative allerdings keine Mehrheit. Unter anderem verwiesen die Abgeordneten auf die Bedeutung von Meinungspluralität und die Selbstverwaltung der Kammern. Lediglich die FPÖ unterstützte das Anliegen.

Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte wird erleichtert

Um dem zunehmenden Fachkräftemangel in Österreich zu begegnen, schlägt die Regierung vor, den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt mittels Rot-Weiß-Rot-Karte zu erleichtern. Vorgesehen ist unter anderem, die Zulassungskriterien, die Nicht-EU-Bürger:innen bzw. deren Arbeitgeber:innen erfüllen müssen, zu lockern. Das betrifft etwa die Mindestentlohnung und Sprachkenntnisse. Zudem sollen Stamm-Saisonniers künftig einen dauerhaften Arbeitsmarktzugang erhalten und das Bewilligungsverfahren beschleunigt werden.

Konkret wird künftig etwa eine Mindestentlohnung von 50% der ASVG-Höchstbeitragsgrundlage (zuzüglich Sonderzahlungen) ausreichen, um Zugang zu einer Rot-Weiß-Rot-Karte zu erhalten. Das wäre für 2022 ein monatlicher Bruttolohn von 2.835 €. Derzeit gilt für Beschäftigte ab 30 Jahren ein Satz von 60%. Zudem werden Englischkenntnisse mit Deutschkenntnissen gleichgestellt, sofern die Unternehmenssprache Englisch ist. Für temporäre Projektmitarbeiter:innen wird eine Sonderregelung geschaffen. Die Senkung des notwendigen Stammkapitals von 50.000 € auf 30.000 € soll Hürden für ausländische Start-up-Gründer:innen reduzieren. Zur Verfahrensbeschleunigung soll eine neue Plattform der Austrian Business Agency (ABA) mit dem Namen "Work in Austria" Unternehmen und Bewerber:innen unterstützen.

Weitere Punkte des Gesetzentwurfs betreffen adaptierte Regelungen für die "Blaue Karte EU", die Ausweitung der Befugnisse des Amts für Betrugsbekämpung und die ersatzlose Streichung eines Gesetzespassus, der es privaten und gemeinnützigen Arbeitsvermittlungen derzeit nur sehr eingeschränkt erlaubt, Drittstaatsangehörige zu vermitteln.

Im Sozialausschuss äußerten SPÖ und FPÖ massive Kritik am Gesetzesvorhaben. Sie befürchten, dass der Druck auf heimische Arbeitnehmer:innen weiter steigen wird, und orten einen "Kniefall vor der Wirtschaft". Die anderen Parteien halten diese Bedenken allerdings für unbegründet, wiewohl auch die NEOS mit dem Entwurf nicht ganz zufrieden sind. Arbeitsminister Martin Kocher verwies darauf, dass es derzeit lediglich 5.300 aktive Rot-Weiß-Rot-Karten gibt.

Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt, Langzeitarbeitslosigkeit

Die FPÖ fordert zum wiederholten Mal, den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt bei hoher Arbeitslosigkeit oder anderen triftigen Gründen sektoral auch für EU-Bürger:innen zu beschränken, blieb mit ihrem Anliegen aber auch in der letzten Sitzung des Sozialausschusses allein. Ein solcher Schritt wäre nicht nur EU-rechtswidrig, sondern angesichts des Umstands, dass viele Unternehmen "händeringend" Mitarbeiter:innen suchten, auch kontraproduktiv, hielt die ÖVP der FPÖ entgegen.

Außerdem drängen die Freiheitlichen auf weitere Maßnahmen, um die während der Corona-Pandemie gestiegene Langzeitarbeitslosigkeit zu reduzieren. Vor allem besonders schützenswerte bzw. unterstützenswerte Gruppen wie Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen oder Behinderungen, ältere Arbeitslose und Personen mit maximal Pflichtschulabschluss sollen demnach stärker gefördert werden.

