Parlamentskorrespondenz Nr. 104 vom 01.02.2023

Nationalrat legt Stichtage für bevorstehende Anhebung des Frauenpensionsalters fest

Bildungsbonus für Arbeitslose könnte ins Dauerrecht übergeführt werden

Wien (PK) – Schon 1992 hat der Nationalrat in Form eines eigenen Bundesverfassungsgesetzes die schrittweise Angleichung des Regelpensionsalters von Frauen an jenes der Männer beschlossen. Zwischen 2024 und 2033 wird dieses sukzessive von 60 auf 65 Jahre steigen. Nun wurden ergänzend dazu Stichtage fixiert. Eine entsprechende Sozialversicherungsnovelle hat in der heutigen Plenarsitzung die Zustimmung von ÖVP, SPÖ und Grünen erhalten. Der Schritt sei notwendig, weil es unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten des Gesetzestextes gebe, argumentieren die Koalitionsparteien. Die NEOS sehen allerdings hohe Zusatzkosten von bis zu 1 Mrd. € auf den Staat zukommen, zumal auch die Übergangsbestimmungen für die Korridorpension entsprechend nachgebessert werden.

Konkret wird das Regelpensionsalter für Frauen, die zwischen 1. Jänner und 30. Juni 1964 geboren sind, mit 60,5 Jahren festgelegt. Für die Geburtsstichtage 1. Juli bis 31. Dezember 1964 erhöht sich das Regelpensionsalter auf 61 Jahre. Danach setzt sich dieses Muster bis zum Geburtsjahrgang 1968 in weiteren Halbjahresschritten fort. Für Frauen, die nach dem 30. Juni 1968 geboren sind, wird – wie für Männer – ein Regelpensionsalter von 65 Jahren gelten. Analog dazu werden auch die Stichtage für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (Korridorpension) angepasst. Davon werden insbesondere Frauen mit den Geburtsmonaten Juni und Dezember profitieren. Für bereits vereinbarte Altersteilzeitregelungen, die nicht mit den neuen Stichtagen in Einklang stehen, sind Übergangsbestimmungen vorgesehen.

Mit dem Gesetzespaket wird darüber hinaus der sogenannte Bildungsbonus um ein Jahr verlängert. Demnach werden auch Arbeitslose, die erst heuer mit einer längeren Umschulung von mindestens vier Monaten starten, zusätzlich zum Arbeitslosengeld und zum allgemeinen Schulungszuschlag 4 € pro Tag bzw. 120 € im Monat erhalten.

In der Minderheit blieb hingegen sowohl ein Abänderungsantrag der SPÖ zur rückwirkenden Abschaffung der Aliquotierungsregelung für die erste Pensionsanpassung als auch ein Entschließungsantrag der NEOS zur schnellstmöglichen Abschaffung der geblockten Altersteilzeit. Auch zwei Anträge der FPÖ, die diese zum wiederholten Mal eingebracht hatten, lehnte der Nationalrat ab. Sie zielten unter anderem auf eine Pensionsanhebung von mindestens 10 % im heurigen Jahr sowie auf den Abbau finanzieller und bürokratischer Hürden für Nebenbeschäftigungen von Pensionist:innen ab.

Pensionsanpassung: SPÖ für Abschaffung der Aliquotierungsregelung

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch begründete die Forderung seiner Fraktion nach Abschaffung der Aliquotierungsregelung für die erste Pensionsanpassung damit, dass es sich die meisten Arbeitnehmer:innen nicht aussuchen könnten, wann sie ihre Pension antreten. Der Pensionsstichtag sei aber maßgeblich dafür, wie hoch die Pensionserhöhung im darauffolgenden Jahr ausfallen werde. Habe man "das Glück" im Jänner in Pension zu gehen, bekomme man im nächsten Jahr die volle Pensionsanpassung, bei einem Pensionsantritt im Juni sei es nur mehr die Hälfte und bei einem Pensionsantritt im November bzw. Dezember gebe es gar keine Anpassung mehr. Angesichts der aktuellen Teuerung würden sich die daraus resultierenden Verluste im Laufe des Lebens auf mehrere zehntausend Euro summieren.

Das sei nach der Abschaffung der "Hacklerregelung" "ein weiterer Pensionsraub", sagte Muchitsch und rief die Regierungsparteien auf, diese "Geburtslotterie" zu beenden. Zudem bezweifelt er, dass die Aliquotierung verfassungsrechtlich zulässig ist. Auch die geplante Abschaffung der geblockten Altersteilzeit stieß bei ihm auf Unverständnis.

Was die Anhebung des Frauenpensionsalters betrifft, begrüßte SPÖ-Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek die vorgesehene Präzisierung. Sie machte aber darauf aufmerksam, dass Frauen im Erwerbsleben nach wie vor benachteiligt seien.

FPÖ sieht Frauen mit Kindern benachteiligt

Auch die FPÖ ließ an der Pensionspolitik der Regierung kein gutes Haar. "Es wird überall heruntergeschnitten", klagte Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Erwin Angerer sprach gar von einem "Raubzug". Nicht nur habe die Regierung die "Hacklerregelung" "zu Grabe getragen", auch die Aliquotierung führe zu "krassen" Benachteiligungen, bemängelte er. Gleichzeitig würden Pensionist:innen, die nebenbei arbeiten wollten, "vom Finanzminister geschröpft".

