Parlamentskorrespondenz Nr. 219 vom 01.03.2023

Gemeinnütziger Wohnbau: FPÖ ortet Gesetzeslücke und befürchtet systematischen Verkauf von Wohnungen an Investor:innen

Regierungsparteien wollen Gespräche führen

Wien (PK) – In der heutigen Nationalratssitzung stand auf Verlangen der FPÖ auch eine schriftliche Anfragebeantwortung von Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher zum gemeinnützigen Wohnbau zur Diskussion. FPÖ-Abgeordneter Philipp Schrangl befürchtet einen "schleichenden Ausverkauf" von Sozialwohnungen und macht dafür legistische Mängel in der Novelle des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes 2022 verantwortlich. Es drohe "der größte Anschlag auf den sozialen Wohnbau in der Zweiten Republik", warnte er.

Sowohl Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler als auch Wirtschaftsminister Kocher sehen aktuell allerdings keinen Anlass zur Sorge. Inwieweit eine Gesetzesreparatur notwendig ist, sollen Gespräche klären. Neben der FPÖ traten jedenfalls auch SPÖ und NEOS dafür ein. Ein Antrag der FPÖ, die Anfragebeantwortung des Wirtschaftsministers nicht zur Kenntnis zu nehmen, fand keine Mehrheit.

FPÖ befürchtet "wohnpolitischen Raubzug"

Die FPÖ hatte das Thema schon in der letzten Sitzung des Bautenausschusses angesprochen. Auch heute verwiesen Schrangl und sein Fraktionskollege Christian Ragger auf die Einschätzung von Expert:innen, wonach seit der WGG-Novelle 2022 in von gemeinnützigen Bauvereinigungen errichteten Neubauten bis zu drei Wohnungen sondergenehmigungsfrei an einzelne Investor:innen verkauft werden dürfen. Damit könnten Anleger:innen Wohnungen zum Sozialtarif kaufen und dann zum freien Marktpreis vermieten. Auch die Sozialpartner und viele andere würden vor einem solchen "wohnpolitischen Raubzug" warnen, machte Schrangl geltend.

Dem Wirtschaftsminister warfen Schrangl und Ragger vor, die bestehenden Gefahren verschleiern zu wollen. Die vorliegende Anfragebeantwortung sei "unverfroren und wahrheitswidrig", keine einzige Frage sei konkret beantwortet worden, beklagte Schrangl. So stimme es nicht, dass es in der Praxis keine Bestrebungen zur Nutzung der Gesetzeslücke gebe. Schrangl ortet etwa bei den Reininghausgründen in der Steiermark bereits "Vorbereitungsarbeiten".

NEOS: Leistbarer Wohnraum ist wichtig

Unterstützung erhielt die FPÖ von den NEOS. Er sei Abgeordnetem Schrangl sehr dankbar dafür, dass er dieses Thema aufgegriffen habe, sagte Johannes Margreiter. Es sei wichtig, dass es leistbaren Wohnraum gebe, man müsse "sehr wachsam bleiben".

Laut Margreiter ist der umstrittene Passus im Zuge der letzten Novelle in das WGG "hineingeschummelt" worden. Da Autoabstellplätze und Garagenplätze nun nicht mehr mitgezählt werden, könnten seiner Ansicht nach nun tatsächlich bis zu drei Wohnungen ohne Nachweis der Selbstnutzung sondergenehmigungsfrei im Paket verkauft werden. Solche Paketverkäufe würden immer wieder stattfinden, etwa wenn sich Wohnungen als "Ladenhüter" erweisen oder die Bauvereinigung Geld für neue Projekte benötige.

SPÖ kündigt Gesetzesantrag an

Eine Gesetzesreparatur hält auch die SPÖ für notwendig. Ihre Partei arbeite gerade an einem entsprechenden Gesetzesantrag und werde diesen demnächst einbringen, kündigte Ruth Becher an.