Homeoffice für Grenzgänger:innen

Mit breiter Zustimmung kann ein Entschließungsantrag der NEOS zum Thema Homeoffice rechnen. Er war vom Sozialausschuss einstimmig angenommen worden. Arbeitsminister Martin Kocher wird von den Abgeordneten demnach ersucht, für Grenzgänger:innen, die regelmäßig im Homeoffice arbeiten, kurzfristig Planungssicherheit zu schaffen und langfristig praxisnahe Lösungen in steuer-, sozial- und arbeitsrechtlicher Hinsicht zu finden. Abkommen zu diesem Thema, die infolge der Corona-Pandemie mit Nachbarstaaten geschlossen wurden, würden nämlich demnächst auslaufen, warnen die NEOS. Damit würden beispielsweise für in Österreich lebende Personen, die in Deutschland arbeiten und mehr als 25% der Arbeitszeit im Homeoffice verbringen, komplizierte Regeln in Bezug auf die Sozialversicherung gelten.

Forschungs- und Technologiebericht 2022

Österreich belegt mit den Ausgaben für Forschung und Entwicklung (F&E) international einen Spitzenplatz und ist mit Schweden, Belgien, Deutschland und Dänemark eines der fünf Länder, welche die europäische Zielsetzung einer Forschungsquote von 3% erfüllen. Der Forschungsoutput verortet Österreich in der Gruppe der "Strong Innovators". Das ist dem Forschungs- und Technologiebericht 2022 zu entnehmen, den Wissenschaftsminister Martin Polaschek, Klimaschutzministerin Leonore Gewessler und Wirtschaftsminister Martin Kocher gemeinsam vorgelegt haben.

Der Bericht verweist etwa darauf, dass die Forschungsbereiche Künstliche Intelligenz, Quantenforschung und High Performance Computing (HPC) sowie die Themen Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit von besonderer Bedeutung für die Zukunft sind und dass hochqualifiziertes Humankapital eine Grundvoraussetzung für exzellente Leistungen darstellt. Die FTI—Strategie 2030 setze daher auf die Förderung von Talenten und die Förderung von Humanressourcen. Der aktuelle FT-Bericht biete erstmals einen Gesamtüberblick über das in Österreich zugängliche Förderungs- und Instrumentenportfolio für Forschende sowie für Wissenschaftler:innen in allen Phasen ihrer Karriere.

Daten im öffentlichen Sektor

Die Regierung will die Weiterverwendung von veröffentlichten Dokumenten im Besitz von öffentlichen Stellen und öffentlichen Unternehmen sowie von Forschungsdaten erleichtern. Gefördert werden soll dadurch die Erstellung neuer Informationsprodukte und -dienste. Im Forschungsausschuss des Nationalrats gab es für diese neuen Veröffentlichungsverpflichtung des öffentlichen Sektors einhellige Zustimmung. Betroffene Stellen würden durch die Novelle verpflichtet, dynamische Daten grundsätzlich unmittelbar nach der Erfassung mittels Anwendungsprogrammierschnittstelle (API) bereitzustellen.

Identitätsmanagement im E-Government

Neuerungen beim Identitätsmanagement im Zentralen Melderegister soll eine geplante Novelle zum E-Government-Gesetz bringen. Laut Regierungsvorlage sollen steuerpflichtige Unternehmen nicht mehr in das öffentlich einsehbare "Ergänzungsregister für sonstige Betroffene" (ERsB) eingetragen werden. Sie sollen vielmehr von den Finanzbehörden direkt an das Unternehmensregister (URV), das nur für Verwaltungszwecke und nicht öffentlich einsehbar ist, zu melden sein. Auch diese Regierungsvorlage wurde im Ausschuss einstimmig angenommen.