"Ein bisschen enttäuscht" zeigte sich Belakowitsch außerdem darüber, dass die Festlegung der Pensionsstichtage für Frauen nicht dazu genutzt wurde, um Kindererziehungszeiten beim Pensionsantrittsalter zu berücksichtigen. Es spreche nichts dagegen, dass eine kinderlose Frau das gleiche Regelpensionsalter habe wie Männer, meinte sie, man solle aber Doppel- und Dreifachbelastungen von Frauen mit Kindern einrechnen.

NEOS befürchten Zusatzkosten von bis zu 1 Mrd. €

Kritik aus der anderen Richtung kam von den NEOS. Bisher sei immer klar gewesen, dass für jemanden, der beispielsweise am 15. Dezember das Pensionsalter erreiche, der Pensionsstichtag der 1. Jänner sei, erklärte Gerald Loacker. Nunmehr ziehe man den Pensionsantritt für viele Frauen um ein halbes Jahr vor, was ihm zufolge geschätzte Zusatzkosten von bis zu 1 Mrd. € bewirken könnte. "Das ist das Geld der Jungen, das hier verblasen wird", führte er aus.

Auch für die Forderung der SPÖ, die Aliquotierungsregelung für die erste Pensionserhöhung abzuschaffen, zeigte Loacker kein Verständnis. Warum solle jemand, der im Dezember in Pension geht, die Inflationsabgeltung für ein volles Jahr erhalten, fragte er und qualifizierte in diesem Sinne auch die für 2023 beschlossene Sonderregelung als nicht schlüssig. Man müsse endlich von einer "Pensionspolitik der Geschenke" wegkommen, mahnte er.

Mit einem Entschließungsantrag unterstrich Loacker die Forderung der NEOS nach einer schnellstmöglichen Abschaffung der geblockten Altersteilzeit mit 1. Jänner 2024. Ziel der Altersteilzeit sei es schließlich, ältere Beschäftigte durch eine Arbeitszeitreduktion länger im Erwerbsleben zu halten, wird dazu in den Erläuterungen zum Antrag festgehalten. Dieses Ziel werde aber nur durch eine kontinuierliche Altersteilzeit erreicht, während die geblockte Altersteilzeit nichts anderes als eine mit Millionenbeträgen subventionierte Frühpensionierungsmöglichkeit sei.

Grüne wollen Bildungsbonus ins Dauerrecht überführen

Grünen-Sozialsprecher Markus Koza begründete die Notwendigkeit einer gesetzlichen Klarstellung zum Frauenpensionsalter damit, dass der Beschluss aus dem Jahr 1992 und ein weiterer Beschluss aus dem Jahr 2004 unterschiedlich interpretierbar seien. Dabei hat man ihm zufolge nicht zuletzt auch deshalb die für die betroffenen Frauen günstigere Variante gewählt, weil die Einhaltung des Vertrauensgrundsatzes ein zentrales Element bei Entscheidungen des VfGH sei.

Ausdrücklich begrüßte Koza darüber hinaus die einjährige Verlängerung des Bildungsbonus. Bisher haben ihm zufolge bereits 70.000 Arbeitslose von dieser Zusatzzahlung profitiert. Laut Koza ist geplant, den Bonus im kommenden Jahr ins Dauerrecht überzuführen und auszuweiten. Der Bildungsbonus unterstütze Menschen, die sich beruflich neu orientieren wollen, und helfe gleichzeitig der Gesellschaft, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, hielt Kozas Parteikollegin Sibylle Hamann ergänzend fest.

Seitens der ÖVP wies Bettina Zopf darauf hin, dass sie selbst von der Anhebung des Frauenpensionsalters betroffen sei. Sie habe zwei Kinder, werde aber gerne bis 65 Jahre arbeiten gehen, meinte sie: "Das sind wir den nächsten Generationen schuldig."

Zur Forderung der SPÖ nach Abschaffung der Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung merkte ÖVP-Klubobmann August Wöginger an, man habe die Pensionsreform seinerzeit beschlossen, um das Pensionssystem zu sichern. Man könne niemandem erklären, dass jemand, der im Dezember in Pension gehe, die volle Pensionsanpassung bekomme. Den Antrag der FPÖ betreffend eine zumindest zehnprozentigen Pensionserhöhung in diesem Jahr wertete Michael Hammer (ÖVP) als überschießend.

Rauch: Verfassungsgesetz wird bewusst zugunsten von Frauen ausgelegt

Sozialminister Johannes Rauch bekräftigte, dass sich die Regierungsparteien hinsichtlich der Pensionsstichtage für Frauen bewusst für jene Auslegung entschieden hätten, die für die Frauen günstiger sei. Er halte das für vertretbar, zumal es auch um eine verfassungskonforme Regelung gehe.

Zur Frage der Teuerungsabgeltung hielt Rauch fest, die Regierung versuche die Balance zwischen sozialer Gerechtigkeit und Budgeterfordernissen zu halten. Den einen sei das zu viel, den anderen zu wenig. Mit der für 2023 vorgesehenen Einmalzahlung und der Sonderregelung in Sachen Pensionsaliquotierung werde man jedenfalls die Inflation abfangen können. Auch im Rahmen der nächsten Pensionsanpassung werde er sich um eine Lösung bemühen. (Fortsetzung Nationalrat) gs

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