Den von der FPÖ angestellten Vergleich mit dem seinerzeitigen Verkauf der Buwog-Wohnungen hält Becher allerdings für übertrieben. Man müsse "die Kirche im Dorf lassen", mahnte sie und warf der FPÖ gleichzeitig "Kindesweglegung" vor. Schließlich falle der Buwog-Skandal in die Zeit der schwarz-blauen Regierung. Damals seien 60.000 Bundeswohnungen um 30.000 € pro Stück verkauft worden. Auch in anderen Fällen habe die FPÖ "mieterfeindliche Politik" betrieben, machte die Bautensprecherin der SPÖ geltend.

ÖVP und Grüne wollen Gespräche führen

Seitens der Koalitionsparteien verwiesen ÖVP und Grüne auf die Einladung von Wirtschaftsminister Martin Kocher, mit den Bautensprecher:innen der Parteien Gespräche über das Thema zu führen. Wenn es Unklarheiten bzw. einen Interpretationsspielraum gebe, sei sie selbstverständlich dafür, das zu reparieren, sagte Nina Tomaselli (Grüne). Allerdings gehe es nicht um einen missverständlichen Gesetzespassus, sondern um adaptierte Erläuterungen.

Auch Johann Singer (ÖVP) machte geltend, dass es nicht um den Gesetzestext, sondern um die Erläuterungen gehe. Er kenne zudem niemanden in der Politik oder im Wirtschaftsressort, der einen Verkauf gemeinnütziger Wohnungen an Anleger forciere. Vielmehr seien die Bestimmungen zur Verhinderung von Spekulationen zuletzt mehrfach verschärft worden. Auch im gemeinnützigen Wohnbausektor selbst stelle niemand den sozialen Wohnbau in Frage. Normalerweise sei es so, dass Klarstellungen gemacht würden, wenn es notwendig sei, so Singer.

Generell hob Tomaselli die Bedeutung des gemeinnützigen Wohnbaus hervor. Wenn man sie frage, sei sie überhaupt keine Freundin von Eigentum im Wohnungsgemeinnützigkeitsbereich, sagte sie. Schließlich sei es Ziel des WGG, Wohnungen langfristig der Markt- und Spekulationslogik zu entziehen. Allerdings bestehe schon seit längerem die Möglichkeit der Eigentumsbegründung – das biete auch die Möglichkeit, Wohnungen, die mit Steuergeld gefördert wurden, teuer zu vermieten.

Kraus-Winkler: Für Spekulationen ist im gemeinnützigen Wohnbau kein Platz

Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler hielt FPÖ-Abgeordnetem Schrangl in Vertretung von Arbeitsminister Kocher entgegen, dass sich seit 2019 am grundsätzlichen Verbot für gemeinnützige Bauvereinigungen, Anlegerwohnungen zu errichten, auch nach der jüngsten WGG-Novelle nichts geändert habe. Paketverkäufe würden als Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen gewertet und strenge aufsichtsbehördliche Maßnahmen nach sich ziehen. Auch bei jeder anderen Art des Missbrauchs werde die Aufsicht tätig.

Kraus-Winkler bekräftigte, dass in den letzten Jahren mehrere Novellen erlassen worden seien, um Spekulationen mit gemeinnützigen Wohnungen zu verhindern. Unterschiedliche Rechtsauslegungen kämen immer wieder vor, im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz sei für Spekulation aber kein Platz.

SPÖ wollte über Aliquotierung der ersten Pensionserhöhung diskutieren

Grundsätzlich hätte die SPÖ in einer Kurzen Debatte lieber über ihre Forderung diskutiert, die Aliquotierung der ersten Pensionserhöhung abzuschaffen. Sie kam aber nicht zum Zug, weil im Falle einer Dringlichen Anfrage oder eines Dringlichen Antrags grundsätzlich nur eine einzige Kurzdebatte zum Aufruf gelangt und dabei jene Fraktion Vorrang hat, deren letztes Verlangen weiter zurückliegt. Daher wird über den von der SPÖ zur Pensionsaliquotierung eingebrachten Fristsetzungsantrag erst am Ende der Sitzung – und ohne vorherige Debatte – abgestimmt. Ziel dieser Geschäftsordnungsbestimmung ist es, überlange Nationalratssitzungen zu vermeiden. (Fortsetzung Nationalrat) gs

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.