Energiekostenzuschüsse für Unternehmen bis zu 450 Mio. €

Zur Absicherung der Liquidität von Unternehmen mit hohem Energiebedarf wollen ÖVP und Grüne Wirtschaftsminister Martin Kocher eine haushaltsrechtliche Ermächtigung für sogenannte Vorbelastungen geben. In Abstimmung mit dem Finanzministerium kann das Ressort laut Entwurf bis zu 450 Mio. € für Zuschüsse an energieintensive Betriebe bereitstellen. Damit würden gewisse Mehraufwendungen für Energie (Treibstoff, Strom und Gas) mit einem nicht rückzahlbaren Zuschuss gefördert. Gelten soll die Regelung bis Ende 2023, wobei entsprechende Förderanträge an die Austria Wirtschaftsservice GmbH bis Jahresende 2022 gestellt werden müssen. Die Zuschussgewährung und der förderungsfähige Zeitraum ergeben sich aus dem von der EU-Kommission festgelegten befristeten Krisenrahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft infolge von Russlands Krieg gegen die Ukraine, heißt es im Initiativantrag.

Das Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz wurde in der Fassung eines Abänderungsantrags, durch den eine umfassende Prüfung der Förderungen gewährleistet werden soll, im Budgetausschuss mit den Stimmen von ÖVP und Grünen angenommen. Mehrheitlich beschlossen wurde auch ein mit der Materie in Zusammenhang stehender Antrag auf Änderung des COVID-19-Förderungsprüfungsgesetzes.

Förderung des Ausstiegs aus russischem Gas

Zur Förderung des Ausstiegs aus russischem Erdgas und der Diversifizierung der Bezugsquellen hat der Nationalrat erst vor kurzem das sogenannte Gasdiversifizierungsgesetz beschlossen. Da die Koalitionsparteien davon ausgehen, dass die dafür vorgesehenen Mittel – 100 Mio. € pro Jahr von 2022 bis 2025 – aufgrund der weiteren Preissteigerungen nicht ausreichen werden, soll Energieministerin Leonore Gewessler im Einvernehmen mit Finanzminister Magnus Brunner am Verordnungsweg bis 31. Dezember 2023 auf zusätzliche Budgetmittel zur Sicherung der heimischen Gasversorgung zugreifen können. An dem dazu eingebrachten Antrag übten die Oppositionsparteien massive Kritik, zumal das zu novellierende Gesetz noch nicht im Bundesrat behandelt worden war. Der Antrag wurde daher nur von ÖVP und Grünen angenommen.

Vier-Parteien-Initiative gegen den Bau des AKW Paks II

Einstimmig sprachen sich die Abgeordneten im Umweltausschuss gegen den Bau des AKW Paks II in Ungarn mit einem Vier-Parteien-Antrag aus. Die Bundesregierung soll sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden rechtlichen, politischen und diplomatischen Mitteln auf EU- und bilateraler Ebene gegen den geplanten Bau des AKW Paks II einsetzen. Ungarn beabsichtige die Errichtung von zwei neuen AKW-Blöcken in Paks. Bei einem grenzüberschreitenden UVP-Verfahren seien geologische Faktoren nicht berücksichtigt worden, führen die Antragsteller:innen ein dementsprechendes Gutachten des österreichischen Umweltbundesamtes an, das die Erdbebensicherheit des Standorts bezweifelt. Daraus würden sich bedeutende Kritikpunkte an der Entscheidung für die Verlängerung der Standortlizenz, der Errichtung neuer AKW-Blöcke sowie zum Weiterbetrieb der bestehenden vier AKW-Blöcke ergeben.

Ausbau des Hochwasserschutzes entlang der Donau

Zur Finanzierung des Hochwasserschutzes entlang der Donau dienen zwei 15a-Vereinbarungen, abgeschlossen zwischen dem Bund und den Ländern Niederösterreich, Oberösterreich und Wien, die nun in neuer Fassung dem Nationalrat vorliegen. Zum einen sollen damit bis 2030 weitere Hochwasserschutzprojekte umgesetzt werden, wofür Bund und Länder die Gesamtkosten von rund 222 Mio. € gemeinsam tragen. Zum anderen geht es um eine Zusatzvereinbarung mit Niederösterreich und Wien zur Finanzierungssicherung geplanter Vorhaben.

Kostenfreistellung bei Führerschein-Verlängerungen

Für eine allgemeine Befreiung von den Verfahrenskosten bei der Verlängerung von Führerscheinen, die aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigung befristet sind, sprach sich der Verkehrsausschuss einstimmig aus. Ein Initiativantrag von SPÖ, FPÖ und NEOS zu dem Thema, der ebenfalls Gebührenerleichterungen forderte, wurde durch die einhellig angenommene Regierungsvorlage miterledigt. Alle Fraktionen begrüßen die Aufhebung von Verfahrenskosten im Sinne von Menschen mit Behinderungen. Nach Berechnungen des Verkehrsministeriums umfasst der betroffene Personenkreis etwa 20.000 Personen pro Jahr. Daraus ergeben sich pro Jahr insgesamt 742.000 €, die sich als Entlastung für diese Personengruppe bzw. als Mindereinnahmen der Gebietskörperschaften niederschlagen.

Abbiegen bei Rot für Radfahrer:innen

Eine geplante Novellierung der Straßenverkehrsordnung soll laut Verkehrsministerin Gewessler dem geänderten Mobilitätsverhalten Rechnung tragen und insbesonders Verbeserungen für Radfahrer:innen, aber auch Fußgänger:innen bringen. Vorgesehen sind etwa Änderungen von Parkbestimmungen wie ein grundsätzliches Verbot des Hineinragens schräg parkender Fahrzeuge in Radwege und Gehsteige und neue Regeln für das Rechtsabbiegen. So sollen Radfahrer:innen künftig auch bei Rot nach einem kurzen Anhalten rechts abbiegen dürfen, sofern eine entsprechende Zusatztafel angebracht ist. Zudem wird für Schwerfahrzeuge mit über 3,5 Tonnen Schrittgeschwindigkeit beim Rechtsabbiegen vorgeschrieben, wenn mit geradeaus fahrendem oder in selber Fahrtrichtung fahrendem rechts abbiegendem Radverkehr zu rechnen ist. Der Mindestabstand beim Überholen von Radfahrer:innen soll auf bis zu zwei Meter erhöht werden, zudem wird das Nebeneinanderfahren von Radfahrer:innen – etwa neben einem Kind – erleichtert.

Zum Schutz ein- und aussteigender Fahrgäste sieht der Gesetzentwurf ein weitgehendes Verbot des Vorbeifahrens an in der Haltestelle stehenden Straßenbahnen vor. Nur wenn alle Türen geschlossen sind und man sich vergewissert hat, dass keine Personen zulaufen, wird ein Passieren im Schritttempo erlaubt. Um die Verkehrssicherheit vor Schulen zu erhöhen, dürfen "Schulstraßen" mit grundsätzlichem Fahrverbot für Kraftfahrzeuge eingerichtet werden. Auch neue Verkehrsschilder für Sackgassen, mit Durchfahrmöglichkeit für Fahrräder bzw. Durchgehmöglichkeit für Fußgänger sind im Paket enthalten.

Die FPÖ kritisierte im Verkehrsausschuss die Pläne, einzig für Fahrräder das Rechtsabbiegen bei Rot zu erlauben. Diese Möglichkeit soll allen Fahrzeugen mit Ausnahme von Bussen und LKWs offenstehen, so die Forderung in einem FPÖ-Antrag, der jedoch von der Ausschussmehrheit abgelehnt wurde.

Verkehrssicherheit auf Bundesstraßen

Ein Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Verkehrssicherheit im hochrangigen Straßennetz bringt laut Verkehrsministerium eine geplante Novelle des Bundesstraßengesetzes. Zentraler Punkt ist die Ausdehnung der EU-Richtlinie zum Sicherheitsmanagement für die Straßenverkehrsinfrastruktur auf alle Bundesstraßen. Dazu soll ein neues Verfahren für eine netzweite Straßenverkehrssicherheitsbewertung etabliert werden. Bei Sicherheitsüberprüfungen müssen explizit auch die "ungeschützten Verkehrsteilnehmer:innen" (Radfahrer:innen, Fußgänger:innen und Motorradfahrer:innen) berücksichtigt werden.

FPÖ will Verkehrsministerin klagen

Einen neuen Anlauf zu einer Ministeranklage gegen die Verkehrsministerin macht die FPÖ. Im Verkehrsausschuss fand sich jedoch keine Mehrheit dafür. Gewessler verletze das Bundesstraßengesetz vorsätzlich, so die FPÖ mit Verweis auf den seitens der Ministerin angekündigten Baustopp des Lobau-Tunnels und anderer Straßenbauprojekte. Bestätigt sieht sich die FPÖ durch zwei von der Wirtschaftskammer Wien in Auftrag gegebene Gutachten. Diese würden belegen, dass das Klimaministerium keine gesetzliche Befugnis hat, Baustopps zu verhängen bzw. der ASFINAG in diesem Zusammenhang Weisungen zu erteilen.

Abkommen mit Südkorea zur Förderung des kulturellen Austauschs

Die Zusammenarbeit Österreichs und Südkoreas in den Bereichen Kultur, Kunst, Sport, Frauen, Jugend und Tourismus soll durch einen neuen Vertrag gefördert werden, der im Außenpolitischen Ausschuss einhellige Zustimmung erhielt. Dadurch soll es etwa zu einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen Kulturschaffenden sowie Theatern, Museen oder Galerien, anderen Kunst- und Kultureinrichtungen sowie Sport- und Jugendorganisationen kommen. Außenminister Alexander Schallenberg führte im Ausschuss aus, dass das Abkommen eine Ergänzung eines bereits mit Südkorea bestehenden Freihandelsabkommens darstelle und die Beziehungen vertiefen solle.

Entschließung zum Gedenken an den Völkermord in Srebrenica

Ebenfalls einstimmig empfiehlt der Außenpolitische Ausschuss die Annahme eines Vier-Parteien-Entschließungsantrags zum Gedenken an den Völkermord in Srebrenica. Er soll an die Massaker und die ethnischen Säuberungen erinnern, die 1995 während des Bosnien-Kriegs in Srebrenica und dem Umland der Stadt verübt wurden. In der Entschließung mahnen die Abgeordneten von der Bundesregierung weiterhin aktives Engagement für das Gedenken an diesen Völkermord ein, etwa im Rahmen der Vereinten Nationen.

Stärkung der Partnerschaft mit den USA

Auch die Stärkung der Partnerschaft mit den USA ist dem Außenpolitischen Ausschuss ein Anliegen, insbesondere was den wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, ökologischen und kulturellen Austausch betrifft. Er spricht sich in diesem Sinn dafür aus, die Aktivitäten der Marshallplan-Jubiläumsstiftung auszuweiten sowie die transatlantische Kooperation und den Wissenstransfer vor dem Hintergrund der Herausforderungen durch den Klimawandel zu stärken. Außerdem soll es zu einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen der Diplomatischen Akademie Wien und der Fulbright Kommission kommen. Basis für die Entschließung bildet ein gemeinsamer Antrag von ÖVP, Grünen und NEOS, der im Ausschuss einstimmig angenommen wurde.

2. Budget-Novelle und COVID-19-Krisenbewältigungsfonds

Aufgrund von Fristsetzungen stehen schließlich die 2. Budget-Novelle 2022 sowie eine Novelle des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds auf der Tagesordnung der Sitzung. Die Fraktionen haben allerdings vereinbart, die Beratungen darüber ohne Wortmeldung auf Donnerstag zu vertagen. Konkret geht es u.a. um die budgetäre Absicherung von zuletzt beschlossenen Entlastungsmaßnahmen zum Teuerungsausgleich und den Entfall der finanziellen Begrenzung des Krisenbewältigungsfonds in Höhe von 28 Mrd. €. (Fortsetzung TOP im Nationalrat) gs/mbu/rei

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.